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Von der Leyens Energiemarkt-PlanWo bleibt der Preisdeckel?

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, Energieunternehmen die Übergewinne abzuschöpfen, ist richtig. Er reicht aber nicht.

Heizen und Licht in der Wohnung könnte für viele unbezahlbar werden Foto: Julian Stratenschulte/dpa

E s klingt nach einem großen Aufschlag, aber das ist es nicht: Eine Gewinnabschöpfung und eine Krisenabgabe für Energieunternehmen hat Ursula von der Leyen in ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament vorgeschlagen. Endlich sollen auch die Energiekonzerne zur Kasse gebeten werden, die zurzeit ohne eigenes Zutun Geld scheffeln, während Privatleute und Firmen kaum wissen, wo sie es hernehmen sollen.

Öl-, Gas- und Kohleunternehmen sollen sich mit einer Abgabe an den Kosten der Krise beteiligen, an der sie kräftigst verdienen. Der Vorschlag wirkt, als würde auf dem völlig aus den Fugen geratenen Energiemarkt endlich etwas Gerechtigkeit einziehen. Aber: Die für die Gewinnabschöpfung veranschlagten 140 Milliarden Euro an möglichen Einnahmen sind, auf 27 Länder verteilt, nicht viel. Und was die Krisenabgabe bringt, ist unklar.

Was von der Leyen vorgelegt hat, ist leider keine Antwort auf die bange Frage, wie Europa durch den nächsten Winter kommt. Dass die Europäische Union endlich beherzt in den Energiemarkt eingreift, ist gut. Unklar aber ist, was die Ver­brau­che­r:in­nen davon haben werden. Krisenabgabe und Gewinnabschöpfung schaden nicht. Doch das Geld muss auch sinnvoll eingesetzt werden. Es ist nötig, notleidenden Haushalten und Unternehmen zu helfen – aber Almosen alleine lösen nicht die grundlegenden Probleme.

Und das sind die galoppierenden Energiepreise, die die Inflation anheizen und so man­che:n in die Pleite treiben. Die Lage ist dramatisch. Obdachlosenheime fürchten, dass sie im Winter schließen müssen, weil sie die Gasrechnung nicht bezahlen können. Pflegeeinrichtungen wissen nicht, wie sie die steigenden Energie­tarife schultern sollen, immer mehr Firmen geraten wegen der kaum zu kalkulierenden Kosten ernsthaft in die Bredouille, und Millionen von Haushalten fürchten, im Winter nicht heizen zu können, weil es zu teuer ist.

Es reicht nicht, dass Energie vorhanden ist, sie muss auch bezahlbar sein. Das ist sie für viele nicht. Doch von einem Preisdeckel hat von der Leyen nicht gesprochen. Immerhin: Die Bundesregierung führt Gespräche auf EU-Ebene über eine Strompreisbremse. Hoffentlich mit Erfolg. Das Modell sieht vor, dass es einen staatlich subventionierten Grundbedarf für Haushalte und kleine und mittlere Betriebe gibt.

Für den Verbrauch darüber hinaus muss der hohe Marktpreis bezahlt werden. Das geht in die richtige Richtung. Allerdings: Etwas Ähnliches für Gas ist nicht vorgesehen. Das ist fatal. Denn Gas ist mindestens so wichtig wie billigerer Strom. Ohne einen Energiepreisdeckel für den Grundbedarf drohen in den kommenden Monaten schlimme soziale und wirtschaftliche Verwerfungen.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ein Übergewinn darf garnicht erst anfallen, darauf eine Steuer zu erheben ist Unsinn.



    Die EU und andere kassieren bei diesen Übergewinnen Steuern und die Staaten geben dann irgendwelche unzureichenden Hilfspakete an die Bevölkerung aus.



    Vielmehr sollten diese Spekulationen unterbunden werden, die die Brennstoffpreise in derartige Höhen treiben, dann fällt auch kein Übergewinn an.



    Wie das zu machen ist, kann ich nicht sagen, es sollte aber machbar sein.



    Und die Herrschaften, die durch diese Preistreiberei richtig Geld kassieren, sollten sich auch einmal klar machen, wer da noch viel Geld einnimmt. Das ist Russland. Damit wird dann der Krieg auch noch verlängert. Sauber Leute.



    Als Lieferant habe ich es in der Hand, wie ich den Preis gestalte, ich muss nicht das absolute Maximum aus meinen Kunden rausquetschen, ich muss Gewinn machen. Was aktuell passiert ist unbeschreiblich. Das wird auf dem Rücken von Millionen ausgetragen, die nicht mehr wissen, wie sie das bezahlen sollen, einige reiben sich die Hände, der Krieg geht weiter.

  • Wenn Europa sich an deutscher Polik orientieren soll, wirds duster.



    Frau v Leyen plaudert gerne. Auch zweisprachlich. Im EU Parlament gestern mit einer in weiss gekleideten First Lady. Ukraines Präsidenten Gemahlin. Da geht einem das Herz auf.



    Dann wieder die Niederungen dröger Politik.



    Nachdem man sich mit monatelangem hinhalten der Logik eines Deckels nicht mehr erwehren konnte, wird es jetzt wohl mindestens ebensolange dauern, bis eine Methode erfunden worden ist, ans Geld zu kommen.



    Bis zum eintreffen des ersten Euro in der Staatskasse wird wohl erneuerbare Energie die grössten Löcher gestopft haben.



    Bewährte Politik, labern bis der Arzt (Wähler) kommt.



    Bin im Moment in den Alpen an der österreichischen Grenze zum wandern.



    Bei uns der Diesel 2,30€. Fünf Kilometer weiter 1,90€ der Liter. Wie macht er das, der Österreicher?



    An der Tankstelle kein einziges Putin Portrait.

  • Ich möchte dem Kommentar widersprechen. Das Gas ist momentan knapp. Es reicht einfach nicht für die bisherigen Gewohnheiten. Damit es dann nur für absolut notwendige Dinge verbraucht wird, muss es teuer sein und zwar so teuer, dass manche Gasanwendungen nicht mehr bezahlbar sind. Durch einen Preisdeckel entsteht nämlich nicht mehr Gas!



    Die Gerechtigkeit ist hier natürlich dennoch ein Problem. Daher ist ein subventionierter Grundbedarf hier vielleicht sinnvoll, etwa so viel, um eine gut isolierte Wohnung auf 18° zu heizen.

    • @Walter B:

      Theoretisch ja, aber wie soll denn eine komplette Wirtschaft innerhalb eines Jahres umgestellt werden? So etwas ist schlicht unmöglich. Als Privatperson bekommt man seit Sommer ohne Beziehungen keinen Handwerker mehr und wenn doch sind die Lieferzeiten für die Wärmepumpe im Januar / Februar... Das diese Umrüstung passieren muß ist klar und keine Frage, aber es ist schlicht in dieser Zeit nicht zu schaffen . Zumal, obendrein der finanzielle Anreiz für eine Umrüstung entfallen ist, da Wärmepumpen durch die Strompreissteigerung nicht günstiger sind..



      Alles was dabei herauskommen wird, ist eine Rezession, Privatpersonen, die an der Heizung knapsen und dennoch weniger Geld haben, von den Menschen, die zur Miete wohnen und gar nichts beeinflussen können, ganz zu schweigen, das ist sogar die Mehrheit in diesem Land.

  • "Denn Gas ist mindestens so wichtig wie billigerer Strom. " Ich vermute, die Verantwortlichen haben die Tragweite einfach nicht verstanden. In deren Köpfen geistert, der Irrgedanke umher dieses "Preissignal" zu nutzen, um den Markt zu motivieren vom Gas weg zu kommen. daraus folgend muß Strom gedeckelt werden, sonst wäre es keine Alternative zum Gas mehr.



    Das das alles Unsinn ist, geschenkt. Diese Preisexplosion verhindert die Energiewende, geht es doch oft nur noch um die Existenz, bei Firmen, wie bei Privathaushalten und nicht mehr um sinnvolle Investitionen in Heizungsumrüstung etc. Die neoliberale Gedankenwelt, "der Markt regelt alles" scheint so in den Köpfen der Verantwortlichen verankert, das niemand erkennt, welche Macht Politik haben könnte, statt dessen wird versucht gemäß der "Marktlogik" hintenrum, indirekt, durch Anreize Politik zu machen.



    Diese Preisexplosion ist kein Preissignal, das ist der Nackenschlag für Wirtschaft und große Teile der Bevölkerung. Was daraus erwachsen wird....? Nichts gutes vermutlich und eine CO2 neutrale Wirtschaft am allerwenigsten. Ganz Europa innerhalb 1 Jahres vom Gas wegzubringen, ist unmöglich und wird eine Wirtschaftskrise befeuern, die wir noch nicht übersehen können.

  • 6G
    651741 (Profil gelöscht)

    Was ist eigentlich Übergewinn? 2021 zum Beispiel war ein sehr schlechtes Windjahr. Wären die Strompreise nicht stark gestiegen, hätte es für die Wind- Stromerzeugung sehr schlecht ausgesehen. Mit anderen Worten: Nur durch kräftige Preissteigerungen waren überhaupt Gewinne, in diesem Fall für Windanlagen, erzielbar. 2022 wird vermutlich ein besseres Windjahr, aber zum Beispiel nicht für Anlagen in England. Dort ist ein positives Ergebnis auch nur mit den derzeitigen Preisen erzielbar. Also wo ist hier der Übergewinn?