Vorratsdatenspeicherung in Bayern: München langt zu
Ein neuer Gesetzentwurf der bayerischen Landesregierung will dem Verfassungsschutz den Zugriff auf Daten erlauben.
Die Vorratsdatenspeicherung wurde jüngst durch ein Bundesgesetz wieder eingeführt. Bald müssen die Telefon- und Internetverbindungsdaten der ganzen Bevölkerung anlasslos bei den Telekom-Firmen gespeichert werden. Dabei wird zehn Wochen lang festgehalten, wer wann wen angerufen hat und wer sich wann mit welcher IP-Adresse ins Internet eingewählt hat. Der Standort von Mobiltelefonen wird nur vier Wochen lang gespeichert.
Das Gesetz wird zufällig an diesem Donnerstag im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Aufgrund einer Übergangsfrist sind die Unternehmen aber erst nach 18 Monaten verpflichtet, die Daten der Bürger vorsorglich zu speichern.
Auf die Daten kann vor allem die Polizei zugreifen, sowohl zur Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr. Das ist im Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt. Klar ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst keinen Zugriff haben. Für die Verfassungsschutzlandesämter ist das Gesetz aber unscharf. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beruft sich nun darauf, dass das Gesetz allgemein „Gefahrenabwehrbehörden der Länder“ erwähne und damit auch der Landesverfassungsschutz gemeint sei – schließlich schütze er die Demokratie vor Gefahren durch Extremisten.
Bestandsdatenauskunft ist 10 Wochen möglich
Selbst wenn sich Herrmann mit dieser Ansicht durchsetzt, gibt es noch eine zweite – wichtigere – Klippe. Laut TKG dürfen die Daten nur zur Abwehr einer „konkreten Gefahr“ für Leib, Leben oder Freiheit oder für den Bestand des Staates abgerufen werden. Der Verfassungsschutz ist aber nur ein Frühwarnsystem und hat deshalb allenfalls ausnahmsweise mit „konkreten“ Gefahren zu tun. Hierfür ist eigentlich die Polizei zuständig. Wenn sich der bayerische Dienst an diese Beschränkung hält, hätte das geplante Landessgesetz wohl nur symbolische Bedeutung.
Unabhängig von den bayerischen Plänen profitieren alle Verfassungsschutzämter aber mittelbar von der Vorratsdatenspeicherung. So haben die Dienste bisher schon das Recht, von Internetprovidern zu erfahren, welcher Person eine IP-Adresse an einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet war. Für diese „Bestandsdatenauskunft“ können künftig auch die Daten der Vorratsdatenspeicherung genutzt werden. Sie ist künftig also verlässlich zehn Wochen rückwirkend möglich.
Bayern will darüber hinaus, dass der Verfassungsschutz auch direkt auf Verbindungs- und Standortdaten der Bürger zugreifen kann. Die CSU liegt hier auf einer Linie mit ihrer Schwesterpartei. Die CDU hat erst Anfang der Woche auf ihrem Parteitag in Karlsruhe beschlossen, dass man die Nutzung der Vorratsdaten „in Zukunft auch den Verfassungsschutzbehörden ermöglichen“ will.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird