Wahlergebnis der AfD in Hamburg: Ende eines Siegeszugs
Die Wahl in Hamburg ist für die AfD ein Einschnitt: Zwar schafft sie es knapp in die Bürgerschaft, aber erstmals ist es mit Zugewinnen vorbei.
Dabei ist die Hamburger Wahl ein Einschnitt. Hier, wo der Partei 2015 erstmals der Einzug in einen westdeutschen Landtag gelang, hat die AfD nun zum ersten Mal verloren. Sie muss erkennen: Es geht nicht immer weiter von Zugewinn zu Zugewinn, bis irgendwann dann die Mehrheit errungen ist. So hat sich das so mancher AfD-Funktionär und auch so manche Anhängerin bislang nämlich vorgestellt und schon von Regierungsbeteiligung oder gar Systemwechsel geträumt. Ob die Partei auch mit den Mühen der Ebene umgehen kann oder ob sie den Rausch des ständigen Sieges braucht, muss sich erst noch zeigen.
Allerdings: Wer schon vom Anfang vom Ende des AfD-Erfolgs träumt, schießt auch über das Ziel hinaus. Der Nordwesten war schon immer schweres Terrain für die Partei, Hamburg ganz besonders.
Die AfD hat in der Hansestadt etwa 3.500 WählerInnen verloren, das ist, wenn man an die Radikalisierung der Partei seit 2015 denkt, nicht viel. Dass sie nach Berechnungsstand am Montagnachmittag damit von 6,1 Prozent auf 5,4 Prozent fällt, geht auf die gestiegene Wahlbeteiligung zurück. Die Mobilisierung der NichtwählerInnen hat dieses Mal bei anderen Parteien eingezahlt. Also ein Aufstand der Anständigen an der Wahlurne? Es kann durchaus sein, dass die gestiegene Wahlbeteiligung zumindest zum Teil auf Aufrufe, die AfD aus der Bürgerschaft zu wählen, zurückgeht. Statistisch belegen lässt sich dies bislang nicht.
Schlechter als in Umfragen
Auch ob die rassistischen Morde in Hanau, das Verächtlichmachen des Parlamentarismus durch das Taktieren bei der Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen oder der Auftritt von Björn Höcke bei Pegida Einfluss auf die Entscheidung der Hamburger WählerInnen hatten, lässt sich nur vermuten. Allerdings lag die AfD – anders als die FDP – in den Umfragen zuletzt stets bei um 6 bis 7 Prozent – und damit deutlich höher als nun bei der Wahl selbst. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Ereignisse der vergangenen Wochen durchauchs eine Rolle gespielt haben.
Die AfD hat bereits die aus ihrer Sicht Schuldigen an der Wahlniederlage ausgemacht – und das sind wie immer die anderen: Antifa, Zivilgesellschaft, PolitikerInnen der anderen Parteien und natürlich die Medien. „Das gesamte politische und publizistische Establishment hat sich gegen uns verschworen“, so Nockemann. Er kritisiert, dass durch den Druck der Antifa die AfD keine ihrer Wahlkampfveranstaltungen habe durchführen können. Selbst für die Abschlussveranstaltung habe man jenseits der Stadtgrenze nach Schleswig-Holstein ausweichen müssen.
Rhetorisch zumindest aber hat die AfD-Spitze mit Blick auf Hanau eine Wende vollzogen. Die Parteichefs Chrupalla und Jörg Meuthen, der an der Pressekonferenz am Montag krankheitsbedingt nicht teilgenommen hat, hatten vor wenigen Tagen noch abgestritten, dass es sich um eine rassistisch und rechtsextremistisch motivierte Tat handele. Es sei „weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren“, verbreitete etwa Meuthen auf Facebook und Twitter, ähnlich äußerten sich zahlreiche Mitglieder der Bundesspitze.
Überraschendes Statement
Am Sonntag nun veröffentlichten Meuthen und Chrupalla ein Schreiben an die AfD-Mitglieder, in dem es heißt: „Um es ganz deutlich zu sagen: Die Tat von Hanau ist ein rassistisches Verbrechen. Ihr Motiv war Ausländerhass.“ Die AfD müsse sich fragen, „warum es unseren politischen Gegner gelingt, uns überhaupt mit einem solchen Verbrechen in Verbindung zu bringen“. Was zu dieser Frage seine Analyse sei, wird Chrupalla in der Bundespressekonferenz gefragt. Eine Selbstreflexion brauche Zeit, sagt der AfD-Chef. Viel mehr fällt ihm nicht ein.
Zwei, die sich innerhalb der AfD als gemäßigter verstehen, haben nun eine klarere Abgrenzung nach rechtsaußen gefordert. Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski schrieb noch in der Wahlnacht, die AfD müsse zwei Lehren aus dem Wahlabend ziehen: Sie müsse ihr „bürgerlich-konservatives Image schärfen“ und „eine noch klarere Grenze nach Rechtsaußen ziehen“. Fast wortgleich äußerte sich Uwe Junge, Fraktionschef in Rheinland-Pfalz. Bundesvorstand, die Landesvorstände und auch der Flügel seien gefordert. Pazderski und Junge allerdings haben in den vergangenen Monaten in der AfD an Einfluss eingebüßt, ihre Kandidaturen für den Bundesvorstand scheiterten. Ob ihre Einlassungen viel ausrichten, darf bezweifelt werden.
Ohnehin hatte Pazderski nach dem Anschlag von Hanau getwittert: „Ist das wirklich noch das 2017 von der Merkel-CDU beschworene ‚Deutschland, in dem wir gut und gerne leben‘?“ Damit hatte er den Eindruck erweckt, als könne die Kanzlerin auch an dem rechtsextremen Anschlag mitschuldig sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Amnesty-Bericht zum Gazakrieg
Die deutsche Mitschuld
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Wirbel um Schwangerschaftsabbruch
Abtreiben ist Menschenrecht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Batteriefabrik in Schleswig-Holstein
„Der Standort ist und bleibt gut“
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt