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Währungskrise in VenezuelaHyperinflation passé

Noch vor zwei Jahren erreichte die Inflation in Venezuela fast 3.000 Prozent. Nun wurde bei Gehältern und Spritsubventionen gespart – mit Erfolg.

Längst gibt es in Venezuela nahezu wieder alles zu kaufen, aber eben nur gegen die US-Währung Foto: Leonardo fernandez Viloria/reuters

Buenos Aires taz | In Sachen Geldwertverlust ist Venezuela das Synonym für Hyperinflation. Keine Währung weltweit hat in den vergangenen Jahren so rasant an Kaufkraft verloren wie der venezolanische Bolívar. Für das Jahr 2020 meldete Venezuelas Zentralbank eine Inflationsrate von knapp 3.000 Prozent. Doch damit ist es vorerst vorbei. Nach Angaben der Zentralbank blieb die Teuerungsrate in den vergangenen zwölf Monaten jeweils unter 50 Prozent.

Im letzten Quartal 2021 hatte die monatliche Rate sogar im einstelligen Prozentbereich gelegen. „Mit dem Ergebnis des einstelligen Inflationsmanagements in den Monaten September, Oktober, November und Dezember hat Venezuela den Zustand der Hyperinflation verlassen“, verkündete Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro zum Jahreswechsel.

Zwölf Monate jeweils unter 50 Prozent gilt als Ende einer Hyperinflation. Im Dezember 2020 hatte die Rate 77,5 Prozent letztmals über der 50-Prozent-Marke gelegen. Als Beginn der Hyperinflation gilt der November 2017. Dass die Zahlen realistisch sind, bestätigt das Observatorio Venezolano de Finanzas (OVF).

Für die unabhängige Einrichtung ist die Hyperinflation jedoch noch nicht zu Ende. Nach ihren Bemessungsgrundlagen liegt die Rate erst zehn Monate in Folge unter der 50er-Marke. „Trotzdem kam es Ende 2021 zu einer deutlichen Verlangsamung der Preissteigerungsrate, da sich der Preisanstieg von 3.713 Prozent im Jahr 2020 auf 660 Prozent im Jahr 2021 verringerte“, so das Observatorium.

Rigide Haushaltspolitik

Als Gründe für die Eindämmung der Inflation werden die rigide Haushaltspolitik der Regierung in Caracas mit Einsparungen vor allem bei den Gehältern der öffentlich Beschäftigten und den Rentenzahlungen sowie die Subventionsstreichungen bei Benzin und Diesel genannt. Folglich musste Venezuelas Zentralbank weniger Geld zum Stopfen von Löchern im Budget drucken und die Geldmenge nicht derart uferlos ausweiten wie in den Jahren zuvor. Das minderte den Entwertungsdruck auf den Bolívar deutlich ab.

Zugleich ist der Prozess der Dollarisierung von Wirtschaft und Handel inzwischen weit fortgeschritten. Längst gibt es nahezu wieder alles zu kaufen, aber eben nur gegen die US-Währung. Dabei steigen die Dollarpreise im Rhythmus der Abwertung des Bolívar, den die Zentralbank im vergangenen Jahr mit einer aggressiven Interventionspolitik stützte. Dafür verkaufte sie Dollarreserven in dreistelliger Millionenhöhe.

Wie lange die Erfolgsgeschichte anhält, ist offen. Klar ist, wem sie bisher nützte. Und da teilt sich die Bevölkerung in zwei Gruppen: in jene mit dem Besitz von oder dem Zugang zu Dollars und in jene, die nur über Bolívares verfügt oder auf staatliche Hilfsprogramme angewiesen ist. Wie groß die zweite Gruppe ist, zeigt die Armenstatistik. Nach der letzten Umfrage der Katholischen Universität Andrés Bello leben 94,5 Prozent der Ve­ne­zo­la­ne­r*in­nen in Armut.

Im regionalen Vergleich bleibt Venezuela Spitzenreiter. Abgeschlagen auf dem zweiten Platz folgt Argentinien mit 52 Prozent, dahinter Brasilien (10 Prozent) sowie Uruguay (knapp 8 Prozent) und Chile (7,2 Prozent). Das leuchtende Schlusslicht ist Bolivien mit weniger als einem Prozent.

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5 Kommentare

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  • Der ehemalige schweizer Botschafter hat es mal gut auf den Punkt gebracht indem er sinngemäß gesagt hat: Es könnte schon sein dass der Chavizmus nicht funktioniert - um das herauszufinden muss man ihn sich aber entwickeln lassen. D.h. wenn ein Land von internationalen Sanktionen überzogen wird, das Vermögen im Ausland beschlagnahmt wird, die teils extrem gewalttätige Opposition mit Millionenbeträgen aus den USA und anderen Ländern finanziert wird etc. ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern unumgänglich dass ein Land der Peripherie so starke Probleme hat. Genau das ist ja der Zweck der Sanktionen und anderen Maßnahmen die dazu dienen sollen die Kontrolle über das Land nicht den Menschen in Venezuela zu überlassen sondern den Staaten, bzw. Unternehmen die sich Öl, Gold und andere Resourcen aneignen wollen. Zusätzlich geht es darum dass Venezuela auch nicht als Beispiel für andere Staaten die sich emanzipieren könnten fungieren darf, sondern die dort geschaffene Situation andere eher abschrecken soll.



    Es ist sehr bedauerlich wie viele Menschen das gar nicht wahrnehmen (wollen) und stattdessen ernsthaft meinen die Fehler der Regierung dort (die natürlich wie jede andere Regierung auch Fehler macht), bzw. der großen chavizistischen Bewegung wären hierfür ursächlich.



    Auf der Seite venezuela-info.org gibt es verschiedene Texte, Videos etc. die etwas in die Tiefe gehen und auch die Einschätzungen der Menschen vor Ort zeigen.

  • Venezuella, Türkei, Argentien... Hyperinflation.

    Gott sei Dank, Deutschland geht so gut. Keine Inflation...



    ... Günstige oder bezahlbare Immobilien... Immer steigende Gehälter...

    Nicht zuletzt: Saubere und ehrliche Politiker...

    • @Robert Boyland:

      Klar, hier ist es mittlerweile auch nicht mehr so toll, keine Frage. Aber noch zumindest haben wir keine Verhältnisse wie im eigentlich relativ rohstoffreichen venezuleanischen Sozialismus.

      Aber es gibt ja die Erfolge: Neulich noch 3000 % Inflation, jetzt seit einer Weile – zumindest, ... naja, ... vielleicht – nur noch knapp unter 50 %.

  • Von "Erfolgsgeschichte" zu sprechen, weil die Katastrophe vielleicht nicht mehr ganz so groß ist, finde ich ziemlich zynisch. Zumal zu vermuten ist, dass Renten und Gehälter dafür massiv gekürzt werden müssten. Dieses Maduro-Regime muss endlich weg

    • @Ruediger:

      Es steht ja im Artikel ausdrücklich drin, dass Gehälter und Renten gekürzt wurden.

      Und das Land ist nicht "dollarisiert": Wer Dollars hat, kann sich zwar was kaufen, aber wer nicht, der nicht, und das sind die meisten. Mangelernährung grassiert, die Arzneimittelversorgung ist weitgehend zusammengebrochen, die früher als ausgerottet betrachtete Malaria verbreitet sich, und Millionen Menschen sind ins benachbarte Ausland geflüchtet.

      Trotzdem gibt es hierzulande Linke, die weiterhin mit dem Maduro-Regime sympathisieren. Vielleicht, weil Maduros Partei sich "sozialistisch" nennt oder weil Chavez mal den Sozialismus angestrebt hat. Aber wenn das der Sozialismus sein soll, dann kann man wahrlich auch beim Kapitalismus bleiben, denn alles, was Linke dem Kapitalismus immer mit Recht vorgeworfen haben, ist in Venezuela die üble Realität - obwohl das Land mit seinem Ölreichtum eigentlich ganz gute Ausgangsbedingungen hatte.