Vorwurf an EU-Diplomaten: Beugt sich Brüssel Chinas Druck?
EU-Diplomaten sollen sich dem Willen Pekings gebeugt haben, berichtet die „New York Times“. Nun will sich Außenbeauftragter Borrell dazu äußern.
Der niederländische Europaabgeordnete Bart Groothuis will den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zur Rede stellen. Nötig sei eine „förmliche und vollständige Erklärung“, fordert der liberalkonservative Verteidigungsexperte. „China wird stärker und mächtiger“, warnt er düster.
Am Donnerstag will Borrell tatsächlich antworten. „Ich freue mich auf einen interessanten Austausch“, sagt der CDU-Europaabgeordnete David McAllister. In Wahrheit dürfte es eher ein Kreuzverhör werden. Denn Liberale und Konservative warten nur darauf, China aufs Korn zu nehmen – und die EU gegen Peking in Stellung zu bringen.
Der Anlass wirkt auf den ersten Blick banal. Es geht um einen Routinebericht des Auswärtigen Dienstes zum Thema Fake News und Desinformation. Schon seit Jahren sammeln EU-Experten russische Presseartikel, Online-News und Tweets, um Falschmeldungen und Propaganda kenntlich zu machen. Diesmal haben sie sich auch China vorgenommen.
EU-Diplomaten weisen das zurück
Doch überzeugende Beweise für Desinformation sucht man in dem „Special Report“ vom 22. April vergebens. Der EU-Dienst spricht zwar von „verdeckten Operationen“ mit dem Ziel, den Ursprung der Pandemie in Wuhan zu verschleiern. Als Beleg wird aber nur ein Bericht des britischen Daily Telegraph genannt – eine wenig vertrauenswürdige Quelle.
Der Streit dreht sich denn auch nicht darum, was in dem EU-Bericht steht – sondern darum, was nicht darin steht. Laut New York Times habe Peking interveniert, um missliebige Passagen streichen zu lassen. Offenbar mit Erfolg: Aussagen zu Frankreich seien ebenso getilgt worden wie der Satz, dass China „eine globale Desinformationskampagne“ führe.
Doch die EU-Diplomaten weisen das zurück. „Ich bestreite, dass wir uns Druck von außen gebeugt haben“, sagt der Sprecher von Borrell. Rückendeckung bekommt er von einem prominenten Grünen. China-Experte Reinhard Bütikofer verteidigt den Fake-News-Report. Der Bericht sei inhaltlich kaum verändert worden, nur die externe Kommunikation sei nicht sachgerecht gewesen.
Das ist noch milde ausgedrückt. Die EU wies nicht nur den Bericht der New York Times zurück, sondern legte sich auch noch mit dem Insiderdienst Politico an. Der verbreite Falschmeldungen, hieß es, auf Twitter kam es danach sogar zu wenig diplomatischen Scharmützeln. Der eigentliche Anlass – China – geriet dabei fast in Vergessenheit.
Das dürfte sich mit der Anhörung ändern. Mehr als 50 Abgeordnete unterstützen Groothuis’ Ruf nach Aufklärung. Viele fordern einen härteren Kurs gegen China. Gegen Russland hat sich das EU-Parlament bereits hart positioniert. Nur gegen Desinformation aus den USA geht die EU nicht vor. Dabei kommt die sogar aus dem Weißen Haus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit