Vor dem Spitzenspiel BVB – Bayern: Rekordmeister übt sich in Demut
Vor der Partie gegen den BVB erneuert der FC Bayern seine Treueschwüre für Niko Kovac. Kein Wunder: Ein anderer Trainer ist nicht in Sicht.
Es sind sehr spezielle Zeiten bei Deutschlands erfolgreichstem Fußballklub. Nicht nur wegen des Spiels am Samstag beim Lieblingsfeind. Man fahre „nicht als Favorit nach Dortmund, sondern als Außenseiter, zum ersten Mal seit langer Zeit“, sagte Bayern-Präsident Uli Hoeneß nach dem Gurkensieg gegen Athen, „die Dortmunder haben jetzt sechs Jahre diese Distanz zu uns gehabt, da dürfen sie jetzt auch mal vorn sein. Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt. Die Meisterschaft würden wir gern alle haben. Aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen.“ Das wird doch nicht etwa Demut sein?
Wohl eher Kalkül: die Favoritenrolle endlich mal von sich wegschieben und den Turbo-Borussen vor die Füße kippen. Würde ein Spektakelpreis vergeben, stünde der Sieger sowieso längst fest. Doch so behäbig, verunsichert und zögerlich die Bayern zuletzt auch übers Feld schlichen, dass sie sich ausgerechnet in Dortmund zu einer Heldenleistung aufraffen, ist nicht ausgeschlossen.
Und selbst wenn sie mit einer Packung nach Hause fahren müssten: en Job wird das den Trainer nicht kosten, hat Hoeneß doch gerade seinen Bis-aufs-Blut-Schwur auf Niko Kovac erneuert: „Daran hat sich nichts geändert. Meine Aussagen gelten nicht immer nur für zwei, drei Wochen. Wir haben eine Mannschaft, die im Umbruch ist. Wir haben einen jungen Trainer, der sich hier reinarbeiten muss. Da muss man ein bisschen Geduld haben.“ Gut wäre, wenn man dazu noch einen Plan hätte.
Brazzo, das Bürschchen
Wie der Zukunftsplan der Bayern aussieht? Auch dazu hat Hoeneß gesprochen, bei einer Veranstaltung der Sächsischen Wirtschaft im VIP-Raum des Dresdner Stadions. „Ich mache diesen Job noch zwei, drei Jahre und will meinem Nachfolger eine volle Kasse übergeben. Dann können sie mit dem Geld machen, was sie wollen.“ Geld, okay. Aber ein Plan, eine Idee, gar eine Vision? Fehlanzeige.
Stattdessen: Ratlosigkeit, das große Nichts. In zwei Monaten wird er 67, feiert 40-jähriges Dienstjubiläum als starker Mann des FCB, doch einen Nachfolger aufzubauen, das hat er in all den Jahren nicht hinbekommen. Mit Christian Nerlinger hat er es vor zehn Jahren mal versucht – ging nicht lange gut.
Mit Philipp Lahm und Max Eberl gab es Gespräche, aber offenbar zu wenig Schnittmenge. Dafür kam Hasan Salihamidzic, Spitzname Brazzo, das Bürschchen, was es ziemlich gut trifft. So einem kann man vor laufenden Kameras auch einfach mal über den Mund fahren.
Die Souveränität wackelt
Die Versäumnisse der Bayern-Führung sind beträchtlich. Von einem Umbruch im Kader kann nicht die Rede sein, wenn der Altersschnitt mit über 27 Jahren der höchste der Liga ist. Hinzu kommt, dass man das Duo Hoeneß/Rummenigge nach jener Pressebeschimpfungskonferenz nicht mehr ernst nehmen kann. Hohn und Spott wurden schon immer gern über den Branchenprimus gekippt, aber mittlerweile hat das eine neue Dimension erreicht. Und da haben wir über Lieschen-Müller-Gate, Maulwürfe in der Kabine, Super League und die Hybrisnummer vom ernsthaft erwogenen Bundesliga-Ausstieg noch gar nicht geredet.
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Interessant ist, wie ruhig Coach Kovac, früher auf dem Platz ein recht temperamentvoller Kicker, dieses Chaos wegmoderiert. Ganz unschuldig ist er an der spielerischen Malaise nicht: Nach dem tadellosen Saisonstart verrotierte er sich an Spieltag fünf beim 1:1 daheim gegen Augsburg dermaßen (Goretzka als Außenverteidiger!), dass von da an der Wurm drin war. Die Souveränität wackelt, vom Team kamen auch schon mal nettere Sätze, und allmählich wird deutlich, dass er in Frankfurt halt doch meistens gegen statt mit dem Ball arbeiten ließ.
Immerhin soll Jupp Heynckes’ Frau längst das Telefonkabel gekappt haben, und sonst ist niemand in Sicht, der das Himmelfahrtskommando FC Bayern akut übernehmen könnte. Dabei muss man dort mittlerweile nicht mal mehr Meister werden! Wie gesagt: Sehr spezielle Zeiten.
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