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Vorkehrungen für den nuklearen Notfall190 Mio. Jodtabletten für den GAU

2022 sollen in Deutschland keine Atomkraftwerke mehr in Betrieb sein. Gefahren lauern aber weiter – aufgrund der Reaktoren in den Nachbarländern.

Das Risiko eines Super-GAUs wird trotz des Atomausstiegs 2022 in Deutschland als real eingeschätzt – im Bild: das belgische AKW Doel Foto: dpa

Salzgitter/Köln epd | Zur Vorsorge für einen möglichen Atomunfall in Deutschland oder in benachbarten Ländern vergrößert das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den deutschen Vorrat an Jodtabletten. 189,5 Millionen dieser Tabletten seien für einen radiologischen oder nuklearen Notfall bestellt worden, teilte das Bundesamt in Salzgitter dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Es müssten genügend Tabletten vorgehalten werden, um auch Mehrfacheinnahmen zu ermöglichen, falls das erforderlich sei. Derzeit hätten Bund und Länder rund 130 Millionen Jodtabletten auf Vorrat.

Die Jodtabletten sollen an die Bevölkerung verteilt werden, sollten radioaktive Stoffe freigesetzt werden, wie zuerst der Westdeutsche Rundfunk (WDR) am Donnerstag berichtet hatte. Die Strahlenschutzkommission des Bundesumweltministeriums (SSK) hatte empfohlen, den Vorrat an Jodtabletten aufzustocken. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hatte das Beratergremium der Bundesregierung vorgeschlagen, den Kreis der möglichen Empfänger von Jodtabletten nach einer Freisetzung von Radioaktivität erheblich auszuweiten.

Das Unglück in Japan habe zwei Dinge gelehrt, sagte der Essener Strahlenbiologe und damalige SSK-Vorsitzende Wolfgang Müller dem WDR. „Das eine ist, dass man auch mit Reaktorunfällen der Stufe INES 7 rechnen muss, also schwerer, als man vorher angenommen hat“. Zudem könne es zu mehrtägigen Freisetzungen kommen. Das bedeute, dass unter Umständen die Windrichtungen wechseln könne und viel mehr Gebiete betroffen seien.

Das Risiko eines Super-GAU schätzt Müller trotz des für 2022 beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland als real ein. Das liege an den zahlreichen Atomkraftwerken in benachbarten Ländern. Der Bund zahlt nach Angaben des Bundesamts rund 8,4 Millionen Euro für die Jodtabletten. Sie sollen nach den ländereigenen Konzepten dezentral gelagert und im Bedarfsfall von den Bundesländern verteilt werden.

2017 waren in der Region Aachen Jodtabletten an Bürger bis 45 Jahre sowie schwangere und stillende Frauen ausgeteilt worden. Die Behörden wollten damals Vorsorge treffen für den Fall eines schweren radioaktiven Vorfalls im belgischen Atomkraftwerk Tihange, das nur wenige Kilometer jenseits der deutschen Grenze liegt. Der dortige Atommeiler gilt wegen seines Alters und zahlreicher Risse als stör- und pannenanfällig.

Die rechtzeitige Einnahme von hoch dosiertem, nicht-radioaktivem Jod soll nach einem schweren Reaktorunfall verhindern, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse eines Menschen einlagert, wo es Krebs auslösen kann.

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3 Kommentare

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  • Das Konzept der zentralen Lagerung und Verteilung der Jod-Tabletten (und eigentlich aller Medikamente) im Krisenfall ist quatsch. Alles was im Krisenfall nicht bereits in den Haushalten ist, wird diese dann auch nicht mehr erreichen, oder die Verteilung wird dann zu mehr Unruhe und Panik führen, von den Nebenwirkungen falscher Anwendung ganz abgesehen. Die Idee einer AKW-Havarie, die sich an die geordneten Planungsskripte des Zivilschutzes hält, ist lächerlich - das ist verschwendetes Steuergeld und nur eine Subventionierung des beauftragten Pharmaunternehmens, bzw. bestenfalls in sich ein politisches Statement.

    Wer das tatsächlich für sinnvoll hält mit der Jod-Blockade, der sollte sich die Tabletten heute privat in der Apotheke besorgen und im Haushalt (kindersicher) lagern - sie sind rezeptfrei und kosten ca. 5 Euro.

    Und vor allem sollte man sich vorher zu den sinnvollen Einnahmeszenarien schlau machen - die sind begrenzter als man denkt. Statistisch wird die falsche Einnahme der Tabletten in Panik mehr Schaden durch die starken Nebenwirkungen (Schilddrüse) verursachen, als sie in der Krebsprävention Nutzen bringt.

  • Für mich klingt das einmal mehr nach einer Gefahrenlage, die der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maisière in anderem Kontext mit den Worten in der Bundespressekonferenz unter der Decke hielt, weitergehende Informationen könnten die Bevölkerung beunruhigen.

    Von der Gefahrenlage atomarer radiaoktiv Bestrahlung durch modernisierte Atombomben. 20 an der Zahl, in Arsenalen auf der US Air Force Base Büchel/Eifel, entgegen mehrheitlichem Bundestag Beschluss 2010, alle Atombomben, atomare Waffen- , Raketenträgersysteme sind von deutschen Boden abzuziehen, ist keine Rede.

    Die deutsche Atomic Weapon Partnership in US Air Force Leadership unter dem Nato Schirm, entgegen Atomsperrvertrag 1968, soll seit 2010 beendet sein, US Päsident Obamas Versprechen in seiner Prager Rede 2009, eine atomwaffenfreie Welt anzustreben, UNO ICAN Atomwaffenverbot 2017 von 122 UNO Mitgliedsstaaten erfolgreich eingebracht, abgestimmt, das mit der Ratifizierung durch 50 Signatarstaaten Völlkerrecht wird, zwichenzeiltich sind es 29 Länder, die dieses ratfiziert haben, kein Wort, gilt heute doch insbesondere die US Air Force Base Büchel nachwievor als Target von Atomwaffen fremder Mächte, von der für die Bevölkerung in ganz Deutschland atomar radioaktive Strahlengefahr ausgeht.

    Ganz abgesehen, wieviel sind es, über 400 Zwischenlager ? für ausgebrannte AKW Brennelemente, noch laufende, stillgelegte AKWs die Zielobjekt für Terroranschläge konventioneller Art sein können, ebenfalls kein Hinweis.