Wahlkampf in Schleswig-Holstein: Keiner braucht Jamaika
CDU und FDP umschwärmen die Grünen um Robert Habeck. Doch der gibt sich fest verpartnert mit der beliebten SPD und dem SSW.
Dass Kubicki den jugendlich wirkenden Christdemokraten für ein politisches Leichtgewicht hält, ist im Kieler Landeshaus kein Geheimnis. Doch nur gemeinsam haben sie eine Chance, die seit fünf Jahren regierende „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und der Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) abzulösen. Günther und Kubicki – das ist eher eine Notgemeinschaft als eine Männerfreundschaft.
Mit Habeck indes würden beide nicht ungern zusammenarbeiten, der Christdemokrat mehr noch als der Liberale. Während es Letzterem vor allem um die Machtoption mit Habeck geht, den er „einen tollen Typ und politischen Kopf“ nennt, will Günther die CDU modernisieren: „Wir müssen uns für die Gruppen mit einem urbanen Lebensstil öffnen, statt sie in die Hände der Grünen zu treiben.“
Robert Habeck, dessen hauchdünne Niederlage gegen Cem Özdemir beim grünen Spitzenkandidaten-Casting im Januar von der Basis im Norden als Sieg verstanden wird, weist diese Avancen kühl zurück: „Es gibt keinen Bedarf für Debatten über ein anderes Bündnis als die Küstenkoalition.“ Zumal ein schwarz-grün-gelbes Jamaika-Bündnis „einem Realitätscheck nicht standhält. Es gibt kein Politikfeld, auf dem die CDU ein verlässlicher Partner wäre: In der Energiewende nicht, und in der Agrar- und Umweltpolitik sind sie unser Hauptgegenspieler.“
Haushalt 2017 kommt ohne neue Schulden aus
Während das Regierungsbündnis die Windkraft auch an Land weiter ausbauen will, möchte die CDU neue Windparks nur noch auf hoher See erlauben. Landwirte sind in den Gemeinden das Rückgrat der traditionell bäuerlich-konservativen CDU; Habeck mit seiner Förderung von Ökohöfen und seinem Kampf gegen Massentierhaltung und die Überdüngung von Äckern ist da der Gegenpol. Nicht zufällig also sind diese drei Bereiche neben dem neu ausgebrochenen Schulstreitdie Hauptthemen im Wahlkampf. Deshalb macht Habeck eine klare Ansage: „Diese Koalition ist erfolgreich, wir sind mit ihr hoch zufrieden. Wir wollen sie fortsetzen. Ende der Durchsage.“
Einig ist sich der 47-Jährige darin mit SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig. Seit fünf Jahren führt der Ministerpräsident mit dem markanten Glatzkopf die Küstenkoalition trotz knapper Mehrheit fast geräuschlos. Der Haushalt 2017 kommt ohne neue Schulden aus, die Arbeitslosenquote liegt bundesweit im Mittelfeld, die Zuschüsse für Kitas wurden im laufenden Jahr verdoppelt, auch für Hochschulen und Polizei gibt es mehr Geld. Nicht einmal der Abschiebestopp nach Afghanistan, den Schleswig-Holstein beschlossen hat, ist ein Konfliktthema, das der Opposition nützt. Und selbst Günther räumte kürzlich ein, dass es wirtschaftlich derzeit nicht viel zu meckern gebe. „Die guten Kerndaten spielen für die jetzige Regierung.“
Daniel Günther, CDU-Kandidat
Zur Ruhe in Partei und Regierung trägt bei, dass der 53-jährige Albig keine bundespolitischen Ambitionen hegt. Die Arbeitsteilung zwischen ihm und Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner, der zugleich stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender ist, klappt problemlos. Albig gibt den pragmatischen Regierungschef, der „rote Rambo“ Stegner tobt sich auf dem linken Flügel aus: Zusammen halten sie die einst tief zerstrittene Nord-SPD bei Laune und auf Kurs. Und von Bundestrends will niemand etwas wissen: Saarland? Interessiert im hohen Norden nicht. Martin Schulz? Darf vorbeikommen, muss aber nicht. Olaf Scholz? Hamburgs Bürgermeister tritt mehrmals die Woche in Schleswig-Holstein auf. „Für den Wahlkampf hier oben ist Scholz wichtiger als Schulz“, sagt Albig.
Albig, Habeck und Kubicki sind beliebteste Politiker
Unmissverständlich ist auch das Bekenntnis des SSW zur Küstenkoalition: „Andere Optionen kommen für uns nicht infrage“, stellt Fraktionschef und Spitzenkandidat Lars Harms klar, der weiterhin von einem Wohlfahrtsstaat nach skandinavischem Vorbild träumt: „Nicht weniger Staat kann das Ziel sein, sondern ein Staat, der sich kümmert um alles, was weder die Gemeinschaft noch der Markt lösen können oder wollen“, formuliert Harms seine Absage an CDU und FDP: „Unsere politischen Vorstellungen sind nur mit SPD und Grünen umsetzbar, mit den anderen nicht.“
Und dafür könnte es sogar reichen. Die aktuellste Umfrage sagt der regierenden Koalition 50 Prozent voraus: 33 für die SPD, 14 für die Grünen und 3 Prozent für den SSW, für den als Minderheitenpartei die Fünfprozenthürde nicht gilt. Die CDU liegt demnach bei 27 Prozent, die FDP bei 9 Prozent. Neu in den Landtag käme erstmals die AfD mit 7 Prozent, die Linken, 2012 rausgewählt, müssen bei 4 Prozent bangen. Die Piraten, die vor fünf Jahren ins Parlament einzogen und aktuell an der Wahrnehmbarkeitsschwelle dümpeln, werben selbstironisch mit dem Slogan „Totgesagte leben länger.“
Überleben werden indes Albig, Habeck und Kubicki, die mit Sympathiewerten von mehr als 50 Prozent die zurzeit drei beliebtesten Politiker im Lande sind. Albig liegt damit klar vor Günther mit nur 21 Prozent. Mit der Küstenkoalition sind gar 62 Prozent der Befragten zufrieden. Für Daniel Günthers Jamaika-Träume hingegen kann sich gerade mal jeder Vierte erwärmen: Schleswig-Holstein hat schließlich schon 20 Inseln.
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