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Vorteile von physischen SpielenFür mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum

Immer weniger Game­r:in­nen kaufen ihre Spiele physisch – dabei können Hersteller von Online-Spielen die Lizenzen einfach löschen. Zeit zum Umdenken!

Hier sind noch physische Spiele im Regal: Ein Walmart in den USA im Dezember 2017 Foto: xHunterBlissx/ima

D er Hersteller meines Kühlschranks hat meinen Wohnungsschlüssel. Heute ist es so weit, er schließt auf und marschiert in meine Küche. „So, das war’s“, verkündet er. „Dieser Kühlschrank wird nicht mehr produziert. Damit verfällt Ihre Lizenz.“ Mit einem Ruck reißt er den Stecker aus dem Gerät und spaziert wieder aus meiner Wohnung. Mein Kühlschrank, der bis eben einwandfrei funktioniert hat, schaut mich traurig an.

Das klingt absurd? Ich kann euch beruhigen. Zum Glück ist das nicht wirklich passiert, zumindest nicht meinem Kühlschrank. In der Gaming-Branche ist das aber gang und gäbe: Wir kaufen Spiele, aber besitzen sie nicht. Und wenn der Hersteller will, kann er sie jederzeit unspielbar machen.

Möglich ist das, wenn Spiele als Download gekauft werden – was laut dem game-Verband 2023 auf 60 Prozent der Spiele zutraf. Auf Plattformen wie Steam oder im Playstation Store kauft man nicht die Spiele selbst, sondern Lizenzen für Zugriff auf die Software. Sie sollen Raubkopien verhindern. Das Problem ist, dass Lizenzen einfach verpuffen können. Wenn Steam schließt, würden Nut­ze­r:in­nen alle Lizenzen verlieren. Dann wären nur noch die Spiele zugänglich, die auf dem Gerät installiert und offline spielbar sind.

Oder die Hersteller selbst schalten Games ab, wie Ubisoft 2024 bei „The Crew“. Das kann wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn Spiele laufende Kosten verursachen, etwa durch Serverinfrastruktur. Meist kann man auch ohne Server offline-Versionen als Einzelspieler weiterspielen. Nicht so bei „The Crew“. Das Spiel hatte keinen Offline-Modus. Nachdem die Server abgeschaltet waren, verloren zwölf Millionen Käu­fe­r:in­nen ihren Zugang.

Initiative gegen das Löschen von Spielen

Wie wir Games kaufen (oder verschenken!), ist politisch. Die gesetzliche Grauzone digitaler Lizenzen nutzen Videospielhersteller und -vertreiber aus. Sie verkaufen Lizenzen zum gleichen Preis wie physische Spiele, aber für einen willkürlich begrenzten Zeitraum. Das spart Produktionskosten. Sie können das Produkt jederzeit aktualisieren, zensieren oder abschalten. Raubkopierschutz dient als Vorwand, um Nut­ze­r:in­nen zu kontrollieren. Das Spielverhalten wird durch die Plattformen getrackt. Im Gegensatz zu physischen Spielen kann man digitale Lizenzen nicht verleihen oder verschenken.

Seit diesem Jahr gibt es die Initiative „Stop Killing Games“. Sie fordert, dass die EU Hersteller verpflichtet, Games dauerhaft spielbar zu machen. Beendete Spiele könnten öffentlich zugänglich gemacht werden. 2023 wurde etwa „Spellbreak“ abgeschaltet und danach auf einer Indie-Spiel-Plattform angeboten. Bis Juli 2025 muss die Initiative eine Million Unterschriften sammeln, fast 400.000 hat sie schon.

Zwecks weihnachtlicher Bescherung empfiehlt es sich bis dahin, physische Spiele zu schenken. Das ist zwar unbequemer und ressourcenintensiver, aber man gibt Spieleherstellern keine Macht über das persönliche Zockverhalten. Überhaupt ist Weihnachten eine tolle Zeit, um sinnvolle Petitionen zu unterzeichnen.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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14 Kommentare

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  • Wir mieten doch auch Wohnungen. Solange wir bezahlen, sind diese Wohnungen genau so geschützt wie ein Eigenheim. Das Eigenheim ist genauso schnell weg, wenn der Kredit nicht bedient wird. Und nun?

    Eine Lizenzierung von Hardware kann eine (kalitalismus-kompatible) Möglichkeit für Hersteller sein, haltbare Produkte anzubieten.

    Die online Spiele setzen auch Infrastruktur voraus, sie betrieben werden muss. Ein Abomodell ist eigentlich angemessener als die Kaufanalogie. Die Server müssen angeschafft, gekühlt, betrieben und dauernd gewartet werden.

  • Eine Plastikbox mit einer Plastikscheibe zu kaufen, ändert allerdings überhaupt nichts. Solange da kein Source-Code drauf ist, handelt es sich um genau so eine lizenzierte Kopie zum Eigengebrauch wie ein reiner Download.

    • @nihilist:

      Ein gekauftes Spiel auf einer Disc kann man auch in 20 Jahren noch spielen. Man erwirbt das Eigentum an dem Spiel und man kann es verkaufen.



      Bei einem Download hat man nur eine Lizenz zum Spielen, die jederzeit auslaufen kann und außerdem nicht verkäuflich ist.



      Das ist ein großer Unterschied.

  • Außerdem hört das mit den digitalen Ausgaben ja bei Spielen nicht auf.



    Streaming-Abos statt DVDs



    E-Book-Reader statt Bücher aus Papier



    Und auch die Waschmaschine, die erstmal ein Softwareupdate benötigt, bevor sie alle Waschprogramme beherrscht wurde schon auf dem Markt gesichtet.



    Sitzheizungen, die online freigeschaltet werden müssen, obwohl die physische Technik schon vorhanden ist. (Es wäre zu teuer, zwei verschiedene Sitze zu produzieren.)



    Jedes dieser Beispiele hat seine Vorteile, einige sogar auf Seiten der Konsumenten.



    Aber die Blüten treiben leider immer seltener in diese Richtung aus. Oft geht es nicht mehr um Verbesserung, sondern nur noch um Gewinnoptimierung.



    Wäre schön, wenn mehr Verbraucher sich mehr Gedanken drum machen, ob eine digitalisierung wirklich zum eigenen Vorteil ist. Wo das zutrifft, bin ich auch dafür. Der Rest kann weg.

  • Auch das physische Spiel hilft nicht immer.



    Bei der Switch kommt es vor, dass Sie das physische Spiel kaufen, die Karte einlegen und dann feststellen, dass die Karte nicht das ganze Spiel enthält, sondern Sie erstmal ein Patch runterladen müssen.



    Toll, bei einer Konsole, die verspricht auch ohne Internetzugang nutzbar zu sein, damit man sie ruhigen Gewissens auch Kindern anvertrauen kann.

  • Viele Spiele setzen voraus, das sie mit Plattformen wie Steam, Epic Game Store, UStore von Ubisoft oder BattleNet verknüpft werden und da hilft der kauf einer Hardcopy gar nichts. Viele aktuelle Spiele haben die Größe von 100GB auch längst überschtitten und selbst wenn ich mir die Spiele noch physikalisch zulege, muss ich mir das meiste trotzdem noch runterladen und ohne Internet und Steam und Co wird das nix

  • Die Probleme liegen auf der Hand. Aber ehrlicherweise will ich erstens keinen Platz in meiner Wohnung für Spiele reservieren und zweitens habe ich auch keine Lust, ständig Datenträger zu wechseln, wenn ich zwischen Spiele wechsle. Also die Rückkehr auf physische Datenträger kommt für mich nicht in Betracht, aber ich unterstütze alles, was die Rechte von Verbrauchern stärkt. Ist beispielsweise nicht GOG.com eine etwas bessere Alternative als Steam?

  • So leicht und menschlich ist es, den Umweltschutz zu verschieben.

    • @1Pythagoras:

      Das Vorhalten der Server, um die Online-Version der Spiele spielen zu können, ist nicht unbedingt Umweltfreundlicher.



      Schon gar nicht, wenn die Downloadcodes, damit sie unterm Baum liegen können, in normale Spielverpackungen gesteckt werden.



      Die reine Downloadversion wird erst dann umweltfreundlicher, wenn sie seltener als xmal gespielt wird. (Das genaue X hängt von Spielgröße, Server-Standort und vielem mehr ab)

  • Leider ein unaufhaltsamer Prozess.



    Die Konsolenhersteller treiben diese Entwicklung mit Geräten ohne Laufwerk und immer unfangreicheren Abomodellen kräftig voran.

    Sehr viele Spieler geben zudem an, dass ihnen das Auswechseln der Disks zu umständlich und unbequem geworden ist und sehen große Vorteile darin keine Datenträger im Wohnbereich mehr einlagern zu müssen.



    Das macht leider wenig Hoffnung.

    • @Power Of Each:

      AAA-Games brauchen aktuell oft +100GB an Speicherplatz. Auf welchen phyischen Medien wollen Sie das denn noch ausliefern? So wie früher auf dem Amiga wo ein Spiel dann auf 8 Disketten kam und beim nachladen teils mehrfach gewechselt werden musste?

      • @Šarru-kīnu:

        Warum muss das Spiel auch unbedingt 100 GB Speicherplatz benötigen? Nur damit die Menschen realistisch aussehen? Nur damit Bäume HD-Texturen draufgeklatscht kriegen?

        GTA:San Andreas kommt auf lächerliche 4GB. Ist trotzdem ein Welterfolg gewesen. Also, ruhig ne DVD drauf.



        Soviel ich weiß, wurde für GTA5 sogar 8 DVD angeboten zum Installieren und hinterher zum Offline-Spielen. Dieser Online-Zwang ist ansonsten dumm und sollte auf freiwilliger Basis geschehen. Gesetzlich soll es eine Möglichkeit geben, offline spielen zu können, so dass "The Crew" auch nach 20 Jahren noch nutzbar ist.

        Es sind einfach Computerspiele. Nicht Ersatzrealitäten, die realistische Gesichter brauchen.



        Vielleicht auch einmal bei Computerspielen auf Degrowth setzen. Das wird die Indigenen auch freuen, die ihre Heimat sonst verlieren, weil unter ihrem Land Rohstoffe liegen, die für neueste High-End-Bildschirme benötigt werden.

      • @Šarru-kīnu:

        So viele große Spiele gibt es auch nicht. Komischerweise kriegt Sony das mit seinen hauseigenen Flaggschiffspielen ganz gut hin. Call of Duty ist so ein krasses Negativbeispiel.

        Außerdem gäbe es Kompromissmöglichkeiten z.B. Singleplayerdaten physisch, Online-Multiplayer digital...letzteres ist eh von einer Serverinfrastruktur abhängig.

        • @Chris McZott:

          Ohne Patch sind die meisten Spiele doch heute bei Release kaum noch lauffähig. Die Arbeit in der Softwareentwicklung hat sich einfach komplett verändert. Es gibt kein zum Zeitpunkt X fertiges unveränderbares Produkt mehr. Wir haben es nicht mehr mit statischen Plattformen zu tun wie früher. Käufe von Games werden sowieso bald komplett der Vergangenheit angehören und nur noch SaS als Abomodell verkauft. Früher brauchte ein Publisher auch nach dem Release kein Personal mehr vorhalten.



          Was alle hier wollen ginge sowieso nur noch bei SinglePayer-Games ohne Onlinefunktionen. Solche Spiele gibt es aber kaum noch.