Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral: Wo ist die Bewegung hin?
Der Klimaneutral-Volksentscheid wackelt, aber warum eigentlich? Treibt das Thema doch weniger Menschen um, als es scheint?
D as letzte Zwischenergebnis beim Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ wirft Fragen auf. 76.000 Unterschriften wurden laut Landeswahlleiter bis vor einer Woche eingereicht, bei einer Ungültigkeitsquote von 26 Prozent. Auch wenn die Initiative nach eigenen Angaben mittlerweile 100.000 zusammenhat, macht das vier Wochen vor Ultimo noch keine 80.000 gültigen, weniger als die Hälfte der benötigten Anzahl. Warum ist das so? Bewegt uns das Schicksal des Erdklimas – also auch unser eigenes und das der folgenden Generationen – nicht jeden Tag und jeden Tag ein bisschen mehr?
Vielleicht – es wäre die ernüchterndste Variante – liegt es einfach daran, dass die klimabewegte Blase, in der neben der taz viele andere, gerade auch die „sozialen“ Medien schwimmen, kleiner ist als vermutet. Vielleicht zucken „da draußen“ eben doch viel mehr Menschen mit den Schultern, wenn sie die jüngste Unheilsbotschaft hören. Vielleicht stehen ja auch die Zeichen vor dem Hintergrund der multiplen Dauerkrisen auf Verdrängung. Immerhin befindet sich die Welt auf der Schwelle zu einem Atomkrieg, aber die Leute gehen Eis essen, weil der Oktober so schön warm ist.
Es kann natürlich auch an den Inhalten des Volksbegehrens liegen: Vielleicht erscheint vielen die Forderung, Berlins Klimaziele per Gesetz vorzuziehen, manchen zu radikal – sprich: nett gemeint, aber nicht umsetzbar. Sagen ja auch die Grünen. Oder ist das Ziel nicht konkret genug? Auch Papier, auf das Gesetzblätter gedruckt werden, ist geduldig, und wer sagt denn, dass eine solche Zuspitzung tatsächlich bewirken würde, dass die Politik plötzlich das Lenkrad herumreißt? Sorry für die Kfz-Metapher.
Organisation ist (nicht) alles
Nicht wegzudiskutieren ist, dass die beste Volksbegehren-Kampagne nur Erfolg haben kann, wenn sie gut orchestriert ist und von vielen Freiwilligen auf die Straße getragen wird. „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat es vorexerziert, mit gefühlter Omnipräsenz in allen Stufen des Verfahrens, witzigen Plakatmotiven und originellen Aktionen. Da kann, ja muss „Berlin 2030 klimaneutral“ im Endspurt deutlich nachlegen. Bloß: Wenn sich bislang laut Initiative selbst aus den eigenen Reihen nur jedeR fünfte zum Sammeln motivieren ließ, verweist das wieder auf andere als rein praktische Gründe.
Welche, das wird man später noch ausdiskutieren müssen. Oder hatten Sie hier jetzt eine Antwort erwartet?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen