Wahlkampf der SPD in Berlin: Der Kanzler als Dienstleister
Die SPD lädt Olaf Scholz ein, um die Kandidat*innen zum Wahlkämpfen zu mobilisieren. Giffey teilt derweil gegen CDU und Grüne aus.
Und so steht Olaf Scholz in der Menge und arbeitet stoisch die lange Schlange ab. Auf den Lippen sein Olaf Scholz-Lächeln, in das man so ziemlich alles hinein interpretieren kann: Heiterkeit, Gelassenheit, einen Hauch Zynismus. Vielleicht hat er ganz still und leise sogar ein bisschen geschlummert: Emotionale Regungen oder gar eine Umarmung für die eine oder andere Kandidat*in waren jedenfalls nicht drin. Und wer deshalb angesichts der zu erwartenden Fotoschwemme von Kanzlerbildern in sozialen Medien argwöhnen wird, es sei gar nicht der echte Scholz auf den Fotos, sondern einer von Madame Toussaud, sei beruhigt: Alles echt bei der SPD.
Seine Rede zuvor war emotionaler, wobei auch das bei Scholz ein natürlich relativer Begriff ist. Aber er geht – ungewöhnlich lange für eine Rede im Berliner Wahlkampf – auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine ein und verteidigt deren bisherige Unterstützung durch Deutschland. Es sei wichtig, die Integrität der Ukraine zu verteidigen; Deutschland werde das, „so lange, wie es notwendig ist“, unterstützen; man werde „auch nicht nachlassen in der Unterstützung“.
„Deutschland ist ganz weit vorne bei der Unterstützung der Ukraine“, sagt Scholz. Das gelte nicht nur für finanzielle und humanitäre Hilfe, sondern auch für Waffenlieferungen. „Alleingänge“ Deutschlands lehnt er weiter ab. „Alle können sich darauf verlassen, dass nicht die öffentliche Aufregung, sondern das, was richtig ist in der Sache und gut ist für die Ukraine und den Frieden in Europa, dass das von uns getan wird.“ Zuletzt hatten auch Grüne und FDPler eine Lieferung des Kampfpanzers Leopard II gefordert.
Hier ist dann auch der Anknüpfungspunkt an den Wahlkampf: 20 bis 30 Prozent seiner Zuhörer*innen bei Reden, so Scholz' eigene Schätzung, würden die – für sie rhetorische – Frage stellen, ob denn Waffen überhaupt zum Frieden beitragen könnten. Scholz teilt diese Auffassung bekanntlich nicht. „Es ist notwendig, Waffen zu liefern, aber man muss es begründen: Deutschland muss verantwortungsvoll handeln“, gibt er den SPD-Kandidat*innen im Publikum Schützenhilfe. Dieser Krieg dürfe nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato werden.
Scholz, der Wohnungsbauer
Natürlich lobt der Kanzler die SPD-Spitzenkandidatin: „Franziska Giffey, du bist die Richtige.“ Interessant ist aber auch, was er nicht erwähnt. So stellt sich Scholz hinter das „Bauen, Bauen, Bauen“-Mantra der SPD in Berlin und Bund. „Es gibt keinen anderen Weg: Wenn Wohnungen fehlen, müssen neue gebaut werden.“
Kein Wort aber dazu, dass die Ampelregierung im Bund sich bislang nicht zu nachhaltiger Unterstützung für Mieter*innen durchringen konnte: Weder wurde den Kommunen das Vorkaufsrecht für Häuser wieder zugestanden, noch den Ländern die Kompetenz für Mietendeckel gegeben. Dabei war im Wahlkampf 2021 auch von der SPD vom Wohnen als „neuer sozialer Frage“ die Rede gewesen.
Franziska Giffey nutzt ihren Auftritt, um Grüne und CDU für ihren Umgang mit der Randale in der Silvesternacht zu kritisieren. Sie sprach von Angriffen auf Feuerwehr und Polizei, „die in ihrer Brutalität ihresgleichen suchen“. Trotzdem hätten sich die Grünen dazu ausgeschwiegen; die Union wiederum habe versucht, mit ihrer unsäglichen Frage nach den Vornamen der Festgenommen Kapital zu schlagen. Dabei sei doch Berlin die „Stadt, in der Respekt für alle“ gelte.
Und auch gegen die Angriffe von bayerischen Politiker*innen wehrt sich Berlins Regierende. So hatte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder erklärt, Berlin würde sich zur „Chaosstadt“ entwickeln. „Ich habe nicht gehört, wo die Lösungsansätze sind“, kontert Giffey. Es helfe auch nicht, wenn sich Ministerpräsidenten irgendwelche Ratschläge erteilten. Und genüsslich erklärte sie, dass das Wirtschaftswachstum in 2022 mit 2,5 Prozent in Berlin deutlich höher sei als das in Bayern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste