Vor Hooligan-Demo in Dortmund: „Berserker“ jetzt auch in Bremerhaven

Vor der Demo bekannter Bremer Hools hat sich in Bremerhaven eine neue, extrem rechte Hooligan-Gruppe namens „Berserker Deutschland“ gegründet.

Ein Mann steht auf einer Demonstration mit einem T-Shirt, auf dem ein Wolf abgebildet ist und in Frakturschrift: "Berseker Deutschland" steht.

Seit 2014 aktiv, nun offenbar auch in Bremerhaven: „Berserker Deutschland“ Foto: Otto Belina

BREMEN taz | Es ist ein ganz normaler Facebook-Stream im Jahr 2016 in Deutschland um sieben Uhr morgens. Eine Schreckensmeldung jagt die nächste: „Flüchtling vergewaltigt 4-Jährigen – Freispruch!“ Videobeiträge von Schächtungen laufen im Autoplay über die Timeline. Die Seite „Gegen Tierquälerei“ teilt ein Foto, auf dem ein Mann zu sehen ist, der im Begriff ist, mit einer Holzlatte einen Hund zu erschlagen. Ein schlecht reinmontierter Text fragt: „Welche Strafe sollte so ein Mensch bekommen???? Schreibe deine Meinung unter das Bild!“

Nach der morgendlichen Schächtungs-Flüchtlingsangst-Brutalo-Dusche fällt Tim M. die Antwort nicht wirklich schwer: „Langsam zu Tode quälen und dabei drauf achten dad er nicht zu früh stirbt!!!!!“ (sic). Kürzlich soll er die „Berserker Deutschland – Division Bremerhaven“ gegründet haben.

Wie bei jedem Nutzer des sozialen Netzwerks spülen Algorithmen das auf seine Timeline, was er auch in Vergangenheit angeklickt, kommentiert und geliked hat – und bei Tim M. sind das eben Schächtungsvideos und Fake-Meldungen über Flüchtlinge von Blogs mit Namen wie „Migrantenschreck“ oder „Freies Deutschland“. Tim M. ist eine von 1.100 Personen in der geschlossenen Gruppe „Patrioten Bremerhaven-Bremen“. Dort sucht er derzeit aktiv nach Mitgliedern für die Gruppierung „Berserker Deutschland – Division Bremerhaven“. Er schreibt dort: „Wir sind Nationalisten und brauchen euch ob Mann ob Frau jeder der uns beitreten möchte ich willkommen!“ (sic).

Zuerst bei der Kölner „HoGeSa“-Demo 2014 aufgetaucht

Erstmals in der breiten Öffentlichkeit sichtbar war eine Berserker-Deutschland-Gruppierung im Oktober 2014 bei der gewalttätigen „HoGeSa“-Demonstration in Köln, als über 3.000 rechte Hooligans randalierend durch die Straßen zogen. Glaubt man der Facebook-Seite von „Berserker Deutschland – Division Wolfsburg“, gibt es unter anderem bereits Ableger in Thüringen, Bayern, Sachsen, Berlin und nun offenbar auch in Bremerhaven.

Polizeibekannte Berserker sind die „Division Pforzheim“, ebenso beobachtet der Verfassungsschutz Niedersachsen die „Division Wolfsburg“. Sie verherrlichen den Nationalsozialismus, verbreiten Gewaltvideos und rechte Propaganda. Ihre Mitglieder folgen auf Facebook der AfD und Pegida.

Die Sprecherin der Innenbehörde, Rose Gerdts-Schiffler, sagte der taz: „Wir sind am Thema dran. Der Verfassungsschutz wurde vor Kurzem auf die Gruppe aufmerksam gemacht. Es gibt jedoch noch keine näheren Erkenntnisse.“ Auch die Polizei Bremerhaven konnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine genaue Einschätzung abgeben.

Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass Rechtsextremisten aus Bremen die Demo in Dortmund organisiert haben

Der Verein „Pro Aktiv Gegen Rechts“, der in Bremen und Bremerhaven mobile Beratung und Streetwork gegen rechts macht, kennt die Gruppierung ebenfalls. Max Wengel von „Pro aktiv gegen rechts“ sagt: „Über Facebook haben mehrere Leute das Banner geteilt. Aber es ist unklar, wie viele Mitglieder es sind.“

Ähnlich wie Tim M. bei den „Patrioten Bremerhaven-Bremen“ werben ihre vermeintlichen Mitglieder in verschiedenen geschlossenen Facebook-Gruppen. Auch hat es laut „Pro Aktiv gegen rechts“ Kontakt zu der extrem rechten Identitären Bewegung gegeben, die der Gruppe nicht beitreten wollte, sich aber eine Zusammenarbeit vorstellen kann.

Die rechte Szene in Bremerhaven ist laut Wengel schwierig einzuschätzen: „Es gibt bislang wenig organisierte Strukturen, die sich öffentlich hervortun.“ Ein Potenzial an Leuten gäbe es, aber bisher noch keine bekannten Zusammenschlüsse. Diese Lücke will nun offenbar die Berserker-Division Bremerhaven füllen.

Laut Wengel von „Pro Aktiv“ betreiben Bremer Facebook-Gruppen derzeit „massive Hetze“: „Da passt kaum noch ein Blatt zwischen organisierte Nazis und den Hass in den Gruppen.“ Allerdings partizipierten die meisten Mitglieder der geschlossenen Gruppen nicht aktiv, sondern lesen nur mit.

Erster öffentlicher Auftritt bei einer Hooligan-Demo in Dortmund?

Laut Facebook-Kommentar von Tim M. könnte sich die neue Gruppierung das erste Mal bei einer Demo des Vereins „Gemeinsam Stark Deutschland“ am 8. Oktober in Dortmund zeigen. Das ist ein Nachfolge-Bündnis von „HoGeSa“-Demonstranten. Die damalige Hooligan-Masse hat sich inzwischen in Gruppierungen wie „Gemeinsam Stark Deutschland“, „Bündnis Deutscher Hools“ und eben auch diverse Ableger von „Berserker Deutschland“ aufgespalten. Die Polizei rechnet mit bis zu 1.000 Teilnehmern, bei der offiziellen Facebook-Veranstaltung sind circa 350 Teilnehmer gelistet. Das Verwaltungsgericht hat entgegen den Polizeiauflagen einen Demonstrationszug durch Dortmund genehmigt.

Mit den „HoGeSa“-Nachfolgern nehmen auch einschlägig bekannte Hooligans aus Bremen wie „Captain Flubber“, „KC Keule“ von der Band „Kategorie C“ und einige Mitglieder der Band „Randgruppe Deutsch“ teil. Verschiedene Mobilisierungsvideos auf Youtube legen sogar nahe, dass die Bremer die Demo organisierten. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Innenbehörde: Dort geht man davon aus, dass „Rechtsextremisten aus Bremen“, insbesondere Marcel K. alias „Captain Flubber“ die Demo organisiert haben. Der Verfassungsschutz verfolge das sehr genau. Ein weiteres Mobilisierungsvideo für die Demo hat auch die „Berserker Deutschland – Division Wolfsburg“ gedreht.

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