Wahlfarce in Ägypten: Platz zwei für die ungültigen Stimmen
Ex-Militärschef al-Sisi erhält 90 Prozent der Stimmen. Sechs Prozent der Wähler*innenn votierten ungültig. Der einzige Gegenkandidat erhielt drei Prozent.
Der Sieg war in dieser Deutlichkeit erwartet worden, weil sich alle ernsthaften Konkurrenten vor der Wahl unter teils dubiosen Umständen aus dem Rennen zurückgezogen hatten. Neben Al-Sisi trat nur der weitgehend unbekannte Politiker Mussa Mustafa an, in dem Beobachter einen Alibi-Kandidaten sahen.
Dabei fiel das Ergebnis für Al-Sisi den Angaben zufolge etwas schlechter aus als noch bei der Wahl 2014, als fast 97 Prozent für den heute 63-Jährigen stimmten.
„Die Stimme der ägyptischen Massen wird Zeuge bleiben, dass sich der Wille unserer Nation – ohne Zweifel – kraftvoll und ohne Schwäche durchsetzt“, hatte Al-Sisi nach Schließung der Wahllokale am Mittwochabend bei Twitter geschrieben.
Nichtwählern mit Geldstrafe gedroht
Für Mussa Mustafa stimmten Hochrechnungen verschiedener Medien zufolge weniger als drei Prozent – was für die ungültigen Stimmen einen auffallend hohen Anteil von mehr als sechs Prozent ergibt.
Die Wahlbeteiligung in den einzelnen Wahlbezirken variierte der staatlichen Zeitung „Al-Ahram“ zufolge zwischen 38 und 50 Prozent, eine Zahl, die wesentlich höher wäre als von Beobachtern vermutet.
Während der Abstimmung von Montag bis Mittwoch inszenierte das Staatsfernsehen das Ereignis als gut besuchtes Fest. Die Dutzenden Wahllokale, die von dpa-Reportern angeschaut wurden, waren allerdings deutlich spärlicher besucht.
Nachdem Nichtwählern am Mittwoch mit einer Geldstrafe gedroht wurde, hatten sich einige Wahllokale noch einmal gefüllt. Medien berichteten zudem über örtliche Politiker und Religionsvertreter, die Geld oder andere Anreize für die Wahlkreise mit hoher Beteiligung versprachen. Insgesamt waren etwa 59 Millionen Ägypter zur Stimmabgabe aufgerufen.
Kurze Wählerschlangen durften nicht gefilmt werden.
Journalisten berichteten, bei ihrer Arbeit behindert worden zu sein. Fotografen von internationalen Medien wurde der Zugang zu einigen Wahllokalen verwehrt. Örtliche Entscheidungsträger machten ihnen teilweise Vorschriften, was sie nicht ablichten durften – beispielsweise zu kurze Wählerschlangen. Es mussten auch nachträglich Bilder gelöscht werden.
Das nordafrikanische Urlaubsland ist seit den arabischen Aufständen 2011, als der Langzeitmachthaber Husni Mubarak gestürzt wurde, nur teilweise zur Ruhe gekommen.
Erster demokratisch gewählter Präsident des Landes wurde 2012 der Islamist Mohammed Mursi, den Al-Sisi als Militärchef ein Jahr später nach Massenprotesten stürzte. Seitdem greift er nicht nur gegen die islamistischen Muslimbrüder und Dschihadisten durch, sondern auch gegen die gemäßigte Opposition.
Wirtschaftskrise und islamistischer Terror
In Al-Sisis zweiter Amtszeit steht der Präsident vor großen Herausforderungen: das Land hat mit einer tiefen Wirtschaftskrise und Anschlägen von Dschihadisten zu kämpfen.
Experten gehen davon aus, dass Al-Sisi mit den Problemen eine Verlängerung seiner Amtszeit begründen wird – verfassungsgemäß wäre für ihn 2022 spätestens Schluss.
„Ich denke, es ist sehr wahrscheinlich, dass er sich dranmachen wird, die Verfassung zu ändern“, sagt Timothy Kaldas, Ägypten-Experte des Tahrir-Instituts für Nahost-Politik. Es sei denkbar, dass Al-Sisi die Zahl der Amtszeiten erhöhen wolle oder die Begrenzung ganz aufhebt.
Ägypten-Fachmann Stephan Roll von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht auch von einer Verfassungsänderung mit Hilfe des Al-Sisi treu ergebenen Parlaments aus.
Al-Sisi hat auch im Machtapparat Feinde
Der Präsident habe sich in den vergangenen Jahren nicht nur bei den verfolgten Islamisten, sondern auch im Machtapparat Feinde gemacht, die ihm gefährlich werden könnten. „Ein Schutz dagegen wäre, dass er weiter Präsident bleibt.“
Roll sieht zudem angesichts hochrangiger Entlassungen beim allmächtigen Militär in den vergangenen Monaten ein gestiegenes Misstrauen Al-Sisis in sein Machtzirkel. Vor allem die Entmachtung des Stabschefs der Armee, Mahmud Hegasi, ließ Spekulationen über eine Spaltung im Machtapparat aufkommen.
Kaldas glaubt dagegen, dass die Vorkommnisse eher zeigen, dass Ex-Feldmarschall Al-Sisi seine Macht gegenüber möglichen internen Gegnern weiter festigt: „Keiner von ihnen war bislang offenbar mächtig oder organisiert genug, um einen Unterschied zu machen“. Die Unterstützer des Präsidenten schienen in der Überzahl.
Partner gegen illegale Migration
Ägypten mit seinen etwa 95 Millionen Einwohnern gilt für den Westen als Schlüsselland für die Stabilität im Nahen Osten. Al-Sisi wird auch von Deutschland als wichtiger Partner im Kampf gegen den Terror und illegale Migration unterstützt.
Die Bundesregierung hatte sich zu den Beeinträchtigungen im Wahlkampf und der von Menschenrechtlern monierten steigenden Unterdrückung im Land zuletzt nur zurückhaltend geäußert.
Beobachter gehen davon aus, dass die Führung sich auch angesichts ausbleibender scharfer Kritik aus dem Ausland zu weiteren Schritten gegen Opposition und Medien ermutigt fühlen könnte.
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