Von Corona bis Dornap: Spargel-Studenten und Meuthen-Meute
Radelnd gegen die Regeln verstoßen, europäische Waffen gegen Orbán und dann bitte endlich die virtuelle Stadion-Bratwurst.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Lotsen, Lokführer, Piloten würden genau jetzt streiken.
Und was wird besser in dieser?
Medizin- und Pflegepersonal leihen sich Claus Weselsky.
Viktor Orbán, Ministerpräsident Ungarns, nutzt die Coronakrise, um ein Notstandsgesetz durchzubringen. Dadurch kann er per Dekret regieren, das Parlament wird obsolet. Wie viel lässt sich die EU noch gefallen?
Notstandsgesetze sind zu befristen, ein unabhängiges Parlament muss sie aufheben können und dazu ist Meinungsfreiheit notwendig. Lässt man die drei Essentials weg, hat man Diktaturspaß wie sonst nur Erdoğan mit seinem fantastischen Gülen-Spuk oder gleich Hitler mit dem Reichstagsbrand. Ursula von der Leyens machtvolle Schmähung, „falls nötig, wird die EU-Kommission handeln“, müsste einen humoristisch begabten Orbán zu der Frage treiben, was zum Teufel er denn noch anstellen muss, um rauszufliegen. Ungarns Mitgliedschaft in der „Europäischen Volkspartei“ ist bereits suspendiert, Parteifreundinnen Merkel, Kramp-Karrenbauer und die Kommissionspräsidentin könnten ihn behutsam mit dem Ausgang vertraut machen jetzt. Der Europäische Gerichtshof kann Orbáns Macht überprüfen; EU-Gelder können von seinem Urteil abhängig gemacht werden. Das Arsenal der Waffen ist da, von der Leyen als Pazifistin ungewohnt.
Mehrere Bundesländer haben vergangene Woche Bußgeldkataloge für Verstöße gegen die Corona-Verordnungen beschlossen. In Berlin drohen Strafen von bis zu 25.000 Euro. Wie oft haben Sie bereits gegen die Verordnungen verstoßen?
Ich fuhr Samstag die frühlingshaft belebte „Nordbahntrasse“ längs Wuppertal (Schal vorm Mund, 2 Meter zum nächsten Rad). Und hätte von Sprockhövel bis Dornap ca. 10.000 Anregungen für Spontanverhaftungen geben können. Ich bin safe, die anderen nerven halt schon. Die je nach Bundesland uferlosen Spezialregeln lesen sich wie ein harter Tourette-Schub im Beamtenchor, doch – der Tag, an dem wir einen autoritären Nationalstaat bejubeln, ist so auch nicht zu haben.
Im Kampf gegen das Virus sollen nun freiwillige Apps helfen. Würden Sie sich eine Tracking-App runterladen?
Nachdem wir alle Epidemiologen geworden sind, können wir auch noch kurz ein Informatikstudium durchdrosten. Nerdigere Experten empfehlen eine Bluetooth-basierte App, bei der das Testlabor, der App-Träger und Menschen mit einer Mindestnähe erfahren, was Befund ist. Technische Konzepte, die anonym und dezentral sind, scheinen also möglich. Oder sagen wir mal, diese blöden Computerhampels können Jens Spahn aber auch jeden Spaß verderben.
Um die Spargelernte wie geplant durchführen zu können, dürfen 40.000 Saisonarbeiter aus Osteuropa trotz Grenzschließung nach Deutschland einreisen. Ist Spargel ein systemrelevantes Gemüse?
Gefühlt kommt auf eine Stange Spargel derzeit ein Radiomikrofon, in das besorgte Spargelbauern seufzen: Ach, der Rumäne! Sein Können sei in deutschen Tiefbück-Hochburgen unersetzlich, hergelaufenes Studentenpack habe nach zwei Minuten Rücken und metzele inkompetent die Furchen flach. Bisher hieß es, die Landwirte zahlten kaum Mindestlohn, mauschelten mit Abzügen für Verpflegung und Unterkunft, und wem das nicht passe, der fliege wegen Akkord-Minderleistung raus. Möge die nun vernehmbare Wertschätzung schlimm ansteckend sein.
12.000 Deutsche sitzen in Neuseeland fest. Nirgendwo sonst müssen noch so viele Menschen nach Deutschland zurückgeholt werden. Was machen die da alle?
Praktika, Jobsuche, Arbeit, Urlaub. Und eine Handvoll Botschaftsmitarbeiter mit dem härtesten Job der Branche aktuell: in netten Worten sagen, dass eine befreundete Regierung nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.
AfD-Chef Meuthen hat in einem Interview für eine Trennung des rechten Flügels vom Rest der Partei plädiert und erntet dafür parteiintern viel Kritik. Wird das Meuthen den Vorsitz kosten?
Umgekehrt. Das klang schon nach „halbem Königreich“, wenn er weitermachen darf.
Und was machen die Borussen?
Während BVB-Krösus Watzke notfalls auch ohne Zuschauer und Mannschaft spielen möchte, legen unterklassige Clubs „virtuelle Heimspiele“ auf: Viertligist RotWeiss Essen, Eintracht Braunschweig und, Reschpeckt – Lok Leipzig mit 60.000 verkauften Karten für nichts. Gute Lösung für Veggies: die virtuelle RWE-Stadionwurst für 2,50 €.
Fragen: Patrick Wagner, Matej Snethlage
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