Wahlen und Überschwemmungen in Bosnien: Der Regen spült die Missstände hoch
Bei Gemeindewahlen in Bosnien und Herzegowina bleibt trotz tödlicher Fluten das meiste beim Alten, die amtierenden Bürgermeister wurden wiedergewählt.
Visegrad taz | Im bosnischen Städtchen Višegrad fließt die Drina träge wie immer unter der berühmten Brücke aus der osmanischen Zeit. Jenseits der Wasserscheide aber haben die reißenden Wasser der Neretva die Städte Jablanica und Konjic überschwemmt, ganze Häuser und eine schlafende Familie mit sich gerissen, die Hauptstraße von Sarajevo nach Mostar zerstört.
Über 20 Tote sind jetzt schon in Bosnien und Herzegowina zu beklagen, doch es gibt noch Vermisste. Immerhin haben die Nachbarländer Serbien und Kroatien Hilfe zugesagt und Hilfsmannschaften losgeschickt. Das ist ein gutes Zeichen, so etwas gab es schon lange nicht mehr. Und sogar der Autokrat aus der serbisch kontrollierten bosnischen Teilrepublik, Milorad Dodik, will mit Geld helfen.
Es gibt klare Schuldige an dieser Katastrophe. Etwa die Betreiber eines „wilden“ Steinbruchs, dessen Steine und Geröll mit den Regenfällen ins Rutschen kamen und Häuser und Menschen unter sich begruben. Einwohner des Neretva-Tals beklagen außerdem lautstark, dass die Wälder auf den Hängen über Jahre hinweg abgeholzt wurden.
All dies wirft ein Licht auf die Zustände in einem Staat, der wegen der Politik der nationalistischen und auch mancher internationalen Kräfte kein richtiger Staat sein darf. Mancher erinnert sich, dass es vor dem Krieg 1992–95 noch funktionierende Behörden gab, die den Waldbestand beobachteten und Missbrauch durch Private verhinderten.
Wahlen bestätigen meist die Amtsinhaber
Die Gemeindewahlen am vergangenen Wochenende werden da kaum etwas verändern. Die Bürgermeister und Stadtparlamente sollten neu bestimmt werden. Vor allem Sarajevo steht im Fokus des Interesses. Denn in der bosnischen Hauptstadt gewannen vor vier Jahren die nichtnationalistischen Parteien.
Sogar die schwer angegriffene linksliberale Naša stranke (Unsere Partei) konnte jetzt ihre Positionen behaupten. Im immer noch multinational tickenden und zu 85 Prozent von Muslimen bewohnten Sarajevo errangen in einigen Stadtbezirken Serben Bürgermeisterposten. Die bisherige Bürgermeisterin Benjamina Karić, die in einem Stadtbezirk angetreten war, wurde zur Überraschung ihrer Kritikerinnen doch gewählt.
Auch in Banja Luka, der Hauptstadt des serbischen Teilstaates, konnte sich der bisherige Bürgermeister behaupten. Im Ganzen gesehen haben diese Wahlen keine spektakulären Veränderungen hervorgebracht. Zwar wurde das Personal verjüngt, eine Wende hin zu klaren nichtnationalistischen Positionen gab es aber nicht. Die Wahlbeteiligung blieb bei unter 50 Prozent – allerdings konnten die Menschen in den Unwettergebieten nicht wählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin