Vorentscheid für Abkommen mit Kanada: Weichenstellung für Ceta
Eine EU-Generalanwältin plädiert für die Mitbestimmung nationaler Parlamente bei EU-Handelsverträgen. Es geht um „gemischte Abkommen“.
Das Abkommen mit Singapur (EUSFTA) wurde im September 2013 als „gemischtes Abkommen“ aufgelegt. Das heißt, EU-Ministerrat und Europäisches Parlament haben es beschlossen, nun muss es von allen nationalen Parlamenten in den 28 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Die EU-Kommission hält jedoch die EU allein für zuständig und forderte beim EuGH ein Gutachten an.
Die unabhängige Generalanwältin Sharpston unterstützte in ihrem Schlussantrag am Mittwoch aber die Argumentation der Mitgliedstaaten, die von einem „gemischten Abkommen“ sprechen. Zwar sei die EU für viele Themen des Vertrags ausschließlich zuständig, aber nicht für alle.
So seien Abkommen, die Portfolio-Investitionen betreffen, Sache der Mitgliedsstaaten. Das sind Investitionen, die nur auf Rendite zielen und nicht darauf, ein Unternehmen strategisch zu kontrollieren. Auch grundlegende Arbeits- und Umweltnormen seien weiter nationale Angelegenheiten, ebenso Dienstleistungen im Luft- und Seeverkehr.
Sharpston räumte ein, dass die Einbeziehung der nationalen Parlamente den Abschluss solcher Verträge erschwere. Doch das dürfe bei der Feststellung der korrekten Kompetenzverteilung keine Rolle spielen.
Nur ein vager Anhaltspunkt
Nach Informationen der taz wird der EuGH sein Urteil erst im April oder Mai verkünden. Folgt er der Generalanwältin, könnte das Abkommen also unverändert in Kraft treten. In hochpolitischen Angelegenheiten wie hier ist die Position der Generalanwälte allerdings nur ein vager Anhaltspunkt.
Sollten EU-Freihandelsabkommen als „gemischte Abkommen“ eingestuft werden, würde dies auch den bisherigen Weg bei CETA bestätigen. Die EU-Kommission hatte versucht, CETA als „Eu-only“-Vertrag einzustufen, war aber auf den Widerstand der nationalen Regierungen gestoßen. Die Kommission gab zähneknirschend nach, behielt sich aber vor, die Frage nach dem Singapur-Gutachten neu zu bewerten.
CETA war im Oktober im EU-Ministerrat beschlossen worden. Die Abstimmung im Europäischen Parlament soll Anfang Februar stattfinden. Die Ratifikation in den Mitgliedstaaten kann sich über Jahre hinziehen. Teilweise, etwa im belgischen Gliedstaat Wallonien oder im deutschen Bundesrat, dürfte eine Zustimmung fraglich sein, weil das Abkommen als zu investorenfreundlich gilt. Deshalb hoffen CETA-Befürworter immer noch, dass der EuGH die Freihandelsabkommen am Ende als reine EU-Abkommen einstuft.
Doch auch als gemischtes Abkommen soll CETA schon nach der Zustimmung des Europäischen Parlaments vorläufig in Kraft treten – allerdings nur mit den Teilen, die eindeutig in die EU-Kompetenz fallen. Welche das sind, wird sich auch nach dem EuGH-Gutachten zum Singapur-Abkommen bemessen. (Az.: Avis 2/15).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation