Vorstoß der Verteidigungsministerin: AKK will Schutzzone in Nordsyrien
Die Verteidigungsministerin hat eine internationale Sicherheitszone für Nordsyrien vorgeschlagen. Sie will mit der bisher eher zurückhaltenden Syrien-Politik brechen.
Diese Sicherheitszone solle sicherstellen, dass zum einen der Kampf gegen die radikalislamische IS-Miliz wieder aufgenommen werden könne. Zum anderen solle die Region so stabilisiert werden, dass ein ziviler Aufbau und eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen möglich sei, sagte sie am Abend zudem in einem ZDF-Interview. Die Position sei mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt, die wichtigsten Verbündeten seien informiert, sagte die CDU-Politikerin in einem weiteren Gespräch mit der ARD. Ob und wie sich die Bundeswehr an der Schutzzone beteiligen soll, ließ sie offen. Das sei eine Entscheidung des Bundestags. Kritik kam von den Grünen.
Damit bricht die Verteidigungsministerin mit einer bisher eher zurückhaltenden deutschen Syrien-Politik. Auslöser des Vorstoßes ist der türkische Vormarsch in Nordsyrien sowie eine von Ankara ausgerufene Waffenruhe, die am Dienstag auslaufen soll. Die Türkei will entlang der Landesgrenze auf syrischem Gebiet eine sogenannte Sicherheitszone errichten und verlangt den Abzug der Kurden-Miliz YPG aus diesem Gebiet. Hunderttausende Menschen sollen vor den türkischen Truppen geflohen sein. Die USA, die in den vergangenen Monaten die Kurden im Kampf gegen die radikalislamische IS-Miliz unterstützt hatten, hatten mit der Türkei einen Rückzug ihrer Truppen vereinbart. Kramp-Karrenbauer hatte dies scharf kritisiert.
Kramp-Karrenbauer will ihren Vorstoß am Rande des Treffens der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel am Donnerstag und Freitag präsentieren. Im ZDF-Interview schlug sie ein gemeinsames Vorgehen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens vor. Sie verwies auf den deutsch-französischen Verteidigungsrat und eine mögliche Absprache mit den Briten. Kanzlerin Merkel plane zudem ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu Nordsyrien.
Kramp-Karrenbauer fordert eine aktivere Rolle
Vor wenigen Monaten hatten die USA die Europäer und auch Deutschland um Ersatz für abziehende US-Soldaten in Syrien gebeten. Die Bundesregierung, die sich bisher mit Aufklärungsflügen über Syrien und der Ausbildung kurdischer Milizen im Nordirak an dem Anti-IS-Kampf beteiligt, hatte eine stärkere Beteiligung abgelehnt.
Die Verteidigungsministerin fordert aber nun eine aktivere Rolle. „Man kann nicht nur darüber sprechen, dass Europa kein Zaungast sein darf, man muss dann auch mit eigenen Vorschlägen … die Diskussion anstoßen“, sagte Kramp-Karrenbauer. Sie hatte bereits am Samstag auf dem CSU-Parteitag nicht nur den Abzug der USA aus dem Nordsyrien und den Vormarsch der Türkei kritisiert, sondern auch die bisherige deutsche Politik bemängelt. Sie könne es nicht mehr hören, dass man in Deutschland „besorgt“ sei. Deutschland und auch die CDU/CSU sollten endlich eigene politische Antworten für die Lösung internationaler Krisen geben.
Mit Außenminister Heiko Maas (SPD) habe sie per SMS Kontakt gehabt, sagte Kramp-Karrenbauer am Montag im ZDF. Zunächst blieb unklar, ob der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD, der am Sonntagabend im Kanzleramt getagt hatte, bereits über das Konzept einer Sicherheitszone mit europäischer Beteiligung gesprochen hatte. Es sei aber klar gewesen, dass sie nach ihrer Kritik am Wochenende einen Vorschlag vorlegen werde, sagte die CDU-Politikerin. Alles Weitere müsse in der Koalition besprochen werden.
Omid Nouripour, Die Grünen
Wie genau ein deutscher Beitrag aussehen könne, wollte die Verteidigungsministerin nicht sagen. „Die Bundeswehr wird immer das zur Verfügung stellen, was die Politik von ihr verlangt“, betonte sie im ZDF.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte den Vorstoß Kramp-Karrenbauers. „Halbgare Vorschläge für das internationale Parkett zu machen, ohne diese mit dem Außenminister abzusprechen, beschädigt Deutschlands Ruf als zuverlässigen Partner“, sagte Nouripour zu Reuters. „Zudem riecht der Ruf nach einer internationalen Zone unter Einbeziehung der Türkei nach Entlastung für Erdoğans Versuch, ein Freiluftgefängnis für zwei Millionen syrische Flüchtlinge im Norden Syriens zu errichten.“ Die CDU habe vor allem Sorge vor einer Flüchtlingswelle und sollte stattdessen lieber den wirtschaftlichen Druck auf Erdoğan erhöhen.
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