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Wahlabend im Öffentlich-RechtlichenEine Bühne für die Rechten

Wie haben sich die Öffentlich-Rechtlichen in ihrer AfD-Berichterstattung geschlagen? Spoiler: Es wurde mal wieder viel unkommentiert gelassen.

Mikrofon hinhalten, wenn die AfD spricht oder doch lieber liegen lassen? Foto: Felix Hörhager/dpa

In der Vergangenheit haben die Öffentlich-Rechtlichen einen eher unkritischen Umgang mit Politikern der AfD bewiesen. Bei der Berichterstattung zur Landtagswahl in Thüringen schaute man deshalb besonders aufmerksam auf Moderator*innen und Sendungen der öffentlich-rechtlichen Sender.

Im September erst hatte es Kritik am Mitteldeutschen Rundfunk und einer Moderatorin gegeben. Am Abend der Landtagswahl in Sachsen interviewte die MDR-Journalistin Wiebke Binder den CDU-Politiker Marco Wanderwitz. Dabei sprach sie von einer „stabilen bürgerlichen Koalition“, die rechnerisch mit CDU und AfD möglich sei. Im Nachgang wurde Binder von Zuschauer*innen und Journalist*innen im Netz für ihre Wortwahl angeprangert, denn mit dem Wort „bürgerlich“ hätte sie die Wortwahl der AfD übernommen.

Wie schlugen sich die Öffentlich-Rechtlichen Sender dieses Mal? Haben sie dazugelernt?

Kurz nach den ersten Hochrechnungen am Abend wurde der AfD-Parteivorsitzende Alexander Gauland zu den Ergebnissen im Ersten befragt. Höcke sei nicht rechtsextrem, sagte er im Interview, auch das Wort „rechtsextremer Flügel“ lehne er ab, der Thüringer Spitzenkandidat spreche klar aus, was viele denken, „das hat mit rechtsextrem nichts zu tun“. Und weil das Gauland natürlich nicht ausreicht, treibt er es noch weiter auf die Spitze. Höcke, der mittlerweile als Faschist bezeichnet werden darf, nennt Gauland die „Mitte der Partei“. „Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts“, sagte er außerdem.

Es fehlten Nachfragen

Was an dieser Stelle fehlte, war eine Nachfrage des Moderators. Eine wie: Aber Herr Höcke ist doch ein Faschist, wie kann er da die Mitte der Partei verkörpern? Oder: Wenn Höcke die Mitte ist, wer ist dann rechtsextrem oder gar links im Parteinspektrum? Vergeblich wartete man darauf. Eines hat Gauland also mit seiner Aussage deutlich gemacht: dass die rechtsextreme Ausrichtung der AfD nun akzeptiert ist.

In den „Tagesthemen“ interviewte Moderator Ingo Zamperoni den AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke. Zamperoni ließ Höcke ungehindert von „erschlaffter Demokratie“ sprechen, den „Faschisten“-Vorwurf beantwortet Höcke mit einem Grinsen, das er auch im weiteren Verlauf des Gesprächs nicht mehr loswurde.

Auf die Frage nach dem Verfassungsschutz, der Höckes Flügel als Verdachtsfall eingestuft hat, antwortet dieser: „Ich glaube, jeder, der eine gesunde Portion Menschenverstand hat, der weiß, dass der Verfassungsschutz mittlerweile zum Etablierten-Schutz verkommen ist, (…). Er wird missbraucht von den Herrschenden.“ In alter Höcke-Manier wurde dann auch noch gedroht: „Das muss sich so schnell wie möglich ändern.“

Keine Entzauberung möglich

Nach unzähligen kritisierten Interviews mit AfD-Politikern und zwei Landtagswahlen in diesem Jahr hätte man mehr von Öffentlich-Rechtlichen erwarten können. Mittlerweile sollten Journalist*innen in Gesprächen mit AfD-Politiker*innen direkter, vehementer nachfragen, Aussagen nicht unkommentiert stehen lassen. Mit Rechten zu reden, das hat die Vergangenheit gezeigt, hat wenig Mehrwert. Entzaubern, das ist auch schon mehrfach bewiesen worden, wird man rechtsextreme Menschen wie Höcke nicht.

Wenn Begriffe wie „Kartell-“ oder „Altparteien“ fallen, wenn von einer „Parteiendemokratie“ die Rede ist, dann müssen diese Begriffe eingeordnet werden. Es muss deutlich gemacht werden, dass rechte und rechtsextreme Narrative dahinterstehen. Und es muss eindeutig gemacht werden, welchen Vokabulars man sich hier bedient.

Das sollte und muss gerade nach solchen Wahlergebnissen wie in Thüringen in Zukunft verstärkt die Aufgabe von Journalist*innen sein.

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9 Kommentare

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  • "Mittlerweile sollten Journalist*innen in Gesprächen mit AfD-Politiker*innen direkter, vehementer nachfragen, Aussagen nicht unkommentiert stehen lassen."

    Völlig richtig; selbstverständlich. Aber ehrlich gesagt sollten das die Journalisten nicht nur der AfD gegenüber. Sie sollten generell nicht alles hinnehmen, was ihre Interviewpartner so behaupten.

  • Die Moderatoren werden ja mittlerweile auch mehr für ihre angenehme Physiognomie beschäftigt, denn für ihr journalistisches Wissen und Können. Die latente Bedrohung eines Jeden, der sich öffentlich gegen die Faschisten positioniert, verlangt vom Moderator aber etwas mehr Rückgrat, als die netten Kollegen vorzuweisen haben.

  • Die können es halt nicht besser. Und da beklagt sich die AFD über die ARD statt sich zu bedanken.

    • @Peter Lorenz:

      aber nicht doch.



      Das ist doch aus Sicht der AFD strategisch korrekt. Der schwache öffentliche Journalismus bleibt nur solange schwach und traut sich auch weiterhin keine Gegenfragen oder Begriffseinordnungen, solange Beschwerden und Einschüchterung in und über die Chefetage erfolgen.



      Warum sollte die AFD ihre Opferrolle auch aufgeben.



      Aber nicht nur in der ARD, das ZDF ist nicht viel besser.

  • Höcke ist die Mitte. Ramelow ist die Mitte. Ich bin die Mitte.

    Ist schon lustig, dass jeder Politiker glaubt, er sei das Zentrum des Universums. Gezielt nachfragen lohnt sich in jedem Fall. Bei Höcke kommt man mit Fragen zur Hitler-Zeit auf jeden Fall schnell an den Punkt, wo man ihn als Faschisten und Geschichtsrevisionisten dingfest machen kann. Bei Ramelow könnte die eine oder andere Frage zur DDR zu einem Bekenntnis zwingen, was eigentlich ein Rechtsstaat ist und was ein Unrechtsstaat. Die Mitte ist jedenfall ganzwoanders.

    • @Winnetaz:

      Sorry, Sie unterliegen dem Irrtum, dass sich ARD/ZDF der Mitte der Gesellschaft verpflichtet fühlen müssten.

      Das sind ja eigentlich nur die Leute, denen man die gebühren zur Finanzierung abpresst.

      Ein ähnliches Problem haben CDUSPDGrün ja auch: Die Mitte der Gesellschaft ist Ihnen egal.

      Das Vakuum füllt dann - völlig logisch - die AfD.

      • @Franz Vege:

        Wenn Sie jetzt ihrerseits den rechtsextrem ansprechbaren Rand zur Mitte erklären, wird es lustig. Sprachspiele halt. Karte und Gebiet verwechseln gehört zum Repertoire.

  • Hmm sehe ich anders.

    Eigentlich ist es an Wahlabenden Aufgabe der Journalisten die Ergebnisse zu präsentieren und kurze Nachfragen zu mögliche Koalitioen zu machen.

    Es ist sicherlich nicht Aufgabe der Berichterstatter am Wahlabenden persönliche oder eigene politische Meinungen zu verbreiten oder zu präsentieren. Das interessiert die Zuschauer nicht.



    Das kann man gern später als Kommentar machen - wer das dann sehen/lesen will kann das ja machen.

    Das gilt unabhängig von Parteien oder Positionen also weder sollte ein Journalist pro oder contra Linke oder AfD sein.

    Einfach nur unabhängig berichten. Mehr nicht.

  • Die AFD hat sich offensichtlich genau angeschaut wge das bei den Öffentlich-Rechtlichen abläuft. Kritische Interviews wo eine Antwort auch mal hinterfragt wird sind ja eher selten. Meistens werden nur Fragenkataloge abgearbeitet und die Politiker haben gelernt dies für sich zu nutzen. Und die AFD nutzt es nun ganz schamlos aus. Auf den lokalen Veranstaltungen wo kein Fernsehen zugegen ist wird dann wieder gehetzt.