Vorlage auf Innenministerkonferenz: Gegen queerfeindliche Gewalt

LSBTIQ*-feindliche Kriminalität steigt. Nun will Innenministerin Faeser Polizei-Ansprechstellen schaffen. Doch einige Länder sind dagegen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser stützt ihren Kopf in die Hände

Will Druck machen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch in Berlin Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Es ist Tagesordnungspunkt 33 auf der Innenministerkonferenz (IMK), die seit Mittwochabend in Berlin tagt: „Homophobe und transfeindliche Gewalt bekämpfen“. Der Punkt hat nicht die oberste Priorität, aber Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will hier Druck machen – auch weil der Bericht eines unabhängigen Arbeitskreises hier vehement Maßnahmen einfordert.

In einer Beschlussvorlage von Faesers Ministerium für die IMK, die der taz vorliegt, heißt es, man sehe „Handlungsbedarf, die Bekämpfung von gegen LSBTIQ-gerichteten Gewalttaten durch geeignete Maßnahmen kontinuierlich weiter zu verbessern“. Die „konsequente Strafverfolgung“ sei „ein wichtiger Baustein im Rahmen gesamtgesellschaftlicher Anstrengungen für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben“.

Die Zahlen queerfeindlicher Gewalt waren zuletzt stetig gestiegen. Das BKA notierte für 2022 insgesamt 1.005 Straftaten im Bereich „sexuelle Orientierung“ – ein Anstieg um 15 Prozent. Dazu kamen 417 Delikte im Bereich „geschlechtsbezogene Diversität“. Beides ist allerdings nur ein kleiner Ausschnitt – das BKA selbst geht von einem Dunkelfeld von 90 Prozent aus.

Queere Geflüchtete besonders oft betroffen

Die Dringlichkeit für Faeser speist sich auch aus einem Bericht einer unabhängigen Arbeitsgruppe. Ende 2021 hatte sich die IMK erstmals mit dem Thema queerfeindliche Gewalt beschäftigt – und schließlich die Bildung dieser Arbeitsgruppe beschlossen, mit Experten und Expertinnen aus Verbänden, Behörden und Polizei. Und diese legte nun ihren Abschlussbericht vor, der ebenfalls der taz vorliegt und auf der aktuellen IMK besprochen werden sollte.

Auch der Bericht konstatiert einen „stetigen Anstieg der Gewalt“. Diese sei hierzulande „leider immer noch eine traurige Realität“. Sie sei einerseits Folge der wachsenden Sichtbarkeit der queeren Community, andererseits einer zunehmenden Bereitschaft, die Straftaten anzuzeigen. Die Gewalt treffe die LSBTIQ*-Community nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch an Schulen, Arbeitsplätzen, in Vereinen, Familien oder Behörden. Hiergegen brauche es „ein klares Signal gegen Diskriminierung und Hass“ aus der Gesellschaft, so die Arbeitsgruppe weiter.

Vor allem Personen, die mehrere Merkmale vereinten – etwa queere Geflüchtete –, seien besonders betroffen, konstatiert der Bericht. Daher müssten Maßnahmen gegen unterschiedliche Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit „miteinander verzahnt“ werden. Insgesamt sei queerfeindliche Hasskriminalität „eine Gefahr für die innere Sicherheit und für unsere Gesellschaft“, so der Bericht. „Es ist wichtig, dass jeder Mensch in einer sicheren Umgebung leben kann.“

Daher brauche es bei queerfeindlicher Kriminalität „ein klares Signal gegen Diskriminierung und Hass“ aus der Gesellschaft. Im Konkreten schlägt der Bericht eine genauere Erfassung queerfeindlicher Gewalt bei der Polizei vor. Das Themenfeld „geschlechtsbezogene Diversität“ sei missverständlich und zu unkonkret. Bessere wäre eine Umbenennung in „trans*, inter*- und nicht-binär-feindlich“. Auch sollte das BKA regelmäßig ein bundesweites Lagebild zu queerfeindlicher Gewalt veröffentlichen.

Nötig sei auch eine „Intensivierung und Verstetigung“ der Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden, Verbänden und Opferberatungsstellen. Letztere müssten dafür „strukturell gestärkt“ und „ausreichend finanziert“ werden. Zudem sollte die Polizei mit den Beratungsstellen Leitfäden für queerfeindliche Gewalt erarbeiten, damit Betroffene von ihren Rechten wüssten.

Auch sollten die Länder bei der Polizei „eigenständige Ansprechstellen LSBTIQ* im erforderlichen Umfang einrichten und mit Beschäftigten im Haupt- und Nebenamt ausstatten“. Diese sollten „flächendeckend erreichbar“ sein, was bisher „nicht genügend“ der Fall sei. Zuletzt müsse queerfeindliche Hasskriminalität auch „selbstverständliches Querschnittsthema“ in der Aus- und Weiterbildung der Polizei werden.

Gesetze greifen „deutlich zu kurz“

Insgesamt gebe es bei dem Thema „große Wissensdefizite“, so der Bericht, weshalb auch eine Schwerpunktstudie dazu sinnvoll wäre. Um das Dunkelfeld der Straftaten aufzuhellen, sollten die Adressen der Anzeigenden besser geschützt, Online-Anzeigen „niedrigschwellig“ ermöglicht und unabhängige Beschwerdeestellen eingerichtet werden. Bei der Erfassung durch Polizeibeamte sei ebenfalls eine Aus- und Fortbildung nötig. Es sei „unerlässlich, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft zu etablieren“. Und: „Präventions- und Sensibilisierungsarbeit in den Strukturen der gesellschaftlichen Institutionen wird besonders dann wirksam, wenn sie bereits bei Kindern und Jugendlichen beginnt.“

Zuletzt plädiert der Bericht auch für Gesetzesverschärfungen. Jüngste Gesetzentwürfe dazu griffen „deutlich zu kurz“. Stattdessen müsse beim Paragrafen 192a für „Verhetzende Beleidigung“ auch das Geschlecht mitaufgenommen werden. Gleiches sollte für den Paragraf 130, der Volksverhetzung, passieren.

Ob die IMK dem Vorstoß Faesers und den Empfehlungen des Arbeitskreises zustimmt, ist indes nicht ausgemacht. Nach taz-Informationen meldeten die Unions-Innenminister aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen schon im Vorfeld Bedenken an. Für eine Erarbeitung von Leitfäden für Rechte von Betroffenen sei die Polizei nicht zuständig, sondern die Justiz. Auch lehnen die drei Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Thomas Strobl (CDU) und Herbert Reul (CDU) LSBTIQ*-Ansprechstellen bei der Polizei ab: Dafür seien „ausnahmslos“ die freien Beratungsstellen zuständig.

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