piwik no script img

Wahlkampfendspurt in den USAKamala Harris verspricht „Land vor Partei“

Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten warnt bei einer Großkundgebung an einem symbolträchtigen Ort der US-Hauptstadt vor Donald Trump.

Kamala Harris spricht bei ihrer Kundgebung am Dienstagabend zu zehntausenden Anhängern vor dem Weißen Haus in der US-Hauptstadt Foto: Carlos Barria/Reuters

Washington, D.C. taz | Im Endspurt des US-Wahlkampfs wird der Ton immer rauer. US-Vizepräsidentin Kamala Harris hielt genau eine Woche vor dem eigentlichen Wahltag eine Rede, in der sie die Wähler vor ihrem Kontrahenten warnte und selbst versprach, das Land immer vor die eigene Partei zu stellen. Die Kundgebung am Dienstagabend in Washington hatte zudem großen Symbolcharakter.

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin sprach nämlich am selben Ort, an dem Nochpräsident Donald Trump vor mehr als drei Jahren seine Anhänger dazu aufforderte, zum US-Kapitol zu marschieren, um dort die Bestätigung von US-Präsident Joe Bidens Wahlsieg zu verhindern. Der 6. Januar 2021 wurde einer der schwärzesten Tage in der US-Geschichte.

Vor beeindruckender Kulisse, mit dem Weißen Haus im Hintergrund und zehntausenden Besuchern, versuchte Harris diejenigen, die noch immer nicht zwischen ihr und Trump entschieden haben, davon zu überzeugen, dass eine Stimme für Trump eine Stimme für die Tyrannei sei.

„Er ist jemand, der labil ist, von Rache besessen, von Groll zerfressen und auf uneingeschränkte Macht aus ist“, erklärte Harris in der Rede, die von ihrem Wahlkampfteam als „Closing Argument“, also als Schlussplädoyer, angepriesen wurde.

Umfragen sehen völlig offenen Wahlausgang

Letzten Umfragen zufolge ist der Wahlausgang weiterhin völlig offen. Laut der University of Florida sollen bereits mehr als 53 Millionen Amerikaner die Möglichkeit der vorzeitigen Stimmabgabe genutzt haben. Wahlberechtigt sind rund 244 Millionen Menschen.

Für Harris ging es am Dienstagabend darum, den Kontrast zwischen ihr und Trump nochmals zu verdeutlichen und die Gefahr, die von einer möglichen zweiten Amtszeit ihres Kontrahenten für die US-Demokratie ausgehe, hervorzuheben. „Donald Trump hat ein Jahrzehnt damit verbracht, das amerikanische Volk zu spalten und Angst untereinander zu schüren. So ist er. Aber Amerika, ich bin heute Abend hier, um zu sagen: So sind wir nicht.“

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Sie gelobte, eine Präsidentin für „alle Amerikaner zu sein“ und das Land immer über die Partei zu stellen. Ob diese Argumente am Ende bei den verbleibenden unabhängigen und unentschlossenen Wählern ziehen werden, bleibt abzuwarten. In Umfragen ist der Erhalt der US-Demokratie hinter Themen wie Wirtschaft, Einwanderung, Kriminalität und Abtreibungsrechte weit abgeschlagen zu finden.

Während Harris versucht, unentschlossene Wähler und republikanische Wähler, die keine weiteren vier Jahre Trump wollen, in den letzten Tagen vor der Wahl von sich zu überzeugen, versucht der Ex-Präsident seine loyalen Anhänger zu motivieren und frustrierte Wähler einzufangen.

Trump bezeichnet New Yorker Kundgebung als „Lovefest“

Bei einer Kundgebung in New York am Sonntag war es zu einer Reihe von rassistischen und vulgären Äußerungen gekommen, die Trump schaden könnten. Der 78-Jährige kommentierte die Aussagen der anderen Redner nicht und bezeichnete die Veranstaltung in New York am Dienstag als ein „Fest der Liebe“.

Vor allem die Aussagen des Komikers Tony Hinchcliffe, der Puerto Rico als eine „schwimmende Insel aus Müll“ bezeichnete, wurde in der Öffentlichkeit und von Trump-Gegnern stark kritisiert.

Für Trump spricht weiterhin, dass viele Amerikaner vom wirtschaftlichen Aufschwung, den das Land nach der Corona-Pandemie hingelegt hat, nichts spüren. Die inflationären Preissteigerungen, vor allem im Bereich von Lebensmitteln, machen vielen Haushalten weiterhin zu schaffen.

Während einer Wahlkampfveranstaltung im Swing State Pennsylvania am Dienstag stellte Trump deshalb eine einfache, doch effektive Frage: „Geht es Ihnen jetzt besser als vor vier Jahren?“

Trump verspricht Einfuhrzölle auf alle Importgüter

Glaubt man Untersuchungen, dann sagt eine Mehrheit der Amerikaner, dass das Land sich in die falsche Richtung bewegt. Trump will bei einem Wahlsieg Einfuhrzölle auf alle Importgüter verhängen und die größten Abschiebemaßnahmen in der Geschichte des Landes durchführen.

Bei einer Pressekonferenz in Florida attackierte er am Dienstag Harris' Führungsqualitäten. „Keine Person, die im In- und Ausland so viel Zerstörung und Tod verursacht hat, sollte jemals Präsident der Vereinigten Staaten sein dürfen“, sagte Trump.

Im Gegensatz zu Trump, der Demokraten oft als Feinde bezeichnet, will Harris auch Republikaner ins Boot holen. „Er will [seine Gegner] ins Gefängnis werfen. Ich werde ihnen einen Platz am Verhandlungstisch geben“, sagte sie.

Die verbleibenden Tage bis zur Wahl werden Harris und Trump mit Wahlkampf-Auftritten in den so wichtigen sieben Swing States verbringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Putzig eigentlich, dass die Demokraten nicht die Frage stellen, ob es den Menschen nach Trumps Amtszeit besser ging. 1.2 Mio Corona-Tote, 7 % Arbeitslose, Millionen vernichtete Arbeitsplätze, etc. pp.

  • Aufgrund meiner Aufenthalte in den USA kenne ich ein paar WählerInnen der Republikaner persönlich und das interessante ist, dass sie an Trump nichts falsch finden. Er ist ihr Mann und dem eigenen Mann wird vorbehaltlos vertraut. Wäre Trump ein Mann mit weniger auf dem Kerbholz, dann könnte man diese naive Sichtweise akzeptieren und verzeihen. Aber da Trump ist wer er ist, jemand, wie Harris so schön sagt, "der labil ist, von Rache besessen, von Groll zerfressen und auf uneingeschränkte Macht aus", sind seine WählerInnen mitverantwortlich für jeden Schaden, den er den USA und der Welt zufügen wird, sollte er erneut Präsident werden. Es ist jedenfalls zu bezweifeln, dass sich die Zerrissenheit der US-amerikanischen Gesellschaft durch ihn befrieden lässt. Dafür bräuchte es einen oder eine moderate(n) und tolerante(n) Republikaner(in). Aufgrund der Ignoranz der RepublikanerInnen scheint es mir jedenfalls unmöglich, dass ein oder eine Demokrat(in) das Land befrieden könnte. Die RepublikanerInnen würden es aus Prinzip nicht zulassen, dafür lehnen sie ihre Gegner, ihre demokratischen Mitmenschen, zu sehr ab, um es ihnen zu gestatten.

  • "Bei einer Kundgebung in New York am Sonntag war es zu einer Reihe von rassistischen und vulgären Äußerungen gekommen, die Trump schaden könnten."



    Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihm das schadet. Die Zeiten sind glaube ich lange vorbei, dass ihm die Empörung, die ihm entgegen schlägt, irgendwie schadet. Nur kurz zu Erinnerung, der hat schon mal 4 Jahre als Präsident hinter sich, bei dem er konstant irgendeinem Bullshit von sich gibt, hinter sich. Und einen Umsturzversuch.



    Ich denke mittlerweile macht er es absichtlich, genau um die Empörung zu bekommen und er sie in sein Narrativ einbauen kann. Lustigerweise glaube ich, dass viele garnicht hinter dem stehen was er sagt. Ich denke viele begreifen die Liberale als Feind und die bringt er in Panik.



    Naja es wäre lustig, wenn nicht in seiner Bugwelle ein Haufen Faschisten mit an die Macht gespühlt werden würden.

  • Ich bin recht pessimistisch und gehe davon aus, dass der nächste Präsident Trump heißt. Trump hat bei den beiden letzten Wahlen besser abgeschnitten, als es prognostiziert war. Wenn sich das wiederholt - was ich befürchte - gewinnt er die Wahl. Harris als Person hat mich auch nicht überzeugt. Aus meiner persönlichen Sicht hat sie halt den großen Vorzug nicht Trump zu sein. Das würde mir genügen. Da ich nicht wählen darf, spielt meine Meinung aber eh keine Rolle. Noch sieben Mal schlafen und wir wissen mehr (außer es wird so knapp wie im Jahr 2000).

  • „Geht es Ihnen jetzt besser als vor vier Jahren?“



    Trump will bei einem Wahlsieg Einfuhrzölle auf alle Importgüter verhängen und die größten Abschiebemaßnahmen in der Geschichte des Landes durchführen.



    ---



    Ich mag diese erstaunlich unkonventionelle U-SAmerikanische Logik! Wenn Sie DT, "The Largest dealer of all time", so klar & deutlich kommuniziert :-)



    Ein Staat, eine Bevölkerung der(das seit Jahrzehnten seien Konsum billig aus dem Rest der Welt durch Importe abdeckt, "glaubt" mit Einführzöllen besser & billiger klarzukommen, in der Zukunft besser zu leben? :-)



    Ist schon "niedlich" wenn Wähler das schlucken!



    Zölle auf Kosten des allgemeinen Lebensstandards, dann hat der Staat Einnahmen & kann auf Steuern, die die "armen Reichen" auch zahlen müssen verzichten!



    Wie war das noch mal bei der klassischen Boston Tea Party 1773? Ging es da nicht auch um, oder besser GEGEN Einfuhrzölle? :-)



    Siehe unten:



    de.wikipedia.org/wiki/Boston_Tea_Party



    Ps. Auch wir in DE hatten ab 1933 mal einen "Autarkie-Fimmel"! Wie das endete, was notwendig war, um "ohne Außenhandel zu leben", aber "vom Ausland zu leben", ist wohl Allgemeinwissen:



    de.wikipedia.org/wiki/Autarkie#NS-Zeit

  • „Geht es Ihnen jetzt besser als vor vier Jahren?“



    Das ist die einfache, populistische Suggestivfrage, die am Ende noch verfangen könnte … gefährlich für die Kampagne der US-Demokraten.



    Wenn sich die Demokraten - nicht nur in den Staaten, auch bei uns - da nicht schonungslos ehrlich machen, ist der Siegeszug der Autoritären unaufhaltsam.

    • @Abdurchdiemitte:

      Ja, am Ende sind die Bürger keine Demokratietheoretiker und Altruisten, die Regierung in der Demokratie muss liefern, nämlich Jobs, halbwegs stabile Preise, bezahlbares Wohnen. Gefährlich ist, dass die gar nicht mal üblen Wirtschaftsdaten, die sinkende Inflation, niedrige Arbeitslosenzahlen, trumpschen Chaos zu warnen wird nicht helfen. Harris braucht einen Plan und muss diesen auf rüberbringen.

  • Schade eigentlich. Kamala Harris ist mit einem deutlichen Vorsprung ins Rennen gegangen, konnte aber die Wähler nicht genügend für sich und ihre Partei begeistern. Sie mag ehrlich sein, sie mag gut sein, aber ihr Charisma kommt bei den Wählern nicht an. Jetzt müssen wir uns leider nochmals auf 5 Jahre Trump einstellen, denn Kamala wird es nicht schaffen.

  • "Sie gelobte, eine Präsidentin für „alle Amerikaner zu sein“ und das Land immer über die Partei zu stellen. Ob diese Argumente am Ende bei den verbleibenden unabhängigen und unentschlossenen Wählern ziehen werden, bleibt abzuwarten."



    Richtig, das war ein Schuss ins Knie. Man liest Panik und nackte Verzweiflung aus dieser Aussage. 'Land von Partei' heißt 'wählt mich, ich bin der bessere Mensch'. Da lässt sich Schwäche, Unentschlossenheit, nicht überzeugt von den eigenen Prinzipien reininterpretieren - das sind in Amerika die obersten Prämissen für Politiker...



    "In Umfragen ist der Erhalt der US-Demokratie hinter Themen wie Wirtschaft, Einwanderung, Kriminalität und Abtreibungsrechte weit abgeschlagen zu finden."



    Die Demokraten haben sich komplett verkalkuliert mit ihrem Wahlkampf. Die Menschen haben Abstiegsängste. Meine finanzielle Sicherheit, Lebensstandardsicherung - das ist das einzige was die breite Mehrheit interessiert. Auch in Europa.



    Klima, Demokratie, etc sind für Otto Normal 'weiche Werte', nice to have.



    Das eint die Europäer mit den Amerikanern - und ebenso wie die Demokraten um Harris in den USA verkennen die Politiker hier diese Gewichtung in der Bevölkerung.