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Wahlen in EcuadorEin vertrautes Duell in unsicheren Zeiten

Trotz höchster Mordrate der Welt und Blackouts ist die Wiederwahl von Präsident Noboa wahrscheinlich. Auch seine Konkurrentin dürfte daran nichts ändern.

Amtsinhaber Daniel Noboa wählte am Sonntag in seiner Heimatstadt Guayaquil, der Hochburg für Gewalt Foto: Luisa Gonzalez/Reuters

Bogotá taz | Fast 14 Millionen ecuadorianische Wahlberechtigte können am Sonntag den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin sowie den oder die Vize, die Mitglieder der Nationalversammlung und die Re­prä­sen­tan­t:in­nen des Anden-Parlaments bestimmen.

Ecuador, einst ein ruhiges Land, hat heute die höchste Mord­rate Lateinamerikas. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen wurde der Mitte-links-Kandidat und Investigativjournalist Fernando Villavicencio am helllichten Tage in der Hauptstadt Quito bei einer Wahlkampfveranstaltung erschossen. Der mutmaßliche Täter wurde später im Gefängnis ermordet. Amtsinhaber Daniel Noboa musste am Sonntag in seine Heimat Guayaquil zum Wählen fliegen – die größte Stadt, Pazifikhafen und Hochburg der Gewalt. Das fasst die Lage ganz gut zusammen.

In 14 Monaten Amtszeit traf Noboa riskante, teils illegale Entscheidungen. Dennoch führt er in allen Umfragen. Vor anderthalb Jahren hatte er die vorgezogene Wahl knapp gegen Luisa González gewonnen, nachdem Präsident Guillermo Lasso an einem Misstrauensvotum gescheitert war. Der damals 35-jährige Sohn eines Bananenmilliardärs wurde überraschend der jüngste Präsident in Ecuadors Geschichte.

Auch diesmal gilt Luisa González als Noboas stärkste Konkurrentin unter den 15 Kandidat:innen. Die Linkspolitikerin tritt für die Partei Revolución Ciudadana des Ex-Präsidenten Rafael Correa an, der 2020 wegen Korruption verurteilt wurde – aus seinem belgischen Exil. Während Correas Amtszeit hatte González, heute 47, mehrere Regierungsämter inne. Sie verspricht, Ecuadors Abdriften in den Autoritarismus zu stoppen, den Sozialstaat auszubauen und die Justiz zu reformieren. Es ist jedoch fraglich, ob die Ecua­do­ria­ne­r:in­nen eine Rückkehr zum sozial-konservativen „Correismus“ wollen, der gegen Ende ebenfalls immer autoritärer wurde – und ob das konservative Ecuador tatsächlich seine erste Präsidentin wählen würde.

Im Wahlkampf trug Noboa eine schusssichere Weste

Das zentrale Wahlkampf­thema war die Sicherheit. Ecuador versinkt seit vier Jahren in Gewalt, vor allem an der Küste, über die Kokain in die USA, nach Asien und Europa geschmuggelt wird. Kriminelle Banden, mexikanische Kartelle und Gruppen aus Kolumbien kämpfen um Drogen, illegalen Bergbau und Schutzgelder. Diese treffen alle, vom kleinen Straßenhändler bis zum Unternehmer. Die Banden haben die staatlichen Institutionen wie ein Krebsgeschwür durchsetzt und Politik sowie Justiz unterwandert.

Erstmals rief Noboa vor einem Jahr einen „internen, nicht internationalen Konflikt“ aus, eine Rechtsfigur, die dem Ausnahmezustand ähnelt. Er erklärte den Drogenkartellen den Krieg und stufte sie als Terrororganisationen ein. Doch die schlagen umso brutaler zurück. Noboa trug im Wahlkampf stets eine schusssichere Weste, seine Leibwächter kamen aus Israel – offenbar aus Misstrauen gegenüber den staatlichen Sicherheitskräften. Er inszenierte sich als Hardliner nach dem Vorbild des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele, mit Megagefängnissen und massiven Social-Media-Kampagnen.

Das alles hat nur bedingt gefruchtet. Zwar sank die Zahl der Morde von 8.248 im Jahr 2023 auf 6.987 im Jahr 2024, doch im Januar 2025 erreichte sie mit 750 Morden einen neuen Höchststand. Polizei und Militär sind massiv präsent, doch die Gewalt bleibt.

Ex­per­t:in­nen gehen davon aus, dass die Militarisierung der Gefängnisse und Straßen an den grundlegenden Problemen nichts ändert. Menschenrechtsorganisationen werfen Polizei und Armee schwere Übergriffe vor, gedeckt von der Regierung. Ein Beispiel, das weltweit im Dezember Aufsehen erregte, war der Mord an den vier afroecuadorianischen Kindern. Diese waren von einer Soldatengruppe verschleppt worden, ihre Leichen wurden verbrannt im Schlamm gefunden. Ein Gericht ordnete eine staatliche Entschuldigung bei den Hinterbliebenen an, doch sowohl Noboa als auch sein Verteidigungsminister blieben stumm.

Eine Kritikerin wollte Noboa in die Türkei vermitteln

Eine scharfe Kritikerin Noboas ist seine ehemalige Vizepräsidentin Verónica Abad. Sie wirft ihm vor, ein autoritäres Regime zu führen und einen Staatsstreich zu unternehmen. Kurz nachdem das Duo die Wahl gewonnen hatte, zerbrach das Bündnis. Noboa hat vieles versucht, um Abad aus dem Weg zu schaffen: Er ließ ihr den Zugang zu Büro und E-Mail sperren, entsandte sie als Botschafterin nach Israel mit der absurden Mission, Frieden zwischen Israel und Palästina zu vermitteln, und bot ihr später Posten in der Türkei an. Auch die Antarktis hätte es getan, meinte er mal süffisant.

Alles, um zu verhindern, dass sie während seiner Wahlkampfpause, wie von der Verfassung vorgesehen, die Amtsgeschäfte übernimmt. Stattdessen ernannte Noboa per Dekret zwei andere Vizepräsidenten. Ein Gericht stoppte ihn, doch er ignorierte das. Die Verfassung schreibt zwar eine Regierungspause vor – aber erwähnt keine Strafe, wenn das nicht passiert.

Ein zweites großes Thema ist die Energiekrise. Ecuador bezieht 70 Prozent des Stroms aus Wasserkraft – was 2024 wegen der Dürren zu Stromausfällen von bis zu 14 Stunden führte und dem Land immense Wirtschaftseinbußen bescherte. Die Stromausfälle haben auch die Kriminalität weiter befeuert. Noboa macht frühere Regierungen für die Energiekrise verantwortlich und spricht von Sabotage, ohne Beweise vorzulegen.

Unter Noboa haben die internationalen Beziehungen mit den regionalen Nachbarn stark gelitten – nicht nur seit einem Interview mit dem Magazin The New Yorker, in dem er über diverse Amtskollegen herzog. Dass er die mexikanische Botschaft in Quito überfallen ließ, um Correas Ex-Vizepräsident Jorge Glas herauszuholen, der dort Asyl bekommen hatte, wurde breit als Bruch des internationalen Rechts kritisiert. Die Beziehungen zu Mexiko sind seitdem katastrophal.

Vor Kurzem kündigte Noboa im Zuge von der Strafzölle-Welle von US-Präsident Donald Trump selbst Strafzölle in Höhe von 27 Prozent auf Importe aus Mexiko an – angesichts des minimalen Handels mit Mexiko eher eine symbolische Geste. Seinem Interamerikanischen Gipfel in Cuenca blieben die regionalen Amtskollegen fern – nur der König von Spanien kam.

Umfragen sahen Noboa vorn, doch ein Sieg im ersten Wahlgang scheint unwahrscheinlich. Sollte er weniger als 50 Prozent der Stimmen oder 40 Prozent mit 10 Punkten Vorsprung erreichen, folgt am 13. April die Stichwahl.

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