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Wälder in FlammenFeuerwehrleute allein reichen nicht

Kommentar von Maike Rademaker

Es sieht übel aus für den deutschen Wald, auch was den Brandschutz betrifft. Auf die freiwilligen Feuerwehren allein sollte man sich nicht verlassen.

Die Allgemeinheit kümmert sich bisher, wenns brennt, doch nun wirds Zeit, dass die Besitzenden ihren Teil leisten Foto: Axel Heimken/apn Photo

D eutsche in Spanien, das ist mitunter ein schwieriges Kapitel. Aber dieses Mal wurden Deutsche mit Jubel und tiefer Dankbarkeit begrüßt: 67 Feuerwehrleute aus Niedersachsen und NRW haben mitgeholfen, die riesigen Waldbrände im Nordosten Spaniens zu bekämpfen, gut ausgerüstet mit Spezialfahrzeugen. Die Hälfte von ihnen waren freiwillige Feuerwehrleute.

Die Waldbrände in Spanien, Frankreich, Griechenland sollten uns eine Lehre sein. Denn wer glaubt, dass das bei uns nicht passieren kann – riesige Brände, die zigtausende Kilometer Wald und Feld abfackeln und dabei Menschen, Tiere, Häuser und Stallungen gefährden –, der irrt. Und wer glaubt, dass die Feuerwehr in Deutschland gut genug aufgestellt ist, um damit fertig zu werden, ebenfalls. Diesen Sommer hat uns der viele Regen im Juli vor großen Bränden zwar geschützt (außer im sächsischen Gohrischheide, da brannten 2.100 Hektar ab). Aber nächstes Jahr könnte es auch uns treffen, im schlimmsten Fall mit den Nachbarländern. Es wird höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen besser aufstellen.

Das fängt beim ersten Schritt der Prävention an – dem Waldumbau. Laubwälder schützen weit besser vor Bränden als Nadelholzplantagen, das ist wissenschaftlicher Konsens. Beim Waldumbau geht es seit 30 Jahren voran – aber zu langsam, unter anderem, weil in vielen Regionen Rehe und anderes Schalenwild jedes Frühjahr die jungen Laubbäume verbeißen. Statt die Jäger gesetzlich in die Pflicht zu nehmen, zu große Wildbestände endlich effektiv zu reduzieren, will Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer so viel tun: nichts. Alles in Ordnung, meinte er bei der Vorstellung des Waldberichts.

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Für den zweiten Schritt der Prävention müssten die Kleinwaldbesitzer endlich wach werden: Gelöscht werden kann ein Waldbrand nur, wenn ausreichend Wege in den Wald führen und es Löschwasserstellen gibt. Das ist Aufgabe der Eigentümer – also auch der fast 2 Millionen Kleinwaldbesitzer, denen ein großer Teil der 11,4 Millionen Hektar deutscher Wald gehört. Eigentum verpflichtet? Viele wissen nicht einmal, wo ihre 3 Hektar überhaupt liegen. Wege und Brandschutzstreifen anlegen lassen, Brandlast wie umgefallene Bäume entfernen, Jagd mitmanagen – Maßnahmen, die meist sogar großzügig gefördert werden. Oder bei der Forstbetriebsgemeinschaft und der Jagdgenossenschaft vorbeischauen, mit dem Förster reden? Ach, grade keine Zeit.

Hotspot Brandenburg

Das Resultat sieht so aus: In Brandenburg, dem Hotspot der Waldbrände mit Nadelplantagen und Kampfmittelbelastung im Boden, gibt es seit Jahren einen Waldschutzplan mit dem Ziel, rund 20.000 Kilometer Wege in ebenjene Nadelholzplantagen zu treiben. Davon sind derzeit knapp 2.700 Kilometer fertiggestellt. Größtes Problem beim Ausbau laut zuständigem Landesministerium: die Waldbesitzer.

Mittlerweile ist das Land dazu übergegangen, Flächen von Waldbesitzern kostenlos zu „pachten“, damit dort, bezahlt und organisiert von Brandenburg, Löschwasserstellen angelegt werden können. Und gepflegt werden, denn dank sinkendem Grundwasserspiegel bleiben sie mittlerweile auch mal trocken.

Dritter Punkt – die Feuerwehren. Deutschland hat ein Pfund, mit dem es wuchern kann – die freiwilligen Feuerwehren. Rund eine Million Menschen engagieren sich dort, übrigens gerne und zu Unrecht belächelt und bewitzelt von Großstadtmenschen (darunter oft Waldbesitzende). Sie sind es, die derzeit über 90 Prozent der Vegetationsbrände löschen, bevor sie zur großen, dynamischen und schwer kontrollierbaren Lage eskalieren. So gut andere Länder wie Spanien aufgestellt sind mit ihren dezentralen Waldbrandeinheiten – diese geballte lokale Kraft fehlt. Aber eine große Zahl Feuerwehrleute alleine reicht nicht, ganz abgesehen davon, dass die freiwilligen Feuerwehren wie alle Institutionen unter dem demografischen Wandel leiden. Es braucht die entsprechende Ausrüstung und Ausbildung, von der Kleidung über die Geräte bis zum spezialisierten Löschfahrzeug und Hubschrauber oder Flugzeug.

Von allem nicht genug

Es hat sich viel getan, seit 1975 in der Lüneburger Heide 8.000 Hektar abgebrannt sind, der größte Waldbrand der bundesrepublikanischen Geschichte. Bessere Überwachung, Digitalfunk, bessere Koordination der verschiedenen Helfertruppen, neue Löschfahrzeuge für Vegetationsbrände: Die Lüneburger Heide war ein Weckruf. Dann kam 2003 mit über 2.500 Waldbränden, es folgten 2015, 2018, 2019, 2020 und 2022, jedes Jahr mit über 1.000 Bränden.

Zu dem Fazit kommt auch der Zwischenbericht der Arbeitsgruppe Waldbrandschutz der Innenministerkonferenz 2023: nicht genug Ausrüstung, nicht genug Ausbildung, nicht genug Löschwasserstellen, nicht genug Waldbrandschutzwege. Nicht genug von allem eigentlich.

Nun kann man darüber debattieren, ob wirklich jede freiwillige Feuerwehr eine Spezialausrüstung und Spezialausbildung braucht, wenn ringsum nie Felder und Wälder brennen. Aber dass da, wo es häufiger brennt, Feuerwehrleute nicht mal die adäquate Kleidung bekommen, mit der man es Stunden und Tage am Feuer aushält – das ist am falschen Ende gespart. Ebenso wie die Ausbildung zur Vegetationsbrandbekämpfung – was nutzt das schönste neue Löschfahrzeug, wenn sich die Helfer am Boden falsch verhalten?

Trotzdem ist diese Ausbildung bis heute nicht Pflicht in den Feuerwehrschulen, sondern nur eine Empfehlung. Auch das nun Jahre andauernde politische Gerangel um die Anschaffung von Löschflugzeugen und Hubschraubern oder ob man lieber beide mietet und die Kommunen dafür teuer blechen lässt, sollte zu einer Entscheidung kommen. Denn es komme nur ein Sommer wie der diesjährige in Spanien und Frankreich, und wir werden bitter erfahren müssen, was die Versäumnisse der vergangenen Jahre kosten.

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