Vorwahlen in den USA: Bernie bräuchte ein Wunder
Wenn Sanders beim TV-Duell nicht punktet, sollte er aufgeben. Bidens Chancen, Trump zu besiegen, sind mau.
D as dürfte es für Bernie Sanders gewesen sein. Wenn kein Wunder geschieht, wird nicht der Senator aus Vermont, sondern Ex-Vizepräsident Joe Biden bei den US-Wahlen im November gegen Donald Trump antreten. Am bittersten für Sanders wiegt seine Niederlage in Michigan. Nicht nur, weil er den Bundesstaat noch vor vier Jahren gegen Hillary Clinton hatte gewinnen können.
Michigan hat relativ viele Delegierte zu vergeben, aber vor allem: Es ist einer der wichtigen Swing States, die im November die Wahl entscheiden – und genau jene Art von Wählerschaft, bei der sich Sanders am stärksten wähnte. Sanders kann sich jetzt hinstellen und alle möglichen Faktoren für seine Niederlagenserie verantwortlich machen: die Medien, das Establishment, den Einfluss des großen Geldes auf die Entscheidungen. Aber das ist ein bisschen albern.
Wenn einer in den USA als „demokratischer Sozialist“ antritt, weiß er, dass da gewaltige Hürden im Weg stehen – und kann sie entweder überwinden, indem er eine Mehrheit der Wähler*innen überzeugt, oder er kann es eben nicht. Sanders konnte nicht. Dabei spielte ihm die Weltlage eigentlich in die Hände.
Der Umgang mit dem Coronavirus offenbart alle Schwächen und Ungerechtigkeiten des US-amerikanischen Gesundheitssystems, die Sanders seit langer Zeit lauter anprangert als alle anderen, und das zu verändern Kernbereich seiner Programmatik ist. Aber wer in den USA Kandidat werden will, muss Allianzen zwischen verschiedenen Wählergruppen bilden – und da hat sich bei Sanders seit 2016 nicht viel getan.
Empfohlener externer Inhalt
Es sind nach wie vor die jungen weißen Progressiven, die den Kern seiner Basis ausmachen. Bei der Schwarzen Wähler*innenschaft bekommt er keinen Fuß auf den Boden, und die Alten bevorzugen offensichtlich Stabilität gegenüber „Revolution“. Mit Joe Biden allerdings wird einer im November versuchen, Trump nach nur einer Amtszeit aus dem Weißen Haus zu vertreiben, von dem sich überhaupt niemand etwas erwartet, außer dass er nicht Trump ist.
Programmatisch ist es lau, was Biden anzubieten hat, rhetorisch schwankt er zwischen Langeweile und Totalausfall. „Sleepy Joe“ nennt Trump ihn auf Twitter. Biden bietet Trump unglaublich viele Angriffsflächen.
Jene von Trump gewünschten ukrainischen Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter wegen Korruption dürften im Duell Trump vs. Biden eine große Rolle spielen, seine frühere Unterstützung des Irakkriegs, 30 Jahre alte Plagiatsvorwürfe, als Biden damals ausführliche Passagen aus Reden des damaligen britischen Labour-Führers übernahm und damit aufflog. Und dennoch: Es liegt jetzt an Sanders, als progressiver Politiker zu handeln, nicht als Grumpy Old Man.
Er kann noch versuchen, während der TV-Debatte mit Biden am kommenden Sonntag das Ruder herumzureißen. Es wird extrem schwer für ihn. Nächste Woche wählen vier Bundesstaaten, darunter die beiden wichtigen Swing States Florida und Ohio. In beiden liegt Biden haushoch vorne. Wenn das so kommt, sollte Sanders aufgeben. Und alles tun, damit seine Basis mit dafür sorgt, Trump im November aus dem Amt zu wählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen