Vor der Wahl in Ägypten: Kaum einer da außer al-Sisi
In Ägypten sind Kandidaten für die Präsidentschaftswahl hinter Gittern verschwunden. Raum für eine politische Debatte gibt es derzeit nicht.
Al-Sisi hat keinen ernsthaften Gegenkandidaten. Mögliche Bewerber wurden in den vergangenen Wochen systematisch ausgeschaltet. Der letzte Regierungschef unter dem 2011 gestürzten Hosni Mubarak, Ahmad Schafik, hatte bereits im November aus seinem Exil in den Arabischen Emiraten verkündet, gegen al-Sisi antreten zu wollen.
Daraufhin wurde Schafik, der bei der Präsidentschaftswahl 2012 gegen den Muslimbruder Muhammad Mursi angetreten war und verloren hatte, in Dubai verhaftet und über Nacht in einem Privatflugzeug deportiert. Bei seiner Ankunft in Kairo wurde er in ein Fünfsternehotel gebracht und dort festgehalten, bis er Anfang Januar seinen Rückzug verkündete. „Da ich mehr als fünf Jahre nicht im Land war, bin ich nicht die ideale Person für das Amt“, schrieb er auf Twitter.
Erwartet wurde die Kandidatur von Muhammad Awar al-Sadat, dem Neffen des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat. Doch als er sah, was mit Schafik passierte, trat er erst gar nicht an. „In einem solchen Klima kann ich nicht weitermachen, ich habe beschlossen, nicht zu kandidieren“, sagte er auf einer Pressekonferenz.
Gegenkandidat Moussa Mostafa Moussa?
Vor zehn Tagen kam ein wirkliches Schwergewicht ins Rennen: Sami Anan, der ehemalige Stabschef und einstige Chef al-Sisis, der nach der Mubarak-Ära in Rente gegangen war. In einer Videobotschaft rief er alle zivilen und militärischen Institutionen auf, sich neutral zu verhalten. Er wäre vielleicht ein ernsthafter Konkurrent für al-Sisi gewesen, aber zwei Generäle sind einer zu viel. Anan wurde drei Tage nach seiner Ankündigung festgenommen und sitzt jetzt in Militärhaft, weil er für seine Bewerbung nicht die Genehmigung des Militärs eingeholt hatte, wie es offiziell heißt.
Am Ende zog sich auch der prominente Anwalt Khaled Ali aus dem Rennen zurück, den Demokratieaktivisten und Menschenrechter aufgestellt hatten. Nicht dass sie glaubten, er habe eine Chance, aber sie hofften, mit einem eigenen Kandidaten politische Räume in der öffentlichen Debatte zurückzuerobern. „Die Chance auf irgendeine Hoffnung ist bei dieser Wahl verloren gegangen“, begründete Ali seinen Schritt.
Hisham Hellyer, Politologe
Bis kurz vor dem Bewerbungsschluss am Montag sah es aus, als würde al-Sisi alleine antreten, als mit Moussa Mostafa Moussa doch noch einer antrat. Seine kleine Partei zählt zu al-Sisis Unterstützern.
Was bleibt, ist Ernüchterung. „Mit einer solchen Wahl wird sogar dem Anschein eines politischen Prozesses jegliche Bedeutung entzogen“, sagt der Politologe Hisham Hellyer, der für die US-Denkfabrik Atlantic Council und das britische Royal United Services Institute arbeitet. Dennoch glaubt er in einem Gespräch mit der taz, dass al-Sisi international wenig Gegenwind entgegenschlagen wird. „US-Präsident Donald Trump wird al-Sisi Glückwünsche übermitteln, wenn dieser seine zweite Amtszeit beginnt“, prophezeit er.
Und auch die Europäer „werden wahrscheinlich hinter geschlossenen Türen ein wenig murren, aber das wird ihre grundsätzliche Politik gegenüber Ägypten nicht verändern, denn ihre Politik wird bestimmt von wesentlich kurzfristigeren Erwägungen“. Schließlich wird al-Sisi in Europa als Partner im Antiterrorkampf und in der Eindämmung der Flüchtlingskrise gesehen. Eines hat die Kandidatensaga gezeigt: In Ägypten gibt es weder Raum für eine politische Debatte noch für eine Oppositionsfigur. Es gibt nur einen Pharao.
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