Vorwahlkampf der US-Demokraten: Ende der Gemeinsamkeit
Die TV-Debatte der KandidatInnen für das Präsidentenamt hat etwas von einer Schlammschlacht. Zumindest die Sender jubilieren.
Der demokratische Sozialist, der seit Jahrzehnten politische Karrieren von Frauen unterstützt hat, erklärt, dass ein solches Statement das Gegenteil dessen sei, woran er glaube. Und er fügt hinzu: „Wie könnte irgendjemand auf eine so absurde Idee kommen? Natürlich kann eine Frau gewinnen. Schließlich hat Hillary Clinton 2016 mehr als drei Millionen mehr Stimmen bekommen als Trump“.
Aber Warren insistiert auf ihrem Vorwurf und versucht, daraus ein politisches Argument zu ihren Gunsten zu machen. „Frauen“, erklärt sie am Dienstag in Iowa bei der siebten Präsidentschaftsdebatte der DemokratInnen in dieser Vorwahlsaison, „haben bei den jüngsten Wahlen besser abgeschnitten als Männer.“
Wer von den beiden – ob Sanders oder Warren – die Wahrheit sagt, ist nicht überprüfbar. Denn der fragliche Wortwechsel fand unter vier Augen statt. Laut Warren soll das bei einem Treffen im Jahr 2018 geschehen sein. Damals kandidierte keineR der beiden SenatorInnen für das Weiße Haus und damals bezeichneten die beiden sich noch als FreundInnen.
Stimmen des linken Flügels
Inzwischen gehören Warren und Sanders zu den sechs verbliebenen SpitzenkandidatInnen im Präsidentschaftswahlkampf der Demokratischen Partei. Sie bündeln die Stimmen des linken Flügels der Partei. Gemeinsam haben sie fast 40 Prozent der Basis hinter sich. Damit übertreffen sie das gemeinsame Ergebnis der beiden Zentristen im Spitzenfeld – Joe Biden und Pete Buttigieg – um mehrere Punkte.
Aber weniger als drei Wochen, bevor in Iowa am 3. Februar die Basis in dem ersten Bundesstaat eineN demokratischeN PräsidentschaftskandidatIn bestimmt, zählen die linken Gemeinsamkeiten nicht mehr. Jetzt geht es darum, die noch unentschiedenen oder zögernden WählerInnen zu überzeugen.
Warren bringt ihren Vorwurf just zu dem Moment an die Öffentlichkeit, als Sanders in einer Meinungsumfrage in Iowa in Führung geht. Und als auch die Veröffentlichung der vierteljährlichen Spendenergebnisse zeigt, wie stark er ist.
Danach hat Sanders mit 34,5 Millionen Dollars im vierten Quartal 2019 die meisten Spenden bekommen, und nicht nur die größte Zahl von individuellen SpenderInnen dieser Vorwahlsaison hinter sich versammelt, sondern auch einen neuen Rekord in der US-Geschichte aufgestellt: Seine Kampagne spricht von fünf Millionen SpenderInnen. KeinE PräsidentschaftskandidatIn vor ihm hatte so viele.
Bitterer Wortwechsel
Für Sanders-Fans ist das, was Warren tut, eine Schlammschlacht. Warren-Fans hingegen sorgen dafür, dass möglichst viele WählerInnen von dem Vorwurf ihrer Kandidatin hören. Es geht darum, die Stimmen von Frauen zu erobern.
Am Dienstag, bei der siebten demokratischen Debatte dieser Vorwahlsaison, liefert der bittere Wortwechsel zwischen den beiden Linken den Moment von Spannung, auf den die TV-Sender gewartet haben. Die nur noch sechs (von einst mehr als 20) DemokratInnen, die sich für diese siebte Debatte qualifiziert haben, debattieren Themen, die von der Eskalation zwischen Washington und Teheran über die Freihandelsabkommen bis hin zu Krankenversicherungen reichen.
Sanders nennt den Vietnamkrieg und den Irakkrieg die „beiden großen Politik-Katastrophen unserer Lebenszeit“. Er sagt, dass beide auf Lügen basierten und dass der gegenwärtige Präsident jetzt im Iran wieder dabei sei, zu lügen.
Am anderen Ende des demokratischen KandidatInnenspektrums bezeichnet Biden sein Votum für den Irakkrieg als „Fehler“, und versucht seine außenpolitische Ehre damit zu retten, dass der Irakkriegsgegner Barack Obama ihn dennoch zu seinem Vizepräsidenten gemacht hat.
Warren konstruiert ihren Debattenauftritt rund um die fiktive oder reale Frauenfrage. Als sie am Ende auch noch die zum Gruß ausgestreckte Hand von Sanders ignoriert, jubilieren die TV-Sender. Vor dieser Szene treten alle anderen Themen der Debatte in den Hintergrund.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!