Vor den Wahlen in Italien: Mitte-Links-Allianz zerlegt sich
Das gerade entstandene Bündnis zerbricht mit dem Ausstieg der Mitte-Partei Azione schon wieder. Das rechte Lager hat beste Aussichten auf einen Sieg.
Um die Schaffung einer solchen Front hatte sich tagelang Enrico Letta bemüht, der Vorsitzende der gemäßigt linken Partito Democratico (PD), der mit etwa 24 Prozent in den Meinungsumfragen stärksten Kraft links der Mitte. Und nach zähen Verhandlungen schien er am letzten Dienstag auch erfolgreich: Die PD vereinbarte ein Wahlbündnis mit zwei kleinen liberaldemokratischen Mitte-Parteien, mit Azione unter dem früheren Wirtschaftsminister und heutigen Europaabgeordneten Carlo Calenda sowie mit +Europa, in der die frühere EU-Kommissarin und italienische Außenministerin Emma Bonino den Ton angibt.
Zugleich aber verhandelte Letta mit Kräften links der PD weiter, mit dem Duo aus Grünen und Sinistra Italiana (SI – Italienische Linke) – und kam mit ihnen am Samstag zu einem positiven Abschluss. Schon im Pakt mit den Mitte-Parteien hatte Letta sich grünes Licht auch für solche Verhandlungen geben lassen.
Doch von diesem grünen Licht wollte Calenda mit einem Schlag nichts mehr wissen. In einem TV-Interview kündigte er am Sonntagnachmittag seine Absprache mit der PD auf. Ihm sei es unmöglich, gemeinsam mit Kräften von der Linken anzutreten, die die Regierung Draghi schlechtredeten und wichtige Infrastrukturprojekte wie die LNG-Terminals ablehnten, erklärte er – so als seien ihm diese Positionen der Linksgrünen bis zum Samstag völlig unbekannt gewesen.
Italiens Wahlrecht spielt der Rechten in die Hände
Calenda will jetzt mit einer separaten Zentrumsliste antreten, in der Hoffnung, mit ihr 10 Prozent zu holen. Während die Rechte völlig geeint antritt und in den Umfragen auf mindestens 46 Prozent kommt, ist das Mitte-Links-Lager gleich doppelt gespalten. Dire Allianz, die die PD um sich schart, darf in den Meinungsumfragen auf bis zu 33 Prozent hoffen, während die separat kandidierenden Fünf Sterne für bis zu 12 Prozent gut sind.
Diese Spaltung spielt angesichts des italienischen Wahlrechts der Rechten perfekt in die Hände. Denn nur 63 Prozent der Sitze in Kammer und Senat werden nach Proporz vergeben, 37 Prozent dagegen in Personenwahlkreisen. Dort wird die Rechte jetzt höchstwahrscheinlich das Gros abräumen, denn auch strategisches Wählen ist in Italien unmöglich: Die Listenstimme darf nur an eine Partei gehen, die den*die Wahlkreiskandidat*in unterstützt, für den der*die Wähler*in optiert.
Damit scheint sogar möglich, dass die Rechte am Ende zwei Drittel der Mandate erobert – und dann aus eigener Kraft die Verfassung nach Gusto verändern kann.
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