Volkswagen und der Dieselskandal: Geld für Kunden, Klatsche für VW

Volkswagen schließt mit Verbraucherschützern einen Vergleich, Kunden bekommen Geld zurück. Doch für die Branche könnte es noch ungemütlicher werden.

Ein Kfz-Meister lädt im Rahmen der Rückrufaktion zum Abgasskandal ein Software-Update

Ein Kfz-Meister lädt ein Software-Update Foto: Julian Strantenschulte/dpa

HAMBURG/BERLIN rtr/dpa/taz | Unmittelbar vor dem Ende der verlängerten Annahmefrist für den Diesel-Vergleich hat sich der VW-Konzern mit rund 235.000 Kunden auf Entschädigungszahlungen geeinigt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat daraufhin seine Musterfeststellungsklage gegen das Unternehmen zurückgezogen, wie vzbv-Vorstand Klaus Müller erklärte. Gleichzeitig gab es überraschende Nachrichten aus Luxemburg: Eleanor Sharpston, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshf (EuGH), kommt in ihrem Schlussantrag zu dem Fazit, dass die in Millionen Pkws eingebauten Abschalteinrichtungen illegal sind.

Auf den Diesel-Vergleich hatten sich Volkswagen und vzbv Anfang des Jahres verständigt. Die Einigung sieht vor, dass von der Dieselaffäre betroffene Verbraucher Schadenersatz für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge bekommen.

Einlassen auf den Vergleich konnten sich Autobesitzer, die ihren Wagen vor dem 31. April 2015 erworben und sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen hatten und für die deutsches Recht gilt, wie Jutta Gurkmann vom vzbv erklärte. Nach VW-Angaben sollen ab kommender Woche insgesamt etwa 750 Millionen Euro ausgezahlt werden. Je nach Alter und Typ des Fahrzeugs sollen Kunden mit Beträgen zwischen 1.350 und 6.250 Euro entschädigt werden.

Bundesverbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD) betonte: „Es hat sich eindrücklich gezeigt, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit der Musterfeststellungsklage auch über eine einvernehmliche Lösung schnell und unkompliziert zu einer Entschädigung verholfen werden kann.“

Verband fordert Nachbesserungen

Der vzbv sieht dagegen an einigen Punkten Nachbesserungsbedarf. Das Klageregister, in dem sich geschädigte Kunden für die Musterfeststellungsklage eintragen mussten, sei überflüssig und sorge nur für Bürokratie und Zeitdruck, sagte vzbv-Chef Klaus Müller.

Gerade angesichts der bevorstehenden Rezession wegen der Coronakrise hätten ohne dieses Klageregister wahrscheinlich deutlich mehr Menschen von dem Vergleich profitieren können. Außerdem wäre es sinnvoll, wenn das zuständige Gericht eine verbindliche Entscheidung zu einer Pflicht-Schlichtung treffen könnte. „Hier muss der Gesetzgeber nachbessern.“

Doch auch mit dem Vergleich ist das Kapitel Diesel-Skandal längst nicht abgeschlossen – weder für die Autobranche insgesamt noch für VW. Während die Ansprüche der Teilnehmer an der Musterfeststellungsklage mit dem Diesel-Vergleich abgegolten sind, sind vor Gerichten sind noch mehr als 70.000 Verfahren gegen VW anhängig.

Erstmalig wird am Dienstag (5. Mai) auch am Bundesgerichtshof (BGH) über eine solche Einzelklage verhandelt. Ein Mann aus Rheinland-Pfalz fordert dabei für seinen 2014 gekauften Gebrauchtwagen den vollen Kaufpreis von 31.500 Euro von Volkswagen zurück. Im Sommer sollen am BGH weitere Termine zu Rückzahlungsforderungen wegen manipulierter Diesel-Fahrzeuge folgen.

In einigen Wochen wird auch die Entscheidung des EuGH zum Thema Abschalteinrichtungen erwartet. Bei dem Verfahren, in dem die Generalanwältin diese Woche in ihrem Schlussantrag auf Illegalität der Abschalteinrichtungen plädierte, ging es im Kern um die Frage, ob eine einschlägige EU-Norm eingehalten wurde. Der EuGH muss unter anderem entscheiden, ob Käufer der Fahrzeuge über „wesentliche Merkmale“ getäuscht wurden. Den Fall vorgelegt hatte ein französisches Gericht.

Gnädige Zulassungsbehörden

Die Schlussanträge der Generalanwältin haben zwar keine bindende Wirkung. In der Vergangenheit folgten die EuGH-Richter ihnen jedoch häufig. Ein entsprechendes Urteil hätte laut dem Rechtsanwalt Christian Solmecke Einfluss auf Gerichtsverfahren zu den Abschalteinrichtungen in ganz Europa. Denn bislang seien die Zulassungsbehörden in dieser Sache gnädig zu den Autoherstellern. Das müsste sich mit einem entsprechenden EuGH-Urteil ändern.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte das Votum der Generalanwältin: „Sollte das Gericht den Anträgen folgen, muss das Kraftfahrtbundesamt alle Bescheide, die nach wie vor Abschalteinrichtungen zulassen, zurücknehmen“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

Die Fahrzeuge müssen dann stillgelegt oder mit wirksamer Abgasreinigungstechnik nachgerüstet werden. Resch: „Dies ist ein längst überfälliger Schritt für die betroffenen Fahrzeughalter, aber auch für die zahllosen Menschen, die unter den hohen Schadstoffkonzentrationen in unseren Städten leiden und gesundheitlichen Schaden davontragen.“

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