piwik no script img

Vorschlag von Ju­ris­t:in­nenWie Ökozid strafbar werden könnte

Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen wollen, dass der Internationale Strafgerichtshof Umweltverbrechen ahnden kann. Jetzt haben sie das juristische Handwerkszeug.

Ökozide könnten zukünftig vom Strafgerichtshof in Den Haag verfolgt werden Foto: Imago

Freiburg taz | Wenn es nach deutschem Recht legal ist, Tagebaue zum Kohleabbau zu vergrößern – darf ein Konzern das dann einfach tun, obwohl das Resultat ein handfester Beitrag zur Klimakrise ist? Die Che­f:in­nen solcher Konzerne könnten in Zukunft für solche Entscheidungen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag landen – sofern dessen Statut um einen Vorschlag internationaler Ju­ris­t:in­nen ergänzt wird.

Eine Kommission aus zwölf Völkerstraf­recht­le­r:in­nen und Um­welt­ju­ris­t:in­nen hat eine Definition erarbeitet, nach der der Gerichtshof künftig Ökozide, also schwere Umweltverbrechen, ahnden können soll. Der Begriff ist an „genocide“ angelehnt, das englische Wort für Völkermord.

Strafbar wäre nach dem Vorschlag der Ex­per­t:in­nen ins Deutsche übersetzt Folgendes: „rechtswidrige oder mutwillige Handlungen, die in dem Wissen begangen werden, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch diese Handlungen schwere und entweder weit verbreitete oder langfristige Schäden an der Umwelt verursacht werden.“

Die vorgeschlagene Definition des Ökozids ist recht weitgehend. So muss noch kein Schaden entstanden sein, es genügt eine schwere Gefährdung der Umwelt. Die Tat kann nach nationalem Recht auch legal sein; es genügt, dass sie „mutwillig“ ist, das heißt: dass rücksichtslos exzessive Schäden in Kauf genommen werden.

82 Staaten müssen zustimmen

Die Erschließung neuer Kohlefelder nennt der Kommissionsvorsitzende Philippe Sands als Beispiel dafür. Er ist Anwalt und Chef des Zentrums für internationale Gerichte am University College London. Auch das Unterlassen notwendiger Maßnahmen könne als Ökozid bestraft werden, so Sands.

Allerdings würden nur Taten erfasst, die nach einer entsprechenden Ergänzung des Statuts erfolgt sind. Verurteilt werden könnten zudem keine Staaten oder Unternehmen, sondern nur Einzelpersonen, zum Beispiel Prä­si­den­t:in­nen oder eben Konzernchef:innen. Ihnen würden im Höchstmaß lebenslange Freiheitsstrafen drohen.

Beauftragt wurde die Ex­per­t:in­nen­grup­pe von der niederländischen Stiftung Stop Ecocide, die sich für die Einführung des Ökozids als Straftatbestand am Internationalen Strafgerichtshof einsetzt. Den gibt es seit 2002. Grundlage ist sein Statut, ein völkerrechtlicher Vertrag, den inklusive Deutschland 123 Staaten unterzeichnet haben.

Das internationale Gericht ist zuständig, wenn nationale Gerichte nicht bereit oder fähig sind, die Tat selbst abzuurteilen. Es behandelt bisher vier Arten von Verbrechen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und seit 2018 Angriffskriege.

Der Ökozid würde als fünftes Verbrechen hinzukommen. Um das Statut zu ergänzen, müssen zwei Drittel der Vertragsstaaten zustimmen, also 82 Länder.

Stiftungschefin Jojo Mehta schätzt, dass es etwa vier bis fünf Jahre dauern wird, die nötige Mehrheit für die Änderung des Statuts zu organisieren. Das ist optimistisch. Bisher haben laut Mehta acht Staaten Interesse bekundet, darunter die vom Klimawandel stark bedrohten Inselstaaten Vanuatu und die Malediven, aber auch Frankreich, Spanien und Kanada.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Bolsonaro würde ja wohl als erster auf der Liste stehen!

    Kanada hat zwar irgendwie einen guten Ruf, versündigen sich jedoch gewaltig an der Natur. Fort McMurray (Alberta) ist so ein Fall. Die Reportagen, die ich gesehen habe, sind furchtbar. Viele Leute sterben an Krebs. Aber das Einstiegsgehalt von 100.000 Dollar lockt so manchen an.

    Dagegen ist Garzweiler ein Kindergeburtstag.

  • "... darf ein Konzern das dann einfach tun, obwohl das Resultat ein handfester Beitrag zur Klimakrise ist?"

    Natürlich nicht "einfach".

    Er bekommt eine staatliche, juristisch und demokratisch abgesicherte Genehmigung.

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Er bekommt dafür eine von Lobbygruppen beeinflusste Genehmigung, die dann durch die beeinflussten Abgeordneten politisch legitimiert werden.



      Ob das noch demokratisch ist, wäre zu hinterfragen.

      • @05867 (Profil gelöscht):

        Das sind doch Worthülsen.

        Die Unterstellung, alle verantwortlichen in Länder und Kommunen regierenden Parteien von der CSU bis zur Linkspartei seien nur Hilfskräfte von Lobbygruppen ist eine populistische Verschwörungstheorie.

  • Da die Anwendung des Internationalen Strafrechts im deutschen Recht verankert ist, wird nie ein Deutscher vor dem Gericht stehen. Und da ein deutsches Gericht dann die Anklage auch mit dem deutschen Recht abstimmen müsste, würde es sehr spannend. Hihihihi

  • Um Hoffnung auf ein Einschreiten des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag zu setzen, braucht es einen mächtig langen Atem, dem die Aussichten auf kurzfristige Erträge/



    Einnahmen vieler armer Staaten bzw. gieriger Staatsoberhäupter zusammen mit den Gewinnerwartungen zahlloser wohlhabender Staaten und Konzerne entgegenstehen. Anstand ist kein Kriterium. Ein Anspruch auf einen gesunden Planeten für eine gute Zukunft von Kindern und Enkeln scheint - entgegen den verlogenen Heucheleien ungezählter Wahlkämpfer und anderer Lobbyisten - in unerreichbarer Ferne.

    Gerade deshalb muss es gelingen, mit kurzen, klaren und informativen Botschaften diejenigen zu erreichen und zu überzeugen, die gerne mitgenommen werden wollen, aber zwar Wählerstimme, jedoch nicht ausreichend Überblick zu haben, die Bedeutung auch eines so wichtigen Projektes Wert zu schätzen und zu unterstützen.

    Wir brauchen Ausdauer, Geduld und Argumente - und die Hoffnung, dass uns nicht inzwischen Dank der kurzsichtigen Raffgier so Vieler unsere kostbare Welt um die Ohren fliegt.

    Mit acht Staaten scheint ein Anfang gemacht. Deutschland braucht also nicht - seufz - herum nölend Lokomotive zu spielen.

    Endlich unsere mit heißer Luft gefüllten Sprechblasen stattdessen mit glaubwürdigen und überzeugenden Taten zu füllen, sich einzureihen, mit gutem Beispiel zusammen mit den ersten anderen Staaten vorangehen würde reichen, das würde auch den Wähler hierzulande wieder überzeugen. Speziell im Hinblick auf die hier anstehenden und ganz besonders wichtigen Wahlen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Jetzt bitte einmal tief Luft holen... und dann gaaaanz langsam ausatmen. Das setzt am wenigsten frei - vom CO zwei.

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Sehr spannendes Thema.



    Ich muß dabei immer an den Landwirt denken, der 3x Woche seinen Tank mit Ackergiften oder Kunstdünger in die Natur entläßt obwohl er genau weiß, das er damit dafür sorgt, das es der Gegend fast keine Insekten mehr gibt. Und das Grundwasser mit Nitrat verseucht wird.



    Dieser Mann handelt nach deutschem Recht jedoch völlig legal.



    Der nationale Gesetzgeber hat die finanziellen Interessen des Landwirts über den Schutz der natürlichen, lebensnotwendigen Ressourcen wie die Luft, Boden, Gewässer und Grundwasser gestellt.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Ich muss an die vielen Kartoffeln denken, die täglich ihr Geschäft verrichten und die Hinterlassenschaften und den Dünger letztendlich in die Nordsee abkippen.

      Diese Menschen handeln nach deutschem Recht auch immer noch völlig legal.

      Der nationale Gesetzgeber hat die finanziellen Interessen der deutschen Kartoffeln über den Schutz der natürlichen, lebensnotwendigen Ressourcen gestellt. 🧐

      • 0G
        05867 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Das ist die Rhetorik der Bauernverbände.



        Dort wird fälschlicherweise behauptet, die Nitrat- und Phosphatlasten stammten aus den Haushalten.



        Waschmittel sind seit jedoch langem frei von Phosphat, menschliche Exkremente gelangen im Gegensatz zu Schweinegülle nicht ungeklärt in die Umwelt und Nitrate stammen ohnehin aus der Landwirtschaft.



        Diese Lüge wird also auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer....

        • @05867 (Profil gelöscht):

          Rhetorik der Bauernverbände wäre es, wenn damit die Eutrophierung der Gewässer durch die Landwirtschaft relativiert.

          Wurde aber nicht.

          Sie benutzen das Strohmann-Argument nur, um die Problematik der Eutrophierung der Gewässer durch menschliche Exkremente zu relativieren und zu ignorieren.

  • Ökozide strafbar machen halte ich für sinnvoll, jedoch gibt es noch einige andere Dinge, die ebenfalls strafbar gehören, trotz hoher Priorität des Klimawandels. Volksverheutzung oder Holocaust-Verleugnung sind es bereits, aber Abwertungen von LGBT oder behinderten Menschen noch nicht.

  • Also, mutwilliges Verhalten oder Unterlassungen können verurteilt werden, auch wenn es national erlaubt ist und eine internationale Rechtsgrundlage fehlt?

    Kanada ist dafür? Auch noch wenn Vanuatu den Abbau von kanadischen Ölsanden anklagt?



    Frankreich ist dafür? Auch wenn die Malediven das Herumfahren der französischen Flotte anklagt?

    Wird spannend.