Vorwürfe an Rettungskräfte: Sorge um die Sicherheit
Ein Anwalt beklagt, dass bei einem Autobrand vor seiner Haustür die Rettungskette versagt habe. Feuerwehr und Polizei weisen die Vorwürfe zurück.
Cyrus Zahedy ist besorgt um die Innere Sicherheit. Im Zusammenhang mit einer Auto-Brandstiftung vor seiner Wohnung in der Thadenstraße auf St. Pauli habe seinem Gefühl nach „die Rettungskette nicht richtig funktioniert“, moniert der Rechtsanwalt. In einem Schreiben an den Innenausschuss der Bürgerschaft hat der Jurist seine Eindrücke geschildert und verlangt nun von der Innenbehörde nach dem Informationsgesetz Auskunft über die Vorgänge.
Es war der 5. März gegen 3.45 Uhr: Verpuffungsgeräusche und blauer Lichterschein vor seiner Haustür wecken Zahedy. Er zieht sich an und macht sich auf den Weg vor die Haustür. Dort steht ein Mercedes C-Klasse „voll in Flammen“, wie er sagt. „An der Ecke stehen drei Peterwagen, die Besatzungen riegeln den Brandort ab und gehen auf Beobachtungsposition“, erinnert sich Zahedy.
„Die Polizeibeamten haben keinen Feuerlöscher zur Hand und keine Lautsprecher“, sagt der Anwalt. Es seien weder Löschversuche noch Anweisungen an die Hausbewohner erfolgt, obwohl aus dem Haus gegenüber Bewohner aus der Balkontür schauten.
Brandstiftung an Autos ist ein neues Phänomen, mit dem die Polizei seit 2010 zu kämpfen hat.
Mehr als 50 Autobrände verzeichnete die Polizei seit Anfang dieses Jahres. Im Vorjahr gab es mehr als 200 PKW-Zündeleien, seit 2010 mehr als 400 Brandstiftungen.
Vandalismus ist laut Polizei zu 70 Prozent der Hintergrund der Autobrände. Nur wenige Taten sind politisch motiviert.
Weiteres Motiv für das Abfackeln von Autos ist Versicherungsbetrug, Rache oder die klassische Beziehungstat. Von 17 gefassten Brandstiftern hatten laut Polizei alle kein politisches Motiv.
Erst nach einer Weile bemühte sich eine Streifenwagenbesatzung die Anwohner vor dem Öffnen der Fenster zu warnen, sagt Zahedy. Es dauert seinem Gefühl nach eine Viertelstunde, bis ein Löschfahrzeug eintrifft. Doch da stehen bereits drei PKW lichterloh in Flammen, weil das Feuer übergegriffen hat. Erst nach geraumer Zeit, so sein Gefühl, treffen drei weitere Löschfahrzeuge ein.
Für Zahedy dauerte alles viel zu lang. „Für mehr als 20 Minuten lodern die Flammen an einem Wohnhaus, bevor sie gelöscht werden“, sagt er. Eine Rettungskette, die bis zu einer halben Stunde braucht, um ausreichend Löschkapazitäten bereitzustellen, sei nicht intakt, sagt Zahedy und verweist auf Richtlinien, wonach Rettung in Ballungszentren in binnen acht Minuten bereitstehen sollte.
Die Feuerwehr weist diese Darstellung zurück. „Das kann ich so nicht verifizieren“, sagt Feuerwehrsprecher Hendrik Frese. Nach seinen Aufzeichnungen sei um 3.46 Uhr der Notruf in der Notrufzentrale eingegangen. „Zu einem Autobrand rückt immer nur ein Löschfahrzeug aus“, sagt Frese. Was auch innerhalb zwei Minuten geschehen sei.
Um 3.54 Uhr sei das Löschfahrzeug der Feuerwache Mörkenstraße am Brandort gewesen. „Das war innerhalb acht Minuten, das ist auch gerichtsfest“, sagt Frese. Da bereits drei Autos brannten, seien „zusätzliche Kräfte alarmiert worden“. Frese zeigt jedoch Verständnis: „In Notfällen kommt einem das alles vom Gefühl her länger vor, das geht uns selbst als erfahrenen Rettungskräften oft so.“
Auch die Polizei nennt die Vorwürfe unberechtigt: „Wenn ein Auto in voller Ausdehnung brennt, kann man mit den Bord-Feuerlöschern im Streifenwagen nichts ausrichten“, sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Dann könnten die Beamten nur auf die Feuerwehr warten. Mit einem Autofeuerlöscher könne ein Motorbrand gelöscht werden, „aber kein brennendes Autos“, so Sweden. „Dann können sie die Feuerlöscher gleich hinterwerfen.“
Zahedy bleibt bei seiner Version. „Es hat länger gedauert“, sagt der Jurist der taz. „Und die Polizisten waren hilflos.“ Er wartet nun ab, was für eine Antwort er von der Innenbehörde auf sein Auskunftsbegehren bekommt. Bis dahin will er seine Nachbarn nach ihren Wahrnehmungen befragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?