Vor dem Bundesparteitag der CDU: Quotierung? Erneut vertagt
Erstmals kandidieren mehr Frauen als Männer für den CDU-Bundesvorstand. Trotzdem könnten die Männer nach dem Parteitag in der Überzahl sein.
Und selbst unter den fünf stellvertretenden Parteichef:innen, von denen mit der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien und Silvia Breher, der familienpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, zwei Frauen sein werden, könnte ein Mann die erste Geige spielen: Carsten Linnemann, der ehemalige Chef des Wirtschaftsflügels, soll die Programmkommission der Partei leiten und damit für die inhaltliche Arbeit zuständig sein.
Mehr Personen als Posten
Fragt man in diesen Tagen in der CDU nach dem Geschlechterverhältnis, hört man vor allem einen Satz: „Erstmals in der Geschichte der CDU kandidieren mehr Frauen als Männer für den CDU-Bundesvorstand.“ Das sei „richtig gut“, freut sich Breher. „Die Einsicht, dass man als moderne Volkspartei nur dann Erfolg hat, wenn man Parität auch lebt, ist jetzt auch beim Letzten angekommen“, urteilt Prien. Oder vielleicht hofft sie das auch eher. Denn fraglich ist, ob nach der Wahl nicht doch wieder mehr Männer als Frauen in den Führungsgremien sitzen werden. Sowohl für das kleinere Präsidium als auch für den deutlich größeren Bundesvorstand kandidieren mehr Personen, als es Posten gibt.
Was? 1.001 Delegierte treffen sich am Samstag zum digitalen CDU-Parteitag. Es wird vor allem gewählt: Parteichef und Generalsekretär, die fünf Vizes, dazu das gesamte Präsidium und der Bundesvorstand.
Warum? Die Neuwahl ist nötig, weil nach dem Debakel der Bundestagswahl Parteichef Armin Laschet und die gesamte Bundesspitze ihren Rücktritt angekündigt hatten. Manche scheiden ganz aus: Thomas Strobl, der Innenminister von Baden-Württemberg, oder Norbert Röttgen, der als Kandidat für den Parteivorsitz gescheitert war.
Wer? Als sicher gilt, dass Friedrich Merz im dritten Anlauf zum Parteichef gewählt werden wird. In einer Befragung hatten sich 62 Prozent der Mitglieder für ihn ausgesprochen. Generalsekretär soll Mario Czaja werden, Parteivizes neben Karin Prien und Silvia Breher (siehe Text) Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, der Klimaexperte der Fraktion, Andreas Jung, und Carsten Linnemann, der Ex-Chef der Mittelstandvereinigung. Schatzmeisterin will die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner werden, Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn will ins Präsidium.
Klar ist, dass Anna Kreye nicht mehr dabei sein wird. Noch vor einem Jahr hatte der Landesverband Sachsen-Anhalt sie neben Ministerpräsident Rainer Haseloff ins Rennen geschickt. Kreye, heute 27, ist Juristin und Landeschefin der Jungen Union. Als sie gemeinsam mit zwei weiteren JU-Frauen in den Bundesvorstand gewählt wurde, schmückte sich die Partei gerne mit den Nachwuchspolitikerinnen. Kreye war es, die Armin Laschet in der denkwürdigen Sitzung des Bundesvorstands gesagt hatte, dass er mit Blick auf ihre Landtagswahl nicht der richtige Kanzlerkandidat sei.
Frauen ziehen gegen machtbewusste Männer den Kürzeren
Doch jetzt will neben Haseloff auch Landeschef Sven Schulze, Wirtschaftsminister und möglicher Nachfolger als Ministerpräsident, in den Bundesvorstand. Und mit den zwei Männern sind die Plätze, auf die die CDU Sachsen-Anhalt proporzmäßig hoffen kann, besetzt – und für Kreye keiner übrig. „Wir haben uns geeinigt“, sagt sie – und dass sie Mitglied der Programmkommission werden solle. Doch es klingt auch durch, dass sie wohl gerne weitergemacht hätte. Aber gegen den Landeschef in einer Kampfkandidatur um die Nominierung antreten? Das versuchte sie erst gar nicht.
So ist es in der CDU noch immer: Wenn machtbewusste Männer wollen, zieht die Frau häufig den Kürzeren. Dabei sagt selbst der designierte Parteichef Merz, dass die CDU dringend mehr junge Frauen braucht – also solche wie Kreye.
Der Frauenanteil unter den CDU-Mitgliedern liegt bei gut 26 Prozent, bei den Neueintritten nur minimal darüber. Und bei den Wählerinnen ist die CDU bei der letzten Bundestagswahl dramatisch eingebrochen. Die Partei, das ist allen klar, muss für Frauen attraktiver werden.
Um Entscheidungen wie in Sachsen-Anhalt zu erschweren, könnte eine Frauenquote helfen. Nach zähem Ringen hat sich die Struktur- und Satzungskommission im September 2020 auf eine stufenweise Einführung einer Quote bei Vorstandswahlen ab der Kreisebene geeinigt. Der damalige Bundesvorstand, noch unter Leitung von Annegret Kramp-Karrenbauer, hatte dies unterstützt, auf dem Parteitag später sollte diskutiert und abgestimmt werden.
Abstimmung wurde erneut verschoben
Dann kam Corona, der Präsenzparteitag fiel aus, die Abstimmung steht bis heute aus. Sie sollte eigentlich auf dem Parteitag an diesem Wochenende auf der Tagesordnung stehen – und wurde erneut verschoben, weil auch dieser Parteitag digital durchgeführt wird.
„Ich habe die klare Erwartungshaltung, dass der Vorschlag der Struktur- und Satzungskommission auf dem nächsten Parteitag zur Abstimmung gestellt wird“, sagt die künftige Parteivize Karin Prien, eine bekennende Verfechterin der Quote. Auch Silvia Breher geht davon aus, dass das Paket nicht noch einmal aufgeknüpft wird. Beide Frauen sagen aber auch, dass sich der neue und möglicherweise stark veränderte Bundesvorstand mit dem Thema noch einmal beschäftigen wird. Merz ist bekanntermaßen kein Anhänger der Quote.
Da wäre es ein schlechtes Signal, wenn ausgerechnet die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette Widmann-Mauz, die seit Langem für die Einführung der Quote wirbt, dem künftigen Präsidium nicht mehr angehören würde – doch genau das könnte passieren. Für die sieben Plätze in dem Gremium gibt es bislang acht Bewerber:innen. Widmann-Mauz hat bei der letzten Abstimmung mit 54 Prozent schlecht abgeschnitten. Nun hat zudem die JU mit Ronja Kemmer eine Frau nominiert, die wie Widmann-Mauz aus Baden-Württemberg stammt.
Konkret dazu will sich die Vorsitzende der Frauen-Union nicht äußern. „Ich freue mich über die große Zahl von Kandidatinnen für den Bundesvorstand der CDU. Dieses breite Angebot an starken Frauen zeigt: Alle in der CDU haben verstanden, dass die Partei weiblicher, jünger und vielfältiger werden muss“, lässt sie nur als Zitat übermitteln.
Kemmer allerdings ist anders als viele JU-Frauen nicht gegen die Quote. Sie habe ihre Position dazu überdacht, sagte die 32-Jährige jüngst der taz: „Früher war ich der festen Überzeugung, dass sich Leistung am Ende bewährt. Aber das scheint nicht immer so zu sein.“
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