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Vor Klimakonferenz COP26 in GlasgowGipfel des Protests

Gegen den Klimagipfel in Glasgow sind zahlreiche Aktionen geplant. Greta Thunberg lädt streikende Ar­bei­te­r*in­nen zum Demonstrieren ein.

Aktivisten von Ocean Rebellion protestierten schon am Mittwoch vor dem Konferenzzentrum Foto: Russell Cheyne/reuters

Hamburg taz | Auf einem Klimagipfel zu protestieren, ist eine heikle Angelegenheit. Die UNO schließt akkreditierte Teilnehmer*innen, die sich nicht regelkonform verhalten, sofort aus. Bei der letzten COP in Madrid im Dezember 2019 wurden 300 Klimaschützer*innen, die vor einem Plenarsaal Parolen riefen und die Fäuste reckten, unsanft rausgeschmissen. Danach ließ die UN-Polizei vorerst keine akkreditierten Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft mehr in das Kongressgebäude.

Dennoch werden es sich Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen in Glasgow nicht nehmen lassen, ihre Wut über die globale Klimapolitik zum Ausdruck zu bringen. Die COP 26 findet vom kommenden Sonntag an zwei Wochen lang in der britischen Hafenstadt statt. Zahlreiche Gegenveranstaltungen sowie Demonstrationen, Blockaden und andere Aktionen des zivilen Ungehorsams sind bereits ab Freitag geplant. An der University of Glasgow beginnt am Wochenende ein Gegenkongress, an einer weiteren Hochschule der Stadt, der University of Strathclyde, startet ein Jugendkongress.

Fridays for Future Schottland und andere Organisationen haben das Wochenende in der Mitte des Gipfels zu den Hauptaktionstagen erklärt. Am 5. November plant Fridays for Future eine Großdemonstration, an der auch Greta Thunberg teilnehmen will. Auf Twitter lud sie bereits streikende Ar­bei­te­r*in­nen ein, sich zu beteiligen: „Klimagerechtigkeit bedeutet auch soziale Gerechtigkeit, und dass niemand zurückgelassen wird.“

Keine Straßenreinigung, kein Zugverkehr

Mitglieder der Gewerkschaft GMB, in der unter anderem Ar­bei­te­r*in­nen der städtischen Reinigungsunternehmen organisiert sind, nutzen das öffentliche Interesse und haben bereits ihre Arbeit für bessere Löhne niedergelegt. Die Transportgewerkschaft RMT drohte an, den Zugverkehr während des Gipfels lahmzulegen, wenn die Arbeitgeber bis dahin kein annehmbares Angebot bei Tarifverhandlungen vorlegten. „Ohne eine gerechte Bezahlung kann es auch keine Klimagerechtigkeit geben“, sagte RMT-Generalsekretär Mick Lynch.

Für den Klimastreik erwartet Fridays for Future nach lokalen Medienberichten rund 8.000 Teilnehmer*innen. Eine größere Demonstration soll am Samstag, den 6. November, stattfinden. Ein Bündnis mit dem Dachverband der Gewerkschaften Scottish Trade Union, indigenen und migrantischen Gruppen, Housing/Mietrechtsaktivist*innen, Ver­fech­te­r*in­nen solidarischer Landwirtschaft, Extinction Rebellion und dem Netzwerk Friends of the Earth erwartet nach lokalen Medienberichten bis zu 100.000 Protestierende bei einem Marsch durch die Innenstadt.

Der Klimawandel wird teuer

Bis 2050 könnte Deutschland infolge des Klimawandels knapp 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts einbüßen, so eine Studie des Euro-Mediterranean Center on Climate Change. Bis 2100 wären es bei einem Szenario von 4 Grad Erderhitzung 3 Prozent. Unter anderem den USA, Indien und Südkorea prognostiziert die Studie Einbußen von mehr als 10 Prozent, für Kanada, Indonesien und Südafrika über 13 Prozent.

Auch das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung warnte am Mittwoch davor, dass die wirtschaftlichen Folgen zunehmender Wetterextreme „größer werden können als bisher angenommen“.

Kleinere Gruppen haben für denselben Tag Aktionen zivilen Ungehorsams angekündigt. So wollen sich etwa 13 Wis­sen­schaft­le­r*in­nen vom Extinction-Rebellion-Ableger Scientist Rebellion öffentlichkeitswirksam festnehmen lassen, um darauf hinzuweisen, dass „der gesamte COP-Prozess fehlgeschlagen“ sei. „Die UNO hat die COP 25 Mal ohne jeglichen Erfolg abgehalten“, schreiben die Wissenschaftler*innen. Das werde bei dieser COP nicht anders sein.

10.000 Po­li­zis­t*in­nen täglich im Einsatz

Obwohl bei Protesten gegen Klimagipfel in der Regel keine Gewaltausbrüche zu erwarten sind, werden große Teile der Innenstadt abgesperrt, Schulen schließen aufgrund der Sperrungen. Die schottische Polizei will dem Ausnahmezustand mit einem Aufgebot von 10.000 Po­li­zis­t*in­nen täglich begegnen, darunter Spezialeinheiten zur Aufstandsbekämpfung und Polizeitruppen aus England, Wales und Nordirland. Die Polizei habe auch das britische Verteidigungsministerium und eine Sondereinheit um Amtshilfe ersucht, die für die Sicherung nuklearer Einrichtungen bei Bedrohungslagen zuständig ist.

Die Sicherheitsbehörden gaben gekannt, Gesamteinsatzleiter Iain Livingstone werde alle Be­am­t*in­nen anweisen, sich freundlich, fair und entgegenkommend zu verhalten. Man wolle auf jeglichen Protest mit „angemessenen“ Maßnahmen reagieren.

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3 Kommentare

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  • Wie viele wichtige Menschen werden zum "Gipfel" anreisen? 20- oder 30-Tausend? Viele mit privatem bzw. Regierungsflugzeug? Um eine Rede zu halten und dann wieder abzufliegen? Das könnte man sich sparen.

  • Wenn die „Proteste“ und Aktionen dagegen bereits vorher schon wichtiger sind als der Gipfel selbst, kann er auch ausfallen. Es interessiert offensichtlich schon niemanden mehr, was dort passiert. Mögen doch FFF und Greta vor dem leeren Kongresszentrum demonstrieren, die Presse könnte berichten und ansonsten ließe sich viel CO2 sparen …

  • Bisher unerwähnt geblieben ist hier leider die gestrige Einigung zwischen der EU-Kommission und der deutschen Bundesregierung, was die Gleichstellung von Gas- und Atomkraftkraftwerken mit Wind und Solar beim Klimaschutz angeht. Deutschland war in der EU immer mehr isoliert in seiner Ablehnung der Atomkraft.

    Der Bau von EU-Atomkraftwerken soll demnach bald mit ähnlich hohen Fördermitteln finanziert werden wie der von Windrädern. Bezahlen muss dafür auch Deutschland, weil Atomkraft als Klimaschutzmassnahme gilt.

    Weltweit sind derzeit bereits 52 neue Atomkraftwerke und 84 einzelne Kernreaktoren im Bau oder geplant:



    web.de/magazine/po...rnenergie-36271566

    Durch die finanzielle Förderung wird sich der Ausbau in Europa bald beschleunigen. Unter anderem Frankreich, Polen, Schweden und Tschechien wollten sowieso schon neue Kernkraftwerke bauen:



    www.welt.de/wirtsc...die-Atomkraft.html