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Wahlkampf in BerlinPlakativer Vandalismus

300 Anzeigen wegen zerstörter oder geklauter Wahlplakate sind bisher bei der Polizei eingegangen. Doch die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

Offener Rassismus in Berlin: beschmierte Plakate des SPD-Kandidaten Orkan Özdemir Foto: spd

Berlin dpa/taz | Vor der Berliner Wiederholungswahl beklagen die Parteien Zerstörungen und Diebstahl von Plakaten. Knapp 300 Anzeigen lagen der Polizei dazu wenige Tage vor der Wahl an diesem Sonntag vor, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilte. Wie schon bei früheren Wahlen gibt es bei der Polizei eine besondere Ermittlungsgruppe „EG Wahlen“ im Landeskriminalamt (LKA), die die kriminellen Vorfälle untersucht.

Nach Angaben der Polizei gehören dazu vereinzelt auch Beleidigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen, die Parteien im Rahmen von Wahlveranstaltungen gemeldet hätten. Im Vergleich zu früheren Wahlen sei dies jedoch deutlich seltener der Fall gewesen. In Einzelfällen seien auch Mandatsträger angegangen worden, solche Beleidigung oder Bedrohung seien meist in sozialen Medien erfolgt.

Wie häufig Wahlplakate gestohlen werden, lässt sich laut Polizei nicht genau sagen. Die Beamten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Auch im Fall von Sachbeschädigungen sei das Bild unvollständig, weil nicht alle Vorfälle angezeigt würden. Man verzichte in der Regel darauf, weil diese erfahrungsgemäß ins Leere laufe, erklärte der Landesgeschäftsführer der Linken, Sebastian Koch, am Freitag.

Nach Angaben der Polizei können Taten und mutmaßliche Täter oft nicht einer bestimmten politischen Richtung wie dem Links- oder Rechtsextremismus zugeordnet werden. Bei den derzeit bekannten Verdächtigen handele es sich meist um Jugendliche oder Heranwachsende, berichtete die Sprecherin. Naheliegender dürfe der Täterkreis sein bei den diese Woche bekannt gewordenen Sprühereien auf Plakate des Neuköllner SPD-Kandidaten Orkan Özdemir. Die Sprüche sind eindeutig rassistisch.

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Die Grünen hatten zuletzt ein „systematisches Entfernen“ von Wahlplakaten in Pankow beklagt, betroffen war davon besonders Kandidatin Antje Kapek. Dort seien vergangene Woche etwa 20 Plakate entfernt worden. Zuvor seien bereits 50 bis 60 Plakate Anfang Januar in Prenzlauer Berg gestohlen worden, vergangene Woche dann Dutzende im Schlachthofviertel. Dadurch seien mehrere Hundert Euro Schaden entstanden, hieß es.

Grüne sprechen von gezielten Angriffen

Auch andernorts habe es vergleichbare Vorfälle gegeben, sagte ein Sprecher der Berliner Grünen. „Wir haben den Eindruck, dass gezielter Vandalismus gegen grüne Wahlwerbung noch nie so groß war wie bei dieser Wahl.“

Diesen Eindruck teilte die SPD. Man könne die Schäden nicht genau beziffern, erklärte ein Parteisprecher. Aber im aktuellen Wahlkampf habe es auch Vandalismus in Stadtteilen gegeben, wo die bislang eher selten gewesen sei.

Von der AfD hieß es, etwa 500 Plakaten fehlten. Zudem berichtete ein Sprecher unter anderem von Farbbomben auf ein Versammlungslokal und einem Brandanschlag auf einen Anhänger mit einem Plakat im Januar in Blankenburg. Zudem habe die AfD einen versuchten Diebstahl aus dem Bollerwagen eines Plakatierteams angezeigt.

Aus Sicht der Linken sind im aktuellen Wahlkampf besonders viele Großflächenplakate aller Parteien beschädigt worden. Bei eigenen Plakaten habe die Polizei in zwei Fällen mutmaßliche Täter auf frischer Tat ertappt. Die Linke kalkuliert nach eigenen Angaben bei der Produktion zu Beginn eines Wahlkampfes mit ein, dass etwa 20 Prozent der Plakate beschädigt oder gestohlen werden.

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7 Kommentare

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  • Plakatüber Vandalismus, richtig! So habe ich dieses Plakate immer schon empfunden

  • Ich will nicht schwarz sehen!



    Als alter Wahlkämpfer sei gesagt, ja, es braucht Plakate!



    Auch wenn viele Menschen mit dem dritten Auge (in der Hand) leben, gibt es noch die Generation, die " mit dem zweiten besser sieht".



    Diese Gruppe wächst.



    Dass Plakate da sind erscheint normal.



    Wehe , man/ frau ist zu spät, oder nach Verlust wird nicht nachplakatiert, dann heißt es: die glauben wohl, das haben die nicht nötig, oder die glauben auch schon, das lohnt sich nicht mehr etc.



    Wahlkampf ist ehrenamtliche Arbeit.



    Wer da schon mal mitgemacht hat, weiß, das ist kein Kaffeekränzchen.



    Bei Verständnis für jugendlichen " Übermut", empfinde ich derartige organisierte Zerstörung/ Diebstahl als undemokratisch .



    An dieser Stelle nochmal:



    ich hoffe, Ihr geht wählen und verhindert einen CDU Bürgermeister. Ansonsten dürft Ihr euch anschließend gerne auch selbst von B in jwd umbenennen!

  • Braucht es die Plakate überhaupt? Gibt es wirklich eine signifikant hohe Zahl von Wählern, die ihre Wahlentscheidung durch Plakate beeinflussen lassen? Sind Aufwand und Kosten wirkli gerechtfertigt? Mir erscheint das nicht mehr wirklich zeitgemäß, ich finde solche Plakate überall im Stadtbild vor Wahlen hässlich und störend.

    • @Ruediger:

      die Frage ist im Grunde obsolet. In der Realität sieht es so aus, dass AFD, Republikaner und NPD den öffentlichen Raum dominieren wollen. Ein Mittel hierzu sind Wahlkampfplakate. Richtig ist: Plakate braucht es eigentlich nicht. Richtig ist aber auch: Wir dürfen den rechtsextremen Parteien keinen Fussbreit des öffentlichen Raums überlassen, darum müssen alle Parteien links der AFD Plakate hängen.

      • @Devon Miles:

        Die Parteien räumen sich ja selbst Sonderrechte rin, vor Wahlen den öffentlichen Raum mit Plakaten vollzuhängen. Da könnte man ansetzen.

      • @Devon Miles:

        Die AFD hängt nie Plakate in meinem Viertel in Hannover auf. Zu links und zu viele Migranten. Wahlplakate nerven ohne Ende. Und da ich Hochparterre wohne, kann ich mir Wochenlang die dummen Gesichter auf den Plakaten anschauen sobald ich am Fenster bin. Für mich reine Geldverschwendung und Verschandelung des öffentlichen Raums. Noch nie hat ein Plakat meine Wahlentscheidung beeinflusst und wenn es für alle verboten wird, hat auch die AFD keinerlei Vorteil.

      • @Devon Miles:

        Wag ich für eine gewagte These, dass AFD Plakate dominieren. Zumindest ist mir das in BW bei keiner Wahl aufgefallen.