Volleyballturnier für Olympia: Auftritte mit gewisser Unruhe
Das betagte deutsche Volleyballteam ist beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele auf Kurs – trotz Zipperlein und Unsicherheiten.
Existenzielles steht im Leistungssport fast immer auf dem Spiel. Von Do-or-die-Begegnungen ist häufig die Rede. „Hero or Zero“ heißt der Hashtag, mit dem der Deutsche Volleyball-Verband das Turnier dieser Tage in Berlin bewirbt. Acht Nationalteams wetteifern bis Freitag in der Max-Schmeling-Halle um ein einziges Ticket für die olympischen Spiele im August in Tokio.
Der Ernst der Lage war genügend markiert und der Schrecken am Montagabend in der Halle entsprechend groß, als ausgerechnet Georg Grozer nach einem Schmetterschlag auf dem Boden sitzend verharrte und nach seinem rechten Unterschenkel griff.
Der Mann, der bereits beim Auftaktsieg am Sonntag gegen Tschechien im zweiten Satz das Spiel in Kipplage mit einer Aufschlagserie von sieben Punkten wieder zugunsten der Deutschen drehte. Der Spieler, der mit seiner unnachahmlichen Wucht wie so häufig für das deutsche Nationalteam auch gegen Belgien am Montag die wichtigen Punkte erschmettert hatte und trotz seines Ausfalls in den letzten Minuten die Grundlagen für den zweiten Dreisatzsieg (25:18, 25:23, 26:24) und damit den nahezu sicheren Einzug ins Halbfinale geschaffen hatte.
Was dieser Georg Grozer aber in dieser misslichen Lage für ein Zwiegespräch mit seinem Teamkollegen Lukas Kampa führte, zeugte eher von einer unvermuteten Leichtigkeit. Und wahrscheinlich braucht es auch diese, damit die Deutschen am Freitagabend im Finale ihren Traum realisieren können. Kampa erzählte später, Grozer habe am Boden nur von Krämpfen gesprochen. „Er wollte nicht, dass ich ihn dehne, denn dann sehen die Leute ja, dass er alt ist.“
Zu viele Fehlangaben
Die launige Bemerkung hat einen durchaus ernsteren Hintergrund. Das Alter spielt nicht nur für Grozer, 35, und Kampa, 33, eine große Rolle. Im deutschen Team schwinden auch für Marcus Böhme, 34, und Markus Steuerwald, 30, die Möglichkeiten auf große sportliche Erlebnisse. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele vor vier Jahren in Rio de Janeiro verpasste das deutsche Team knapp. Nun geht es in Berlin darum, noch einmal die Kräfte zu bündeln, dieses oder jenes Zipperlein zu kaschieren. Grozer biss nach der ersten Schmerzattacke noch einmal auf die Zähne und kapitulierte erst nach einem Sprungaufschlag beim Rückstand von 22:24.
Zu seinen Gedanken in diesem Moment befragt, antwortete Libero Julian Zenger lachend: „Den Satz noch schnell zu gewinnen. Georg ist extrem wichtig für uns.“ Sein Ausfall hätte den Belgiern bei weiteren Sätzen gewiss Auftrieb gegeben.
Obwohl das deutsche Team in Berlin in den ersten beiden Partien keinen Satz abgeben musste, waren die Auftritte von einer gewissen Unruhe geprägt. „Von sehr vielen Ups und Downs“, sprach Marcus Böhme nach der Partie gegen Belgien. 20 Fehlangaben wird sich das deutsche Team gegen bessere Gegner kaum erlauben können.
Marcus Steuerwald, deutscher Nationalspieler
Zugute kommt der vom Italiener Andrea Gianni betreuten Mannschaft der Spielplan. Die Gegner sind nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt. Der schwerste Gruppengegner, Vize-Europameister Slowenien, wartete erst am Dienstagabend (Spielende nach Redaktionsschluss) auf die Deutschen. Als Gruppenerster hätte man sogar im Unterschied zum Halbfinalkontrahenten einen Ruhetag. All das sind ideale Voraussetzungen dafür, um sich Schritt für Schritt steigern zu können.
Verlässliche Prognosen scheinen indes bei diesem Turnier schwieriger denn je. In der anderen Gruppe, die mit Europameister Serbien stärker besetzt ist, geht es drunter und drüber. Frankreich bezwang Serbien spektakulär deutlich mit 3:0, musste sich aber im zweiten Spiel Außenseiter Bulgarien (2:3) geschlagen geben.
Marcus Steuerwald wollte sich auch deshalb nicht auf einen Lieblingsgegner im Halbfinale festlegen. „Es wird mental eine ganz schwierige Situation. Alle sind müde, alle kommen aus einer langen Saison. Niemand ist hundertprozentig fit.“ Vielleicht ist das eine Chance für das betagte deutsche Team.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
G20-Gipfel in Brasilien
Milei will mit Kapitalismus aus der Armut
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Virale „Dubai-Schokolade“
Dabei sein ist alles