Wahlkampfabschluss in Brandenburg: Volksnähe ohne Volk
Vizekanzler Olaf Scholz besucht im brandenburgischen Prenzlau die Veranstaltung zum Wahlkampfende der SPD. Es kommen nur eine Handvoll Leute.
Man mache dieses Kaffeetrinken mit dem Vizekanzler extra hier, um Volksnähe zu zeigen, so die SPD. Trotz AfD. Man hört gellende Trillerpfeifen, aber nein, das ist keine Störaktion der Rechtspopulisten, die SPD verschenkt neben Kugelschreibern auch Trillerpfeifen, mit denen die Kinder auf Spielplatz nebenan vergnügt Lärm machen.
Die Stimmung in der Brandenburger SPD ist besser geworden. Sie liegt in den aktuellen Umfragen vor der Wahl am Sonntag bei 22 Prozent und kann hoffen, mehr Stimmen als die AfD zu bekommen. Die führte einige Zeit, doch die allerletzte Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen sah die AfD bei 21 Prozent. Der Trend scheint sich gedreht zu haben, die SPD könnte in ihrem ostdeutschen Stammland wieder stärkste Partei werden und den Ministerpräsidenten stellen. So wie seit 30 Jahren. Manche hoffen, dass die Nachricht, dass der Brandenburger AfD-Chef und Spitzenkandidat Andreas Kalbitz 2007 mit Neonazis in Griechenland war, Schwankende zur Vernunft bringt.
Mit der Volksnähe ist es an diesem warmen Freitagnachmittag mangels Volk schwierig. Der örtliche SPD-Bundestagsabgeordnete ist da, auch die Volkverteter aus Landtag und Kreistagen sowie einige Stadträte sind gekommen. Und eine Handvoll Neugierige. Ein paar Plattenbaubewohner schauen von ihren Balkonen herab und verschwinden nach ein paar Minuten wieder.
Ein Mann für Lösungen
„Alle können auf mich zuströmen“, sagt Olaf Scholz. Und, dass viel gelungen sei in Brandenburg, aber man noch besser werden könne. Ein alter Mann tritt heran und führt Beschwerde. Er lebe in einem Dorf ohne Geschäft, zehn Kilometer von der nächsten Stadt entfernt, der Bus fahre selten. Warum? „Zu DDR-Zeiten war das besser“, sagt er.
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Scholz hält das für eine gute Frage. Man müsse den öffentlichen Nahverkehr ausbauen, andererseits sei es so eine Sache mit den kleinen Geschäften. Die Leute machten ihre Großeinkäufe in den Malls und großen Supermärkten und ärgerten sich, wenn der Laden um die Ecke verschwinde. Deshalb, so Scholz, seien sie ja auch Schuld. Im Übrigen sei Technik die Lösung. Technik habe einen schlechten Ruf, zu Unrecht. Denn man könne mit digitaler Technik – „App nennt sich das“ – ein selbstfahrendes Auto bestellen, das einen in die nächste Stadt bringe. Leider gebe es bei selbstfahrenden Autos noch echte Probleme bei Kreisverkehren.
Irgendwie liegt hier ein Missverständnis vor. Der Mann, über 70, wird es wohl kaum erleben, dass selbstfahrende Autos ihn, mit oder ohne Kreisverkehr, nach Straßburg in der Norduckermark bringen. Vielleicht wollte er nur etwas Verständnis. Aber Scholz ist kein Mann für Verständnis, er ist ein Mann für Lösungen.
Eine alte Frau sagt: „Ich bin 1942 in Prenzlau geboren. Wir haben als Kinder den Schutt weggeräumt“. Die Prenzlauer seien fleißig. Sie sagt auch: „Zu DDR-Zeiten gab es noch Zusammenhalt, jetzt nicht mehr. Jetzt geht es bergab.“ Und keiner tue was dagegen. Scholz hat das Mikro in der Hand, und damit alle die Frage hören, wiederholt er sie: Die Frau lobe die Stadt als fleißig und wolle wissen, wie sich Prenzlau richtig entwickeln kann.
Das hat Olaf Scholz gehört. Er hört nichts von Sehnsucht nach Früher und DDR-Nostalgie, sondern wie man es anpackt, dass es bergauf geht. Lösungen müssen her. Brandenburg sei, was die Finanzstärke angeht, fast so weit wie westliche Bundesländer, sagt er später. Es ist wohl als Aufmunterung gemeint.
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