Volksentscheide in Berlin: Der Senat tritt auf die Bremse
Für die Volksentscheide „Fahrrad“ und „Volksentscheide retten“ wird es eng: Die Innenverwaltung braucht länger als gewöhnlich für die rechtliche Prüfung.
Die Initiatoren von „Volksentscheid Fahrrad“ und „Volksentscheide retten“ beklagen, die Senatsinnenverwaltung lasse sich zu zu lange Zeit für die rechtliche Prüfung ihrer Gesetzesvorhaben. „Wir glauben, dass hier absichtlich verzögert wird, um unseren Zeitplan zu kippen“, sagte Heinrich Stößenreuther von Volksentscheid Fahrrad am Freitag der taz. Beiden Initiativen würden gerne zeitgleich mit der Bundestagswahl 2017 über ihre Vorhaben abstimmen lassen, da Entscheide abseits von Wahlterminen zumeist am erforderlichen Quorum von 25 Prozent aller Wahlberechtigten scheitern.
Die Initiative Volksentscheid Fahrrad hatte Mitte Juni 2016 ihren Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens mit über 100.000 Unterschriften eingereicht, Volksentscheide retten am 7. Juli mehr als 70.000 Unterschriften für ihr Begehren. Seither warten beide, dass die Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit ihrer Gesetzesvorhaben prüft. Eine gesetzliche vorgeschriebene Frist dafür gibt es nicht, erfahrungsgemäß dauere diese Prüfung jedoch vier bis acht Wochen, erklärt der Verein „Mehr Demokratie“ in seinem Leitfaden zur Durchführung von Volksinitiativen und Volksbegehren im Land Berlin.
Man sei „überrascht“, das ihr Begehren nun schon länger als zwei Monate geprüft werde, sagt Kerstin Meyer von „Volksentscheid Retten“: „Es ist ein überschaubarer Entwurf, und die Regelungen, die wir vorschlagen, sind in anderen Bundesländern bereits in Kraft.“
Die Initiative will Volksentscheide verbindlicher, machbarer und fairer machen und insbesondere das so genannte Einspruchsreferendum einführen: Wenn das Abgeordnetenhaus ein per Volksentscheid verabschiedetes Gesetz ändert, wie im Winter mit den Tempelhof-Gesetz geschehen, können Bürger innerhalb von vier Monaten mit 50.000 Unterschriften einfordern, dass über diese Änderung per Volksentscheid entschieden wird.
Bei Volksentscheid Fahrrad dauert die Prüfung nun sogar schon drei Monate. Zwar hat die Initiative Mitte Juli noch Ergänzungen zu ihrem Antrag eingebracht, „aber die wurden schon längst geprüft und als rechtlich zulässig beurteilt“, erklärt Stößenreuther – so schwer könne die Prüfung des Rests also nicht sein. Die Initiative will, dass bis 2025 an allen 1.600 Kilometern Hauptstraßen Radwege entstehen und auch sonst erheblich mehr Geld in die Radverkehrinfrastruktur investieren als dies der Senat bislang plant.
Der weitere Zeitplan für beide Initiativen ist ohnehin eng steckt. Nach der rechtlichen Prüfung durch die Innenverwaltung müssen die inhaltlich zuständige Senatsverwaltung sowie der Senat Stellung nehmen. Dann hat das Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, über das jeweilige Gesetz zu entscheiden. Lehnt es ab, muss die Initiative Fahrrad binnen vier Monaten 180.000 gültige Unterschriften für das Volksbegehren sammeln, Volksentscheid retten sogar rund 500.000, weil es sich hier um eine Änderung der Landesverfassung handelt.
Einen kleinen Lichtblick sieht Stößenreuther: Wenn binnen der nächsten zwei Wochen ein positiver Entscheid käme, könnten sie es bis zur Bundestagswahl im September kommenden Jahres schaffen. „Wenn nicht, ist der Senat verantwortlich für weitere zehn Verkehrstote pro Jahr“, poltert er.
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres erklärte, dass die Prüfung beider Gesetzentwürfe „komplexe juristische Fragen“ aufwerfen würde. Im Fall des Volksbegehrens „Volksentscheid Fahrrad“ finde diese in enger Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt statt. Grund für die lange Prüfung sei auch, dass die Senatsverwaltung allein die Prüfung nicht schaffe: „Da wegen der Tragweite und der Natur der zu klärenden Rechtsfragen in beiden Verfahren externe Expertisen eingeholt werden, lässt sich der genaue Zeitpunkt des Abschlusses der Prüfung gegenwärtig nicht benennen.“
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