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Wahlen in WeißrusslandRegierung siegt 110:0

Bei der Parlamentswahl fallen alle Sitze an regierungstreue Parteien. Die Opposition kritisiert das „bekannte Szenario der Fälschungen“

Ein weißrussischer Soldat verlässt nach der Stimmabgabe die Wahlkabine Foto: Foto Sergei Grits/ap

Minsk afp | Nach der Wahl in Weißrussland sind keine Oppositionspolitiker mehr im Parlament vertreten. Die 110 gewählten Abgeordneten gehören allesamt Parteien an, die die Regierung des autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko unterstützen, wie aus den am Montag veröffentlichten offiziellen Wahlergebnissen hervorgeht.

Die wichtigsten Anführer der Opposition sowie die einzigen beiden Oppositionspolitiker im Parlament waren für die Wahl am Sonntag nicht als Kandidaten zugelassen worden. Die Oppositionsparteien hatten bis Sonntagabend fast 600 Unregelmäßigkeiten bei der Wahl gemeldet. Sie kritisierten, die Verantwortlichen in den Wahllokalen hätten vor allem die Zahl der Wähler höher angegeben als von Wahlbeobachtern gezählt.

Menschenrechtsaktivisten wurden nach eigenen Angaben aus den Wahllokalen vertrieben, in ihrer Arbeit als Wahlbeobachter behindert und am Fotografieren gehindert. Die Behörden hätten das „bekannte Szenario der Fälschungen“ gewählt, sagte Alexej Janukewitsch, Vizepräsident der oppositionellen Volksfront Weißrussland.

Zur Wahl der 110 Unterhausabgeordneten waren 6,8 Millionen Menschen aufgerufen. Nach Angaben der Behörden gaben mehr als 35 Prozent von ihnen bereits im Vorfeld per Briefwahl ihre Stimme ab.

Präsident Alexander Lukaschenko, der die ehemalige Sowjetrepublik seit einem Vierteljahrhundert autoritär regiert, sagte bei der Stimmabgabe, wenn die Gesellschaft nicht einverstanden damit sei, wie er die Wahl organisiere, „können sie nächstes Jahr einen neuen wählen“. Er selbst klammere sich nicht an das Amt. Zugleich bestätigte er seine erneute Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2020.

400 Wahlbeobachter*innen vor Ort

Eine EU-Sprecherin hatte zuvor bereits angekündigt, Europa werde die Wahl genau verfolgen und hoffe auf „gerechte und transparente Wahlen unter Einhaltung der internationalen Standards“. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandte 400 Wahlbeobachter*innen.

Der 65-jährige Lukaschenko wird oft als „Europas letzter Diktator“ bezeichnet. Keine einzige Wahl unter ihm wurde von internationalen Beobachtern als frei und fair gewertet. Das am Sonntag gewählte Parlament hat de facto nur eine Alibi-Funktion, alle wichtigen Entscheidungen trifft der Präsident persönlich.

Lukaschenko war in den vergangenen Jahren bemüht, die Beziehungen zum Westen zu verbessern, der ihm immer wieder die Missachtung der Menschenrechte und die Einschüchterung der Opposition und der Medien vorwirft. Vor wenigen Tagen war er in Österreich und damit erstmals seit drei Jahren in einem EU-Land. Dort sprach er sich für engere politische und wirtschaftliche Verbindungen aus.

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