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Waffenstillstand im GazastreifenIsrael stimmt Abkommen endgültig zu

Nach dem Sicherheitskabinett hat sich auch die gesamte Regierung von Premier Netanjahu für den Deal mit der Hamas ausgesprochen. In der ersten Phase sollen 737 palästinensische Gefangene freikommen.

Beamte entfernen rechte Aktivisten, die am Freitag während einer Demo gegen die Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas in Jerusalem die Straße blockieren Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Jerusalem/Doha AFP/dpa | Der Deal steht: Nach dem grünen Licht des israelischen Sicherheitskabinetts für das Abkommen mit der Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen hat die gesamte israelische Regierung der Einigung zugestimmt. „Die Regierung hat den Plan zur Freilassung der Geiseln gebilligt“, erklärte das Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu in der Nacht auf Samstag.

Nach Angaben des Vermittlers Katar soll die Waffenruhe am Sonntagmorgen um 8.30 Uhr (7.30 Uhr MEZ) im Gazastreifen in Kraft treten. Darauf hätten sich die beiden Konfliktparteien und die Vermittler geeinigt, schrieb der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid al-Ansari, in einem Post auf X. In der ersten Phase der Einigung wird Israel laut Justizministerium 737 Gefängnisinsassen freisetzen.

Die Einigung auf das Abkommen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas nach 15 Monaten Krieg war am Mittwochabend verkündet worden. Die Vereinbarung sieht vor, dass am Sonntag eine sechswöchige Waffenruhe im Gazastreifen beginnt. In dieser ersten Phase des Abkommens sollen insgesamt 33 Geiseln freikommen.

Im Gegenzug sollen palästinensische Gefangene freigelassen werden. Die Regierung genehmige die Freilassung von 737 Insassen, „die sich im Gewahrsam des Gefängnisdienstes befinden“, erklärte das israelische Justizministerium am Samstag. Die Freilassung beginne nicht vor Sonntag 16 Uhr (Ortszeit, 15 Uhr MEZ), hieß es weiter.

Die israelischen Behörden gehen davon aus, dass die 33 Geiseln am Leben sind, eine Bestätigung der Hamas steht allerdings noch aus. Aus dem Hamas-Umfeld hieß es, als Erstes sollten drei israelische Frauen freigelassen werden. Das Rote Kreuz werde die ersten Geiseln voraussichtlich am Sonntagabend gemeinsam mit ägyptischen und katarischen Teams in Empfang nehmen. Sie würden dann nach Ägypten gebracht und dort der israelischen Seite übergeben, die dann auch ihre medizinische Untersuchung übernehme.

Ein israelischer Militärbeamter erklärte, dass in Kerem Schalom, Eres und Reim Aufnahmestellen eingerichtet worden seien, wo die freigekommenen Geiseln von Ärzten und Psychiatern betreut sollen, bevor sie per Hubschrauber oder per Fahrzeug in israelische Krankenhäuser gebracht werden.

Nachdem die ersten freigelassenen Geiseln nach Israel heimgekehrt seien, werde die „Freilassung der ersten Gruppe palästinensischer Häftlinge, darunter mehrere mit hohen Strafen, erwartet“, hieß es weiter.

Das israelische Justizministerium hatte zuvor eine Liste von 95 palästinensischen Häftlingen veröffentlicht, die freigelassen werden sollten, die Mehrheit von ihnen Frauen. Unter den Namen ist auch der von Sakaria Subeidi, ehemaliger Anführer der Al-Aksa-Brigaden, dem militanten Arm von Abbas' Fatah-Partei.

Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahera News berichtete unter Berufung auf eine informierte ägyptische Quelle, die Vermittlerstaaten Ägypten, Katar und USA hätten sich auf „alle notwendigen Vorkehrungen zur Umsetzung“ des Waffenruhe-Abkommens für den Gazastreifen geeinigt. Die zu diesem Zweck am Freitag in Kairo abgehaltenen Gespräche seien „positiv“ abgeschlossen worden.

Indes erklärte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Palästinensische Autonomiebehörde habe „alle Vorbereitungen getroffen, um die volle Verantwortung für den Gazastreifen zu übernehmen“. Dazu gehörten die Rückkehr der Vertriebenen, die Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen, die Verwaltung der Grenzübergänge und der Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Gebiets.

Voraussetzung für das Inkrafttreten des Abkommens war jedoch bisher noch die Zustimmung des gesamten Kabinetts. Für den Fall einer Billigung hatte der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir seinen Rücktritt angekündigt. Auch der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich hatte sich entschieden gegen das Waffenruhe-Abkommen gewandt.

Olaf Scholz: Verständnis für israelische Vorbehalte

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte Verständnis für Vorbehalte in Israel, sich auf die Vereinbarung mit der Hamas einzulassen – nun sei aber „die Zeit für einen solchen Kompromiss gekommen“. In Berlin sagte Scholz, die Bundesregierung verstehe, wie „schwierig und schmerzhaft“ für Israel ein Abkommen mit der Hamas sei, die immer noch Israels Vernichtung anstrebe. Es sei aber nun an der Zeit, diesen Kompromiss „Schritt für Schritt konsequent“ umzusetzen.

Der Krieg im Gazastreifen war durch den Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet, 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.

94 der Geiseln sollen sich nach wie vor dort befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee bereits tot. Unter den noch festgehaltenen Geiseln befindet sich auch eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen mit Deutschland-Bezug, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß.

Israel ging seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 46.800 Menschen getötet.

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2 Kommentare

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  • Mit der Hamas an der Macht in Gaza kann es für Israel keinen guten Deal geben. Einen Frieden ohnehin nicht. Dennoch ist es für die Geiselopfer ein Hoffnungsschimmer.

  • Eine Nachricht, die Hoffnung auf Frieden keimen lässt.



    Viel Glück und Erfolg!