Wahlkampf der saarländischen SPD: Die Anke wittert Morgenluft

Sie galt als krasse Außenseiterin. Doch jetzt hat die SPD- Spitzenkandidatin Anke Rehlinger eine reale Chance, Ministerpräsidentin zu werden.

Anke Rehlinger und Martin Schulz geben sich lachend die Hand an einem langen Tisch bei einer Veranstaltung

Martin Schulz hat gerade einen guten Lauf, Anke Rehlinger aber Muckis Foto: dpa

SAARLOUIS taz | „Ich bin die Anke“. Freundlich begrüßt die saarländische SPD-Spitzenkandidatin die Leute im Lebensmittelladen CAP, in dem Behinderte ausgebildet werden und arbeiten. Anke Rehlinger soll an der Kasse aushelfen, „um den Umsatz ein bisschen anzukurbeln“, sagt der Marktleiter. „Ist ja auch so eine Art Wirtschaftsförderung“, kommentiert die Landeswirtschaftsministerin vergnügt. Die 40-Jährige kann mit den Leuten und packt an.

„Ludwigsplatz“ – schon Anfang Februar hielten Jusos auf dem Programmparteitag der Saar-SPD Schilder mit der Adresse der Saarbrücker Staatskanzlei in die Kameras. Seit Kanzlerkandidat Martin Schulz die SPD träumen lässt, wittern auch die GenossInnen an der Saar Morgenluft. SPD-Vorfrau Rehlinger soll in die Staatskanzlei einziehen, die seit 18 Jahren, seit dem Bruch des Ex-SPD-Chefs und ehemaligen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine mit seiner Partei, in CDU-Hand ist.

Die Operation ist heikel. Rehlinger und die amtierende CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sind Partnerinnen in einer Großen Koalition, die das Land fünf Jahre lang ganz ordentlich regiert hat. Möglicherweise müssen beide nach der Wahl weiter zusammenarbeiten. Schlecht übereinander reden geht da gar nicht. Aber ein bisschen Distanz darf schon sein.

Rehlinger hält sich deshalb mit Kritik am aktuellen Vorstoß Kramp-Karrenbauers zurück, Wahlkampfauftritte türkischer PolitikerInnen im Saarland zu untersagen. Sie beschränkt sich stattdessen auf die süffisante Bemerkung, „die Ministerpräsidentin löst damit weniger ein real existierendes Problem des Landes als eher das real existierende Problem der CDU im Saarland“.

In den aktuellen Umfragen liegen CDU und SPD inzwischen fast gleichauf. Danach erscheint inzwischen sogar ein rot-rotes Bündnis möglich. Auch wenn Rehlinger ihr Verhältnis zum Linkspartei-Spitzenkandidaten Lafontaine als „unverkrampft“ beschreibt, hat sie eine klare Koalitionsaussage bislang allerdings vermieden.

Eine Kämpferinnennatur

Anke Rehlinger ist Juristin, verheiratet mit einem Arzt und Mutter eines 8-jährigen Sohns. Noch bis vor Kurzem galt sie als krasse Außenseiterin. Amtsinhaberin Kramp-Karrenbauer ist länger im Geschäft, äußerst bekannt und populär. Aber Rehlinger ist eine Kämpferinnennatur. Als Jugendliche war sie eine erfolgreiche Werferin. Sie hält den saarländischen Jugendrekord im Diskuswerfen und bei den erwachsenen Frauen den im Kugelstoßen. Mit dem Auswahlteam „Equipe Saar“ errang sie zuletzt 2014 die Deutsche Meisterschaft bei den SeniorInnen: „Klingt schrecklich, aber bei der Leichtathletik ist man ab 30 Seniorin“, sagt sie lachend.

Seit Martin Schulz die SPD träumen lässt, wittern auch die GenossInnen an der Saar Morgenluft

In einem Cafè trifft Rehlinger zufällig auf eine vergnügte Runde rüstiger Damen. Die Ministerin schüttelt Hände. „Sie ist von der SPD und trotzdem eine nette Frau“, sagt eine der älteren Frauen. SPD – und trotzdem nett. Da klingt das Imageproblem der SozialdemokratInnen auch an der Saar an. Schon lange bevor Schulz als Kanzlerkandidat der SPD feststand, hatte Rehlinger gefordert, sich wieder auf die Kernkompetenz der Partei zu besinnen: die soziale Gerechtigkeit.

Wenn die beispielsweise für eine Mindestrente wirbt, dann wird sie gerne konkret und bringt das Beispiel von Walburga L., die 46 Jahre und 9 Monate lang gearbeitet und Rentenbeiträge einbezahlt hat. „Sie bekommt 867 Euro und 17 Cent Rente, das ist nicht gerecht“, sagt Rehlinger. Sie wirbt für ein „Jahrzehnt der Investitionen“, verspricht mehr Geld für Schulen und Hochschulen, für Brücken und Straßen und langfristig „gebührenfreie Bildung von Anfang an“.

Die Stimmung in der Saar-SPD ist gut. Auch hier wirkt der „Martin-Schulz-Effekt“: Mehr als 200 Neueintritte gab es in den vergangenen Wochen. Und es gibt Rückenwind aus den Gewerkschaften. Der IG-Metaller Ralf Cervelius hat eine WählerInneninitiative gegründet.

Rehlinger ist zuversichtlich. Sie habe als Jugendliche erlebt, dass Politik etwas bewegen kann, sagt sie. Ihr Vater war Schichtleiter in einem von der Insolvenz bedrohten Holzplattenwerks. Sie habe die Angst vor Arbeitslosigkeit mitbekommen. „Der Hans hat das geregelt“, hätten sie damals gesagt. „Hans“, das war der SPD-Mann Hans Kaspar, Oskar Lafontaines damaliger Finanzminister.

„Ich weiß nicht, was der Hans gemacht hat, aber damals habe ich gelernt, dass Politiker nicht nur nutzlos mit dem Dienstwagen rumfahren“, sagt Rehlinger.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.