: „Wahlen“ in Syrien
In Syrien lässt sich Baschar al-Assad in einer Scheinprozedur am Mittwoch wiederwählen. Es gibt zwei Gegenkandidaten. Syrer*innen im Ausland und der Westen spotten darüber
Von Julia Neumann, Beirut
Auf einem Foto steht Syriens Machthaber Baschar al-Assad neben einer Person mit blonden Haaren, die einen Umschlag in eine Wahlurne steckt und ebenfalls das Gesicht von Baschar al-Assad hat: der Präsident bei seiner eigenen Wahl – eines der vielen im Netz kursierenden Memes über das vorhersehbare Prozedere, das Syrien am Mittwoch abhält.
Auf dem Papier gibt es bei der Präsidentschaftswahl insgesamt drei Kandidaten, doch Baschar al-Assad wird wohl wiedergewählt. Das war schon bei der letzten Wahl im Jahr 2014 so, als er nach offiziellen Angaben 90 Prozent der Stimmen erhielt. Da dauerte der Krieg bereits drei Jahre und es war bekannt, dass das Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzte. Bei vorherigen Wahlen in dem Land hatte es keine Gegenkandidaten gegeben, auf den Zetteln war sogar schon im Voraus ein Ja angekreuzt.
Bei der Wahl am Mittwoch sind Oppositionspolitiker im Ausland deshalb von der Wahl ausgeschlossen, da ein Präsidentschaftskandidat zehn Jahre in Syrien gelebt haben muss. Einer der beiden Gegenkandidaten Assads, Mahmud Mar’i, ist der Vertreter einer von der Regierung geduldeten innersyrischen Opposition. Er hat fehlende finanzielle Mittel beklagt, um für sich zu werben. Auf Twitter hat er 98 Follower.
Millionen Binnenvertriebene leben in der nordsyrischen Provinz Idlib sowie in Provinzen, in denen nicht Assad die Kontrolle hat, sondern das türkische Militär oder lokale syrische Milizen. Die Menschen in diesen Regionen können nicht wählen. Ebenso ist die kurdische Bevölkerung im Norden von der Wahl ausgeschlossen. Aus diesen Gründen blockiert der innersyrische Oppositionsblock die Abstimmung.
Im südlich von Damaskus gelegenen Suwaida sammelten die Wahlleiter die Pässe der Menschen ein, um sicherzugehen, dass diese für Assad stimmen. In der Stadt protestierten mutige Syrer*innen im Juni vergangenen Jahres gegen das Regime. Die Not brachte sie auf die Straßen, sie können Brot, Shampoo und Benzin nicht bezahlen.
Rund sechs Millionen Syrer*innen sind seit Kriegsbeginn 2011 aus dem Land geflohen. Sie können nur mit Ausreisestempel im Pass wählen, den Geflüchtete nicht haben. Im Nachbarstaat Libanon durften Syrer*innen in den vergangenen Tagen bereits wählen. Vor der syrischen Botschaft in Beirut bildeten sich lange Schlangen, hauptsächlich mit Männern, die Plakate mit Assads Porträt hielten. Im Libanon unterstützt die schiitische Hisbollah den syrischen Machthaber. Weil auch dort die lokale Währung rasant im Wert gesunken ist, liegt es nahe, dass die Unterstützung mit frischen Devisen erkauft ist.
„Die Wahlen richten sich an den Westen“, sagte Maan Abdul Salam, Leiter des syrischen Think-Tanks Etana, der Nachrichtenagentur Reuters. Es ginge Assad darum, an Legitimität zu gewinnen. Eine autoritäre Wahl mit demokratischem Anstrich. Für diese These spricht, dass Syrien mehr als 400 Kritiker*innen – Richter*innen, Beamte und Journalist*innen – vor der Wahl freigelassen hat, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Doch Gegenkandidat Mar’i hat klargestellt, dass sein Wahlprogramm nicht mit „westlichen Agenden“ zusammenhängt. Um die Wahl zu beaufsichtigen, schickte der Iran ein Beobachtungskomitee – die Vereinten Nationen jedoch bleiben fern.
Der Syrien-Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Geir Pedersen, sagte, dass die Wahl nicht Teil des internationalen Prozesses sei, der eine politische Lösung finden soll. In Genf hat ein Ausschuss mit 15 Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft den Auftrag, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Diese soll freie und faire Wahlen unter UN-Aufsicht bringen.
Die USA kündigten vor dem UN-Sicherheitsrat in New York an, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. Das Land sanktioniert bereits den Handel mit der Assad-Regierung. Der benötigt aber dringend Devisen, um die syrische Währung zu stabilisieren. Er sucht nach Investor*innen für den Wiederaufbau des Landes – ein Geschäft, mit dem sich die syrische Führung festigt und in das Russland, die Türkei und der Iran gerne einsteigen, im Gegenzug für Ressourcen oder Investitionsmöglichkeiten.
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