Volksentscheid über Grundeinkommen: Bedingt unterstützt
Beim Volksentscheid am 12. Oktober stimmt Hamburg darüber ab, ein Grundeinkommen zu testen. Kritik am Versuch kommt vor allem wegen der hohen Kosten.

So ließe sich „Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit von Elementen eines bedingungslosen Grundeinkommens“ erforschen, legen die Aktivist:innen in dem zur Abstimmung stehenden Gesetzesvorschlag dar. Vor allem wegen der hohen Kosten aber verweigern die meisten Parteien wie auch zivilgesellschaftliche Akteure der Initiative die Unterstützung.
„Es ist ein extrem teures und unnötiges Experiment“, begründen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in einer gemeinsamen Erklärung ihre Ablehnung, der CDU-Fraktionschef Dennis Thering spricht von einem „Experiment mit der Gießkanne“, das keine gezielte Unterstützung für die Menschen darstelle, die wirklich Hilfe brauchen.
Auch vom Sozialverband SoVD, bei dem seit Jahren schon kontrovers über das Für und Wider eines Grundeinkommens diskutiert wird, gibt es keine Unterstützung für den Volksentscheid. Einzig die Linksfraktion spricht sich für die Volksinitiative aus, weil das Pilotprojekt einen „echten Kontrast zum bestehenden Bürgergeld-System mit seinen Sanktionen“ darstelle.
Grundeinkommen richtet sich nach Erwerbseinkommen
Auch wenn ein Grundeinkommen schon öfter ausprobiert wurde, unterscheidet sich den Initiator:innen zufolge der Hamburger Test: Die ausgewählten Personen sollen sich in unmittelbarer Nachbarschaft befinden, um zu erforschen, wie es sich auf Alltag und Zusammenhalt auswirkt; die Nachbarschaft und die Teilnehmer:innen sollen in ihrer Zusammensetzung wiederum repräsentativ der gesamten Hamburger Gesellschaft ausgewählt werden.
Zwar stehe die Auszahlung bedingungslos allen Teilnehmer:innen zu, allerdings würde das persönliche Einkommen angerechnet werden, das die Höhe der Auszahlung verringert. Nach der gegenwärtigen Bemessung würde das ausgezahlte Grundeinkommen höchstens 1.346 Euro zuzüglich der Kosten für Krankenversicherung betragen. Neben mindestens einer Testgruppe solle es eine Kontrollgruppe geben, um Unterschiede zu erkennen. Durchgeführt und begleitet werden soll der Versuch durch ein wissenschaftliches Forschungsteam.
Allzu einig sind sich aber die Hamburger Grünen nicht in ihrer Ablehnung des Versuchs, das zeigte am Dienstagabend eine Online-Diskussionsrunde, die das parteiinterne Grüne Netzwerk Grundeinkommen anlässlich des anstehenden Volksentscheids organisiert hat: So bekundete die Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block, mit „Ja“ stimmen zu wollen. Auch weitere Fraktionsmitglieder stünden dem Volksentscheid deutlich offener gegenüber als es die zusammen mit der SPD veröffentlichte ablehnende Positionierung nahelegt.
Schließlich entspreche die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen dem Grünen Grundsatzprogramm: „Existenzsichernde Sozialleistungen sollen Schritt für Schritt zusammengeführt und langfristig soll die Auszahlung in das Steuersystem integriert werden“, heißt es dort. „Dabei orientieren wir uns an der Leitidee eines Bedingungslosen Grundeinkommens.“ Auch der Landesverband der Grünen Jugend hat sich deshalb hinter die Volksinitiative gestellt.
Hamburger Grundeinkommenstest bräuchte Millionen
Bei der Diskussion stellte Joy Ponader von der Volksinitiative zum Grundeinkommen auch klar, dass die vielfach kritisierten Kosten von 50 Millionen die absolute Höchstgrenze des Versuchs darstellten – und wahrscheinlich am Ende deutlich niedriger lägen: „Es ist ein Maximalbetrag – unter den Annahmen und entgegen dem, was wir in anderen Modellversuchen erlebt haben –, dass die Erwerbstätigkeit um 15 Prozent nachlässt.“
Bislang zeige aber die internationale Grundeinkommensforschung, dass die Erwerbstätigkeit eher um etwa 5 Prozent nachlasse. Demnach würden sich beim Hamburger Test auch die tatsächlichen Kosten, die aus dem Landeshaushalt fließen sollen, deutlich verringern und vermutlich eher bei 35 Millionen Euro liegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert