Waffenstillstand für Idlib: Im besten Fall ein neues Gaza
Gut, dass Erdoğan und Putin die Kämpfe in Syrien vorerst gestoppt haben. Doch für die in der Provinz Idlib Eingeschlossenen fehlt eine Perspektive.
D er türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat mit dem Einsatz seiner Armee in der nordsyrischen Provinz Idlib viel riskiert und jetzt zumindest einen Teilerfolg erzielt: Sein russischer Kollege Wladimir Putin hat am Donnerstag in Moskau einer Waffenruhe zugestimmt, auf deren Basis nun weiter verhandelt werden kann. Bei allen Vorbehalten und Fragen, die man gegenüber der Moskauer Vereinbarung haben muss: Für die Menschen in der seit Monaten umkämpften Provinz Idlib ist das erst einmal ein Hoffnungsschimmer.
Anders als bei vorangegangenen Waffenstillstandsvereinbarungen ist es dieses Mal auch realistischer, dass die Feuerpause hält. Dafür sprechen verschiedene Gründe. Der wichtigste ist die Geografie. Die derzeitige Waffenstillstandslinie erlaubt dem Assad-Regime, seine Eroberungen im südlichen Teil von Idlib zu behalten, einschließlich der enorm wichtigen Autobahn M5 von Damaskus nach Aleppo.
Entlang der Autobahn M4, die von der Mittelmeerküste kommt und bei Sarakeb auf die M5 trifft, soll eine Pufferzone gebildet werden, die von russischen und türkischen Truppen gemeinsam kontrolliert wird. Nördlich und westlich dieser beiden Autobahnen bleibt dann ein Gebiet einschließlich der Provinzhauptstadt Idlib, das die Türkei kontrolliert und in dem die Flüchtlinge leben können.
Damit wäre die wichtigste Forderung Erdoğans erst einmal erfüllt, ohne dass Russland an seinen Kriegszielen in Syrien Abstriche machen müsste. Die Herrschaft Assads ist nicht mehr gefährdet und die russischen Stützpunkte sind es auch nicht. Trotzdem ist die wichtigste Frage nicht gelöst. Was soll langfristig geschehen mit den rund drei Millionen Menschen, die nun dicht gedrängt im von der Türkei kontrollierten Teil Idlibs unter erbärmlichen Umständen leben?
Sicher, solange nicht geschossen wird, kann humanitäre Hilfe die Menschen besser erreichen, kann ihre Situation graduell verbessert werden. Doch grundsätzlich will weder die Türkei noch ein anderer Staat auf der Erde diesen Menschen eine neue Lebensperspektive bieten, nicht zuletzt, weil niemand genau weiß, wie viele tausende völlig radikalisierte Dschihadisten sich unter ihnen befinden.
Im besten Falle entsteht deshalb in diesem nördlichen Zipfel Syriens entlang der türkischen Grenze so etwas wie ein neues Gaza, in dem Millionen Menschen in einem großen Freiluftgefängnis leben. Solange die internationale Gemeinschaft, darunter an erster Stelle auch die EU, keinen Vorschlag dazu macht, was mit diesem Menschen geschehen soll, wird das so bleiben.
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