Waffenkontrollen durch Bundespolizei: Ein Wochenende Rechtsunsicherheit
Die Bundespolizei hat temporäre Waffenverbotszonen an sechs S-Bahnhöfen durchgesetzt. Dabei gibt es starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme.
Grundlage des Einsatzes war eine Allgemeinverfügung der Bundespolizei „zum Verbot des Mitführens von gefährlichen Gegenständen“ – auch temporäre Waffenverbotszone genannt. Das Ziel sei die „Erhöhung der objektiven und subjektiven Sicherheit“. Dabei geht es einerseits um Waffen, die ohnehin verboten sind, aber auch um Gegenstände, deren Mitführen eigentlich erlaubt ist, wie Pfefferspray, kleine Messer oder Werkzeug.
Die Verfügung galt Freitag und Samstag von 16 Uhr bis 5 Uhr morgens an den S-Bahnöfen Friedrichstraße, Alexanderplatz, Ostbahnhof, Warschauer Straße, Ostkreuz und Treptower Park. Die Bundespolizei begleitete ihren Einsatz, an dem an beiden Tagen je 160 Beamte beteiligt waren, mit einem Social-Media-Feuerwerk.
„Vier tschechische Männer im Alter zwischen 17 und 20 Jahren sind jetzt ohne zwei Teleskopschlagstöcke, zwei Schlagringe und zwei Tüten Drogen in Berlin unterwegs“, hieß es am Freitag nicht ohne Stolz auf Twitter. Die viralste – weil in rechten Kreisen herumgereichte – Meldung dieser Art stammt von Samstagnacht: Ein „28-jähriger Iraker“ habe ein „Messer mit ca. 18 cm Klingenlänge“ mit sich geführt: Weil dies auch nach dem Waffengesetz verboten sei, wurde es beschlagnahmt. Der Mann muss mit einer Anzeige rechnen.
Normalerweise nicht verbotene Gegenstände wurden dagegen nur sichergestellt und können – ohne Strafe – von den Betroffenen nach Beendigung der Allgemeinverfügung abgeholt werden.
24 verbotene Waffen
Die Bilanz: Bei 1.500 Kontrollen wurden 59 Gegenstände sichergestellt, darunter 35 temporär nicht erlaubte, etwa ein Hammer und ein Cuttermesser, und 24 verbotene Waffen – insgesamt 35 Messer und 17 Reizstoffgeräte. Obwohl gar nicht Gegenstand und Ziel der Allgemeinverfügung wurden 64 Verstöße gegen das Betäubungsmittelverbot festgestellt. Die Bundespolizei sprach von einem „erfolgreich“ verlaufenen Einsatz, der zu einem „Sicherheitsgewinn im Berliner Bahnverkehr beigetragen“ habe.
In ihrer 15-seitigen Begründung der Allgemeinverfügung hatte die Bundespolizei Berlin darauf verwiesen, dass im „bahnpolizeilichen Aufgabenbereich“ 2022 mehr als 3.500 Gewaltdelikte registriert wurden. Bei 382 davon seien Messer, Reizgas oder andere Waffen eingesetzt oder mitgeführt worden. 99 dieser Vorfälle ereigneten sich an den nun kontrollierten Bahnhöfen.
Bei den Angreifern habe es sich meist um „stark alkoholisierte Personen und Personengruppen“ gehandelt. In einem FAQ teilte die Bundespolizei mit: „Die Kontrollen erfolgen anlassbezogen und stichprobenhaft.“ Zudem gebe es „Ausnahmen“, etwa für Handwerker oder Köche oder bei „Vorliegen eines berechtigten Schutzbedürfnisses“, etwa „Tierabwehrspray bei jungen Frauen“.
Übliche Verdächtige
Genau dieser Ermessensspielraum der Beamt:innen hatte schon bei den ersten Versuchen der Waffenverbotszonen im Sommer und Winter 2018 für harsche Kritik gesorgt. Polizeiforscher Tobias Singelnstein etwa hatte kritisiert, dass sich polizeiliches Eingreifen weit ins Vorfeld möglicher Straftaten verlagere. Die Schwelle entferne sich immer weiter von realen Anhaltspunkten und hänge nur noch von Einschätzungen und Prognosen der einzelnen Beamt*innen ab. Schnell in den Fokus gerieten dabei die „üblichen Verdächtigen“ wie migrantische Jugendliche, so die Kritik seines Kollegen Raphael Behr.
Im Januar 2019 hatte ein Kläger vor dem Verwaltungsgericht Berlin Erfolg gegen die Allgemeinverfügung, deren Rechtmäßigkeit generell angezweifelt wurde. Diese sei nicht hinreichend bestimmt gewesen, so der Beschluss, es sei für Bürger:innen nicht von vornherein eindeutig, welche Gegenstände verboten seien. Unklar sei zudem, wann ein Gegenstand gefährlich werde; zudem seien zu wenig Ausnahmen definiert worden.
Die Bundespolizei hatte ihre Maßnahmen damals mit Verweis darauf, dass der Beschluss lediglich Zweifel an der Rechtmäßigkeit beinhalte und außerdem ausschließlich für den Kläger gelte, fortgeführt. Nun teilte sie mit, sie gehe „nach wie vor davon aus, dass das ausgesprochene Verbot grundsätzlich in einer Allgemeinverfügung geregelt werden durfte bzw. darf“.
Ganz anderer Meinung ist die Kreuzberger Anwaltskanzlei RL Rechtsanwälte* von Michael Lippa und Daniela Rohrlack. Auf Twitter sprachen sie von „offensichtlich rechtswidrigen Maßnahmen“. Personen, die dadurch „schikaniert“ wurden, können sich zum Zweck einer Klage melden. Kritisiert wurde, dass „Gegenstände nur auf bestimmten Gleisen in wenigen Bahnhöfen und nur zu einer bestimmten Uhrzeit an drei Tagen gefährlich sein sollen“.
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