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Währungshüter gegen hohe InflationEZB setzt Zinsen mammutmäßig hoch

Wegen der hohen Inflation erhöht die Europäische Zentralbank den Leitzins um weitere 0,75 Prozentpunkte. Die Konjunkturprognose fällt düster aus.

Nochmal 0,75 Prozentpunkte rauf: EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt Foto: Arne Dedert/dpa

Frankfurt am Main rtr/taz | Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit einer weiteren Mammut-Zinserhöhung gegen die Rekordinflation im Euroraum. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um 0,75 Punkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,5 Prozent erhöht.

Dies ist nach September die zweite XXL-Zinserhöhung in Folge, insgesamt die dritte Anhebung. Weiteren Zinserhöhungen sind absehbar: Der EZB-Rat „geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird“, erklärte die Notenbank.

Die ersten Reaktionen fielen positiv aus. „Da das primäre Mandat der EZB Preisstabilität ist, war dies heute ein richtiger Schritt, dem vermutlich ein weiterer in diesem Jahr folgen wird“, kommentierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sollte die EZB die Zinsen weiter anheben und sich nicht von der anbahnenden Rezession irritieren lassen. „Der Euroraum braucht einen EZB-Einlagensatz in der Größenordnung von 4 Prozent“, so Krämer. Andernfalls würden massiv gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zulegen und die hohe Inflation setze sich dauerhaft fest.

Inflation bei 9,9 Prozent

Mit ihrem abermaligen großen Zinsschritt reagieren die Währungshüter auf den anhaltenden Preisschub in der Eurozone. Angetrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Ukrainekriegs ist die Inflationsrate im September auf 9,9 Prozent geklettert – das höchste Niveau seit Gründung der Währungsunion.

Die Teuerung erfasst dabei immer weitere Bereiche der Wirtschaft, nicht mehr nur den schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelbereich. Die Inflation liegt inzwischen fast fünfmal so hoch wie das Inflationsziel der EZB von 2 Prozent, das sie als ideal für die Wirtschaft erachtet. Die Währungshüter wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt. Dann wird es für die EZB wohl noch schwieriger, die Teuerung wieder einzudämmen.

Die Konjunkturaussichten sind laut EZB düster. Die wirtschaftliche Aktivität habe sich im dritten Quartal wahrscheinlich deutlich verlangsamt, sagte EZB-Chefin Lagarde. „Und wir erwarten eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf und zu Beginn des nächsten Jahres.“

Aus den jüngste Konjunkturdaten geht hervor, dass die Eurozone auch wegen der Schwäche ihrer größten Volkswirtschaft Deutschland auf eine Rezession zusteuert. Hier fiel der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft im Oktober deutlich unter der Wachstumsschwelle von 50 Zählern.

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11 Kommentare

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  • Mammut ? Ein Jahr lang hat das Mammut Lagarde - keine Volkswirtin und wohl von nix bei Geld so richtig ne Ahnung - langsamen Schrittes Steppengras mümmelnd der davongaloppierenden Inflation einfach hinterhergeschaut - wir tun mal das Einfachste: nix, das legt sich schon wieder (und das hat sie auch genau so überall verkündet) .... Vielleicht is sie nich wirklich völlig beratungsresistent, ihre hauseigenen Analysten ham aber auch stur in die falsche Glaskugel gekuckt.



    Nachdem Draghi sich in Frankfurt whateverittäjkes das eigene Geld gedruckt hat, das er in Rom dann ausgeben konnte: Will Frau Mümmelmammut auch noch irgendwo hin und sichs mit der feinen Gesellschaft in Paris nich verscherzen ???

  • Es wird ein nicht gerade aussichtsreicher Kampf um die Stabilität des Euro gegenüber dem US-Dollar. Schließlich sind die Unternehmen aus dem Dollarraum deutlich besser aufgestellt aufgrund der deutlich günstigeren Energiekosten, so dass die inzwischen immmer mehr ob der schwindenen Nachfrage verzweifelnden Anleger sich lieber in diese Richtung bewegen. Das Problem sind Leute wie ich , die die Problematik nicht weiter verschleiern wollen, denn negative Prognosen passen nicht in die Welt der Gläubigen. Sobald ein Wirtschaftsweiser ausspricht, was er denkt und damit seine Ratlosigkeit darbietet, werden viele Aktionäre ärmer. Wo bitte, sollen sie noch hin ? Es geht auch nicht darum, wer das Licht ausmacht, sondern, wer den Lichtschalter und die Sicherungen bedient und in der Demokratie wäre das eigentlich Aufgabe einer vorsorgenden Regierung, die das verstehen kann.

  • Die Zinserhöhung entblößt die EZB vollends. Während man vorher als Kritiker der Niedrigzinspolitik wenigstens noch annehmen konnte die EZBler hätten einfach eine andere Sicht auf die Dinge bzw. die EZB wolle eben die Staaten selber finanzieren muss man jetzt feststellen, dass das Gebilde noch viel hohler ist als der EZB-Tower in Frankfurt.

  • "Die Konjunkturaussichten sind laut EZB düster. "



    dann ist es ja genau richtig die Zinsen anzuheben, um die Wirtschaft auszubremsen....

  • 6G
    650228 (Profil gelöscht)

    "Die Währungshüter wollen unbedingt vermeiden, dass sich die hohe Inflation in den Köpfen der Menschen festsetzt."

    Und letzten Dezember haben diese ganzen Schlaumeier uns noch weismachen wollen, dass das alles auf Einmaleffekten beruht 😂

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Im Dezember hat auch kaum jemand mit dem Krieg in der Ukraine gerechnet... .

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Und Sie vergessen in großer Schlauheit den Ukrainekrieg und alles drumherum, der die jetzige Lage wesentlich verursacht hat. Den gab es im Dezember noch nicht und Scholz und Macron glaubten, ihn noch verhindern zu können.

      • 6G
        650228 (Profil gelöscht)
        @Sarg Kuss Möder:

        Ja, sicher. Nur sind die Gaspreise bereits Ende 2021 extrem gestiegen - und zwar unabhängig vom Ukraine-Krieg.

    • @650228 (Profil gelöscht):

      Alles auch eine Folge der kapitalen Blindheit Putins Machenscahften gegenüber, insbesondere der größten Volkswirtschaft in Europa, deren 16 Jahre währende Chefin nach der Devise: Billige Arbeitskräfte und billige Energie = maximale Gewinne der Industrie gehandelt hat und vernünftiges, vorausschauendes Handdeln mit Billigung der Medien und der stark interessierten Industrie hat vermissen lassen.

  • Wenn das mal gut geht …

    "Böse" Inflation betrifft die Verbraucherpreise. Die zeigten sich nun über gut ein Jahrzehnt vom Zinsniveau unbeeindruckt - sollen jetzt plötzlich aber auf Zinssignale reagieren?

    Trotz Zinsen um 0% hatten wir über viele Jahre kaum _solche_ Inflation. Wohl aber sind die Preise an den Kapitalmärkten eskaliert. Das finden wir aus unerfindlichen Gründen aber gut und nennen es Hausse, obwohl es offensichtlich durch hohe Nachfrage - bzw Geld-"Angebot" - getrieben war, nicht rosige Zukunftsaussichten - letztlich also auch bloß Geldentwertung.

    Und ist ja auch logisch: Von günstigen (Zentral-) Bankkrediten kauft man sich Immobilien, Aktien, … nicht Kartoffeln oder Strom. Würde deren aktuelle Preisexplosion durch massenhaft billige Konsumkredite befeuert, sollte ein Drehen an der Zinsschraube helfen.

    Tatsächlich aber haben wir eine Angebotskrise: Zu wenig da für alle. Dagegen würde helfen: Solarparks aus dem Boden stampfen, generell Produktion ausweiten, Mittel in die Ausbildung fehlender Fachkräfte pumpen … kurz: Investitionen. Massiv, schnell, auf pump.



    … blöd nur, daß die Zinsen grad steigen.

    • @O-Weh:

      Die EZB hat gar keine Wahl solange die Fed die Zinsen erhöht. Wenn da nicht mitgegangen wird würde der Dollar noch deutlich stärker werden, was sämtliche Importe, insbesondere Energie, noch teurer machen würde.

      Im übrigen steigen gerade nicht nur die Preise knapper Güter, sondern von so ziemlich sämtlichen. Auch von Kartoffeln.