Vor dem Champions-League-Finale: Das Metronom aus Madrid
Toni Kroos begeistert bei Real Madrid mit Präzision. Im Finale der Champions League gegen Atlético könnte er zum Führungsspieler werden.
Das Champions-League-Finale am Samstag werde man sich natürlich ansehen. Die deutschen Weltmeister drücken am Bildschirm ihrem einzigen Repräsentanten die Daumen, wenn sich mit Real und Atlético Madrid die derzeit erfolgreichsten Klubteams Europas in Mailand gegenüberstehen.
Über diese Sonderrolle von Kroos ist zuletzt vergleichsweise wenig diskutiert worden. Viel bedeutsamer scheint dagegen zu sein, dass der malade Bastian Schweinsteiger wieder geradeaus laufen kann, wie den jüngsten Arztberichten zu entnehmen war. Und auch die Wade von Sami Khedira wird bis zur EM gewiss ein heißes Thema bleiben – wie einst bei Michael Ballack.
Zum Platzhirsch, aufgrund dessen Präsenz das Wohl und Wehe der Nationalmannschaft abgewogen wird, hat es der 26-jährige Kroos noch nicht geschafft. Derlei hat ja oft mit Äußerlichkeiten zu tun. Im Unterschied zu Schweinsteiger sah man ihm etwa bei den formidablen WM-Auftritten 2014 nicht so sehr die Anstrengung an, die ihn das Spiel kostete.
Verlässlichkeit und Genauigkeit
Auch bei Real gilt er nicht als unverzichtbar. Derzeit wird munter spekuliert, ob er trotz seines bis 2020 laufenden Vertrags den Klub nach der Saison Richtung Manchester City oder Manchester United verlassen wird. Dabei hat er sich durchaus einen großen Stellenwert im Verein erspielt.
„Das Metronom“ nennen sie ihn in Madrid. Man bewundert ihn für seine Verlässlichkeit und Genauigkeit. Seine Ausschläge fallen aber eben deshalb nicht besonders auf. In einem Unterhaltungsbetrieb wie bei Real Madrid ist das auf Dauer gesehen vielleicht auch nicht fesselnd genug.
Doch gerade am Samstag gegen die laufstarken Atlético-Profis, die es verstehen, den Raum auf dem Feld verschwindend klein werden zu lassen, könnten seine prägnanten spielöffnenden Pässe ebenso wie seine beidfüßigen präzisen Distanzschüsse sehr viel wert sein. Mehr als 3.000 angekommene Zuspiele zählte man in seiner ersten Saison bei Real – so viele wie bei keinem anderen in Spanien.
Im zweiten Jahr unter Trainer Rafael Benitez lief allerdings anfangs wenig bei Kroos zusammen. Dem Nationalspieler behagte seine recht eng zugewiesene Defensivrolle im Mittelfeld nicht. Erst als Zinedine Zidane die Verantwortung übernahm und der Mannschaft wieder ein offensiveres Pressing verordnete, setzte auch Kroos wieder verlässlich seine Akzente. Im Halbfinale gegen Manchester City beeindruckte er zudem wieder als Präzisionsmaschine – 75 seiner 76 Zuspiele kamen an.
Ungewohnt deutliche Worte über den Ex-Trainer
„Der Spaßfaktor hat sich deutlich erhöht“, bekundete Kroos jüngst. Zidane würde den Spielern auf Augenhöhe begegnen. Wenn da einer an der Seitenlinie steht, für den man es gern macht, würde man als Spieler schon noch einmal zwei, drei Prozent mehr geben.
Für Kroos waren das ungewohnt deutliche Worte in Richtung des Vorgängers Benitez. Seine öffentlichen Äußerungen bewegten sich bislang stets kontinuierlich im floskelhaft-braven Bereich – ebenfalls ohne sonderlich ungewöhnlichen Ausschläge.
Möglicherweise ist da einer auf dem Weg, doch etwas mehr Profil zu zeigen? In den Tagen vor dem großen Finale am Samstag konnte man für diese These allerdings keine weiteren Belege sammeln. „Wir müssen ein sehr, sehr gutes Spiel abliefern“ sagte er. Und: „Es wird schwer.“ Zu den Gewinnchancen erklärte er: „50 zu 50.“
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