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Wachsendes Elend in SudanIn Khartum wütet die Cholera

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

70 Menschen sind in 2 Tagen an der Seuche gestorben, in Darfur verschwinden Geflüchtete in der Wüste. Doch das Leid des Sudan interessiert hier kaum.

Cholera Pa­ti­en­t*in­nen in einem Krankenzimmer nahe Port Sudan Foto: AFP

E s gab eine Zeit, da hätte eine Nachricht wie diese Schlagzeilen gemacht: 70 Menschen sind innerhalb von zwei Tagen in Sudans Hauptstadt Khartum an Cholera gestorben. 45 Tote meldeten die Behörden für Dienstag, 25 für Mittwoch, dazu allein an diesen beiden Tagen 2.119 bestätigte Infektionsfälle. Die Zahl der Choleratoten in Sudan liegt dieses Jahr bereits bei 1.640. Man darf davon ausgehen, dass diese Zahlen in diesem Bürgerkriegsland ohne funktionierende staatliche Strukturen nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen.

Der Krieg in Sudan bleibt ein schreckliches Hintergrundrauschen

Im April trat Sudan in sein drittes Kriegsjahr ein, von einem schnellen Ende des blutigen Machtkampfs zwischen der regierenden Armee unter Staats- und Armeechef Abdel Fattah al-Burhan und der aufständischen paramilitärischen Miliz RSF (Rapid Support Forces) unter Ex-Vizepräsident Mohamed Hamdan Daglo geht niemand aus. Anders als die Kriege in der Ukraine oder in Gaza ist der Krieg in Sudan kein Topthema der internationalen Diplomatie, trotz emsiger Aktivitäten der damit befassten Politiker bleibt er ein schreckliches Hintergrundrauschen im globalen Horror des Jahrs 2025.

Nur vereinzelt stechen besonders schreckliche Entwicklungen heraus: etwa, dass 400.000 Menschen aus dem belagerten Flüchtlingslager Zamzam in Darfur, wo schon 2024 eine Hungersnot festgestellt wurde, ohne jede Versorgung ins Nichts geflohen sind. Das Schicksal vieler von ihnen verliert sich in der Wüste.

Systematische sexualisierte Gewalt, ein bewährtes Kriegsmittel der RSF gegen missliebige Bevölkerungsgruppen in Darfur, ist allgemein verbreitet. Die größte Flüchtlingskrise der Welt, die größte Hungerkrise der Welt – das sind Sudan-Standardformeln in Nachrichten und ebenso sorgenvollen wie folgenlosen politischen Erklärungen geworden.

Nun also Cholera in Khartum. Der Hintergrund zeigt, wie sich dieser Krieg einfachen Erklärungen entzieht. Vor wenigen Monaten jubelte Sudans Armee, sie habe endlich die RSF aus der Hauptstadt vertrieben, in der im April 2023 der Krieg ausbrach und die seitdem umkämpft war.

Von den mehreren Millionen Menschen, die aus der einst fünf Millionen Einwohner zählenden Stadt geflohen waren, machten sich die ersten auf den Rückweg, in zarter Hoffnung auf Normalisierung und in Angst um ihr zurückgelassenes Hab und Gut. Aber in Khartum funktioniert nichts, die staatlichen Behörden haben nicht wieder die Arbeit aufgenommen, und nun beschießt die RSF die Stadt mit Drohnen aus der Ferne. Weil dadurch die letzten Reste der Strom- und Wasserversorgung zerstört wurden, wütet die Cholera in horrendem Ausmaß.

Dieses Desaster ist, wie alles in Sudan, eigentlich völlig vermeidbar, ein menschengemachtes Versagen inmitten einer menschengemachten Katastrophe. Und jetzt? Etwa einmal im Monat befasst sich der UN-Sicherheitsrat damit und äußert seine „tiefe Sorge“. Mitte Juni dürfte es wieder so weit sein. Bis dahin werden wieder einige Tausend Sudanesen weniger am Leben sein, über die man sich Sorgen machen kann.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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5 Kommentare

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  • Wie wäre es mit etwas Druck auf und Sanktionen gegen den Hauptkriegstreiber in den Emiraten? Finanzierung, logistische und militärische Unterstützung laufen zum großen Teil darüber. Verletzte der RSF werden in Abu Dhabi behandelt.

    Auch Europäer profitieren vom Gemetzel.

    Aber: keine Lichterketten, keine Demos, keine Unibesetzungen, keine Schaffung von Raum für die Erzählungen der Opfer der arabischen Schlächter, keine Podiumsdiskussionen, keine Kriegstagebücher oder zu Herzen gehende Instastories.

    Nur: 100.000 Tote, 14,5 Millionen Vertriebene, davon 4 Millionen in Nachbarländern, 24 Millionen vom Hungertod bedrohte Menschen, 10.000e systematisch vergewaltigte Frauen und Kinder.

    www.fr.de/politik/...aupt-93146573.html

    migration-control....ssier_Final_de.pdf

    taz.de/Krieg-in-Sudan/!5963986/

    www.science.org/co...odels-offer-clues?

    reliefweb.int/repo...d-march-april-2025

  • Ja, es ist der Horror, dass das einfach so untergeht zwischen den Horror-Kriegen, um die wir uns kümmern, weil sie mit Dekaden Vorlauf und organisierter Diaspora auch organisierte Aufmerksamkeit erhalten, aber auch weil sie dicht am Kern der sich kreuzenden blutigen Geschichten der Macht des kapitalistischen Westens sind, über der Verknotung von fossilen Oligarchigen Machtkämpfen und patriarchal theokratischen solchen und kolonialen solchen. Oder ist es weil unter Kartum Prozess vor nicht allzu langer Zeit die EU Abschottungs Verschwörung gegenüber Afrikanischen Migranten firmierte und eben weil stets Waffen geliefert werden, ohne dass die UN alle Armeen zu entwaffnen beschlossen wird, und sich dann alle wundern, dass die Waffen gebraucht werden, nur die Waffenproduzenten nicht, denn die nächsten Produktionen muessen ja auch wieder verkauft werden..Die Cholera wird es nicht von dort nach hier schaffen, aber viel mehr Medikamente gegen sie könnten dort landen, dafür bräuchte es keinen Pandemie Vertrag, nur menschliches Mitgefühl u. demokratische Ökonomie, statt der,die wir haben: die eben an Tod u Zerstörung besser verdient, als an Menschlichkeit, Solidarität& Regeneration der Natur

  • Welche möglichen Gegenmaßnahmen schlägt den der Autor vor? Das Abenteuer in Afghanisthan hat uns doch gezeigt, dass im Zweifel maximale Zurückhaltung geboten ist.

    • @DiMa:

      Etwas Druck auf die Partner der RSF im Nahen Osten könnte schon etwas bewirken. Aber wir brauchen ja Gas und im Winter einen Platz zum urlauben.

    • @DiMa:

      Ganz abgesehen davon, dass zur Unterstützung der RSF russische Wagner-Söldner vor Ort sind. Die üble Rolle der Emirate wird immer wieder klar dargestellt - aber dass auch hier Russland aktiv mit Personal vor Ort mitmischt, geht leicht unter. Mit Veto-Power im Sicherheitsrat sind die Rufe nach Eingrenzung des Konflikts über die UNO blauäugig.