Wahl in Brasilien: Lula verpasst Sieg in der ersten Runde
Der linke Kandidat holt 48,4 Prozent. Der rechtsextreme Amtsinhaber Bolsonaro kommt auf gut 43 Prozent. Nun kommt es zur Stichwahl am 30. Oktober.
![Ein trraurig schauender Kandifat umrimngt von jubelnden Menschen Ein trraurig schauender Kandifat umrimngt von jubelnden Menschen](https://taz.de/picture/5823315/14/Lula-Brasilien-Wahl-1.jpg)
Mehr als 160 Millionen Brasilianer*innen waren am Sonntag dazu aufgerufen, einen neuen Präsidenten zu wählen. Analyst*innen sprachen von der „wichtigsten Wahl in der Geschichte des Landes“. Denn mit Bolsonaro trat ein Rechtsradikaler zur Wiederwahl an, der sich im Dauerkonflikt mit den demokratischen Institutionen befindet, gegen Minderheiten hetzt und das Land durch seine zerstörerische Umweltpolitik international isoliert hat.
In den Umfragen hatte Bolsonaro deutlich hinter Lula gelegen und kam dort zuletzt gerade einmal auf rund 36 Prozent der Stimmen. Dass er nun mehr als 43 Prozent holte, ist ein Erfolg für den Rechtsradikalen.
So kommt es am 30. Oktober zur Stichwahl zwischen Lula und Bolsonaro – und Brasilien steuert auf turbulente Wochen zu. Das Land ist in zwei Lager gespalten, das sah man auch am Wahlmorgen. Viele Wähler*innen tauchten in den Farben beiden Kandidaten vor den Wahllokalen auf: Die Unterstützer*innen von Lula in rot, die Unterstützer*innen Bolsonaros in den Nationalfarben grün und gelb. Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus, es war weitestgehend friedlich.
Ein Sieg fast wie eine Niederlage
„Wir wollten eigentlich in der ersten Runde gewinnen“, sagte Eduardo Suplicy, Ex-Senator für die PT, am Rande der Wahlparty der taz. „Doch die Mehrheit der Brasilianer wird in der Stichwahl für Lula stimmen.“ So klangen viele Politiker der Partei. Doch viele einfache Parteimitglieder zeigten sich enttäuscht, einige sprachen gar von einer „Niederlage“. Das liegt auch am weiteren Wahlausgang.
Denn neben dem Präsidenten wurden auch das Abgeordnetenhaus, Teile des Senats, die Lokalparlamente und die Gouverneur*innen gewählt. In vielen Bundesstaaten konnten sich Verbündete Bolsonaros durchsetzen. In Rio de Janeiro fuhr der von Bolsonaro unterstützte Kandidat Claudio Castro einen Erdrutschsieg ein und gewann die Gouverneurswahl in der ersten Runde. In São Paulo holt der Bolsonaro-Kandidat Tarcísio Freitas die meisten Stimmen, er muss jedoch gegen PT-Politiker und Ex-Präsidentschaftskandidat Fernando Haddad in die Stichwahl. Auch bei den Gouverneurswahlen wichen die Umfragewerte zum Teil deutlich von den Wahlergebnissen ab.
Das Parlament wird diverser
Was vielen Linken Hoffnung bereitet: Im Abgeordnetenhaus werden zukünftig deutlich mehr Schwarze, indigene und LGBT-Politiker*innen vertreten sein. Im Senat wird das Bild anders aussehen. Dort werden in Zukunft viele ultrarechte Politiker*innen sitzen, unter anderem Bolsonaros ehemalige Familienministerin, die fundamentalistische Pastorin Damares Alves.
Für die Stichwahl wird es entscheidend sein, wohin die Wähler*innen der anderen Präsidentschaftskandidat*innen wandern. Zwar kamen diese zusammen noch nicht einmal auf 10 Prozent der Stimmen, sie könnten jedoch das Zünglein an der Waage sein.
Sowohl der Mitte-Links Kandidat Ciro Gomes als auch die Konservative Simone Tebet versprachen noch am Wahlabend, sie würden sich nicht enthalten. Es wird damit gerechnet, dass beide eine Wahlempfehlung für Lula abgeben werden. Bolsonaro könnte wiederum von den Siegen bei den Gouverneurswahlen in Rio de Janeiro und São Paulo profitieren. Außerdem könnte ihm das überraschend hohe Wahlergebnis ein Momentum verschaffen, glauben Analyst*innen.
Und es ist weiterhin damit zu rechnen, dass er die Ergebnisse anfechten wird, wenn er in der Stichwahl nicht gewählt wird. Bei seiner ersten Rede nach der Wahl hielt sich Bolsonaro zurück, verkündete, er werde in den kommenden Wochen arme Brasilianer*innen überzeugen und die Stichwahl in vier Wochen für sich zu entscheiden.
Auch Lula gab sich siegessicher. „Für uns ist das nur eine Nachspielzeit“, sagte er bei seiner kurzen Rede. „Aber wir werden die Wahl gewinnen“. Und dann ergänzte der für seinen Humor bekannte Ex-Gewerkschafter noch: „Es tut mir leid, ihr Journalisten müsst jetzt doch noch ein bisschen mehr arbeiten.“
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