Vorwürfe gegen EU-Rechnungshofchef: Lehne wehrt sich
Europas oberster Rechnungsprüfer will die Vorhaltungen bei einer Sondersitzung entkräften. Dem CDU-Politiker wird unter anderem Betrug vorgeworfen.
Die französische Tageszeitung Libération hatte über eine „fiktive“ Wohnung in Luxemburg, überhöhte Spesen und intransparentes Finanzgebaren berichtet. Lehne wird unter anderem vorgeworfen, 325.000 Euro zu viel an Mietzuschüssen kassiert zu haben. Neben Lehne sollen auch mehrere seiner Mitarbeiter in die Affäre verwickelt sein.
Die Vorwürfe werden im Europaparlament ernst genommen. Wenn es stimmen sollte, dass Lehne eine Tarnadresse in Luxemburg hat und Aufwandsentschädigungen in die eigene Tasche steckt, sei er nicht mehr zu halten, heißt es in Brüssel.
Das Europaparlament fordert seit Langem mehr Transparenz. Anfang November hatte der Haushaltskontrollausschuss einen Fragebogen an den Rechnungshof geschickt, um mögliches Missmanagement aufzudecken. Die Abgeordneten wollten unter anderem wissen, was die drei größten Erfolge der europäischen Rechnungsprüfer seien. Außerdem fragten sie nach dem Schaden, der durch Lehnes Ex-Kollegen Karel Pinxten entstanden sei. Der frühere belgische Verteidigungsminister war vorzeitig aus dem Rechnungshof ausgeschieden, weil er allzu großzügig mit Spesen umgegangen sein soll. Außerdem soll er monatelang durch Abwesenheit in Luxemburg geglänzt haben.
Ernüchternde Antwort
Die Antwort war ernüchternd: Als größten Erfolg des Jahres 2020 nannten Lehne und seine Mitarbeiter die Anpassung ihrer Arbeit an die Coronapandemie. Durch die Pinxten-Affäre sei ein Schaden von 570,823.61 Euro entstanden, räumten sie kleinlaut ein. Doch offenbar hat der Rechnungshof aus diesem Skandal nicht viel gelernt. Die Vorwürfe gegen Lehne erinnern jedenfalls stark an den Fall Pinxten. Auch jetzt geht es wieder um Spesen und längere Abwesenheit. Statt wie vorgeschrieben in Luxemburg, halte sich Lehne meist in seiner Heimatstadt Düsseldorf auf, so Libération.
Lehnes Sprecher Fabrice Mercade weist diesen Vorwurf zurück. „Alle Mitglieder des Rechnungshofs arbeiten und residieren in Luxemburg“, antwortete er auf Nachfrage dieser Redaktion. Das Spesen-Management sei transparent und werde eingehend überprüft. Auch der Vorwurf, dass Lehne weiter in der CDU tätig ist, sei falsch. Die CDU-Ratsfraktion in Düsseldorf führt ihn allerdings bis heute als Ehrenvorsitzenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!