Wachstum von Ökoflächen stagniert: Biolandbau dümpelt vor sich hin
Der Boom beim biologischen Anbau ist vorbei – schlecht für die Umwelt. Denn konventioneller Anbau trägt die Hauptschuld am Artensterben.
Sie belegen erstmals auch, dass die Biofläche bereits 2013 nur um 0,7 Prozent und nicht wie bislang wegen eines Statistikfehlers angenommen um 2,6 Prozent zugelegt hatte – mehrere Behörden haben ihre Angaben korrigiert. Insgesamt wurden 2014 rund 1 Million Hektar Land ökologisch bewirtschaftet, was 6 Prozent der Agrarfläche entspricht.
Wie niedrig die aktuellen Daten sind, zeigt sich im Vergleich zu den Wachstumsraten früherer Jahre: 1996 etwa hatte die Ökofläche laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung um 14 Prozent zugelegt, im Jahr 2000 sogar um 21 Prozent. Seitdem gibt es einen rückläufigen Trend.
Für die Umwelt sind das schlechte Nachrichten. Denn die konventionelle Landwirtschaft trägt Wissenschaftlern zufolge die Hauptschuld daran, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. Biobauern dagegen müssen auf Artenkiller wie chemisch-synthetische Pestizide und mineralische Stickstoffdünger verzichten. Ihren Tieren gewähren sie Auslauf und mehr Platz im Stall. Für die Verbraucher bedeutet eine stagnierende Biofläche in Deutschland, dass mehr Ökoware importiert wird, da der Markt für Biolebensmittel im Einzelhandel immer noch wächst – 2014 laut Branchenverband BÖLW um 4,8 Prozent.
„Auf der betriebswirtschaftlichen Seite haben sich für manche Betriebe die Erwartungen einfach nicht erfüllt“, sagte der Ökolandbauexperte des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts, Gerold Rahmann, der taz. Tatsächlich haben Ökobetriebe in den Wirtschaftsjahren 2012/2013 und 2013/2014 im Schnitt erstmals seit der Jahrtausendwende weniger verdient als die herkömmliche Konkurrenz. Grund waren die stark gestiegenen Preise für konventionelle Rohstoffe.
Gerold Rahmann, Experte
„Weil die Biopreise nicht so schnell nachziehen, schmilzt der Abstand zu konventionellen Produkten, sodass die Bereitschaft sinkt, auf Ökolandbau umzustellen“, ergänzte Analyst Hans-Christoph Behr vom Marktforschungsunternehmen Ami. Zudem tragen Billigimporte etwa aus Osteuropa zu niedrigen Biopreisen bei.
Eine weitere Ursache für die schlechte Entwicklung der Ökofläche sind Rahmann zufolge die Biogasanlagen für die Stromerzeugung. Deren Betreiber würden dank der gesetzlichen Förderung der Erneuerbaren Energien über die Stromtarife so viel Geld verdienen, dass sie weit höhere Pachtpreise zahlen könnten als Ökobauern.
„Die Biogasanlagenbetreiber haben ja 20 Jahre 2.000 Euro pro Hektar garantiert“, rechnet der Wissenschaftler vor. Viele Ökolandwirte kämen mit den Subventionen speziell für ihre Art der Landwirtschaft nur auf 500 Euro – und lediglich mit einer fünfjährigen Garantie.
Gestiegen sind Pachtpreise auch, weil konventionelle Betriebe mit vielen Tieren Flächen benötigen, um die Gülle aus ihren Ställen zu verklappen. Tatsächlich zeigen Analysen des Thünen-Instituts, dass in vielen Landkreisen, in denen die Pachtpreise besonders stark gewachsen sind, der Bioanteil an der Agrarfläche besonders niedrig ist.
Große Verluste in Thüringen
Die prozentual größten Verluste gab es in Thüringen, wo die Biofläche um 9,4 Prozent (3.431 Hektar) zurückgegangen ist. Das Agrarministerium in Erfurt macht dafür vor allem einen Betrieb verantwortlich, der von bio auf konventionell umgestellt hat. Dabei rächt sich, dass die Betriebe in Thüringen so groß sind. Ähnlich könnte sich das Minus im zweitgrößten Verliererland Mecklenburg-Vorpommern erklären, wo die Fläche um 4,7 Prozent schrumpfte.
Einbußen musste auch Niedersachsen hinnehmen, dessen Landwirtschaftsministerium seit Februar 2013 vom Star der grünen Agrarpolitiker, Christian Meyer, geführt wird. Obwohl die Grünen so vehement wie keine andere Partei für mehr bio kämpfen, verbuchte Meyer ein Minus von 1,8 Prozent.
Der Minister teilte der taz mit, sein Land habe die Ökoförderprämien 2014 und 2015 erhöht. Aber der Anstieg der Pacht und Bodenpreise in den vergangenen drei Jahren in Niedersachsen zähle bundesweit zu den höchsten. Nun wolle Niedersachsen die Prämien weiter erhöhen und helfen, die Vermarktung von Ökoprodukten zu verbessern.
Anmerkung vom 07.08.2015: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat die Angaben zur Öko-Fläche in dieser Woche nochmals korrigiert. Äcker, Wiesen und Weiden mit Biozertifikat legten demnach 2014 im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,3 Prozent zu. 2013 stieg die Fläche um 1,0 Prozent.
Eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums begründete die ursprünglichen Fehler damit, dass „unvollständige Daten von Bundesländern übermittelt worden“ seien. Auf Nachfrage erklärte die BLE zudem, dass diese dem Ministerium unterstellte Behörde aus Versehen eine Tabelle auf ihrer Internetseite falsch aktualisiert habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs