Volksentscheid Baum Berlin: Die Hängepartie ist beendet
Am Freitag sah es erst so aus, als hake es doch beim Einvernehmen zum Baum-Gesetz. Stunden später: Entwarnung von Koalition und Initiative.

taz | Die Initiative Baum-Entscheid und die schwarz-rote Koalition im Abgeordnetenhaus haben sich nach einer Hängepartie am Freitag doch noch auf einen Kompromiss über hunderttausende zusätzlicher Bäume und generell mehr Hitzeschutz geeinigt. Der Hauptausschuss des Parlaments werde den von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurf beschließen, kündigten CDU und SPD am späten Nachmittag in einer kurzfristig einberufenenen Pressekonferenz an.
Eigentlich sollte der Ausschuss den überarbeiteten Entwurf schon am Freitagvormittag als Punkt 2 der Tagesordnung abschließend diskutieren, über den am 3. November das gesamte Parlament in einer Sondersitzung abstimmt. Das Thema rückte jedoch morgens überraschend vom Beginn ans Ende der Sitzung – man verhandele noch, hieß es.
Gleich am Eingang des Parlaments war morgens noch um halb zehn von Linda Vierecke, der umweltpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, zu hören, man werde jetzt noch mal über den Text des Gesetzentwurfs gehen. Die Optionen waren da schon seit längerem klar. Nähme das Abgeordnetenhaus den Entwurf nicht an, würde die Intitiative nach eigener Ankündigung in die nächste Stufe der Volksgesetzgebung einsteigen und Unterschriften für einen Volksentscheid sammeln. Der stünde dann parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026 an.
Würde das Parlament das Anliegen übernehmen, aber nur in einer ausgehöhlten, entkernten Fassung, würde sich die Intitative dagegen vor dem Verfassungsgericht zu wehren versuchen, um doch noch über einen Volksentscheid die eigentlichen Inhalte des Gesetzes erreichen zu können. Denn in der Landeesverfassung steht, dass eine Übernahme nur möglich ist, wenn das Abgeordnetenhaus das Anliegen „in seinem wesentlichen Bestand unverändert annimmt“.
Zusage zur Übernahme in allen wesentliche Punkten
Auf eine solche einvernehmliche Übernahme und eine Einigung zwischen der Initiative und der schwarz-roten Koalition schien es noch vorige Woche eindeutig hinauszulaufen. In einer Anhörung des Hauptausschusses vor neun Tagen hatten die Koalitionsfraktionen ihre zuvor schon in einer Pressekonferenz verkündete Bereitschaft bekräftigt, den Gesetzentwurf „in allen wesentlichen Punkten“ zu übernehmen.
Doch nun die zwischenzeitliche Verschiebung. Was ist noch am Morgen der entscheidenden Sitzung nachzubessern, wofür seit jener Anhörung über eine Woche Zeit war? Das Verfahren sei unterirdisch, sagte der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux am Freitagmorgen am Rande der Ausschusssitzung der taz.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner wird das in der Pressekonferenz am Nachmittag ganz anders sehen. „Es hat überhaupt nicht lange gedauert“, widerspricht er anderslautenden Annahmen. Sein parlamentarischer Geschäftsführer Heiko Melzer berichtet davon, dass man in den vergangenen Tagen 20 Stunden mit Vertretern der Initiative zusammengesessen habe.
Die sind auch bei Pressekonferenz vertreten. Neben den Spitzen der Koaltionsfraktionen sitzen auf dem Podium vor den Journalisten Heinrich Strößenreuther und Lisa Junghans, die für die Initiative bereits in der Ausschussanhörung auftraten.
Optimismus in der Ausschuss-Anhörung
Vor allem die Worte von Junghans waren bei der Anhörung in der vorigen Woche so zu verstehen gewesen, dass man zu einem Kompromiss kommen würde. Um sechs Punkte gehe es, die noch zu klären waren, sagte sie damals. Dabei handele es sich nicht um Grundsatzfragen, sondern um Formulierungen und technische Details. „Wir spüren, hier ist ein echter Wille, das Gesetz gemeinsam zu beschließen“, hatte Junghans bei der Anhörung gesagt.
In diese Richtung waren auch die Vertreter von CDU und SPD zu verstehen. Grüne und Linkspartei unterstützen den Baum-Entscheid seit jeher, und auch die AfD gab an, dem Anliegen „grundsätzlich positiv“ gegenüberzustehen. Umso überraschender kam die Verschiebung am Freitagvormittag.
Laut dem Abgeordneten Lux von den oppositionellen Grünen ging es bei den Gesprächen nicht – wie von Junghans erwartet – um Details, sondern weiter um die große Frage, an welchen Stellen die geforderten zusätzlichen Straßenbäume Platz finden sollen. Die Christdemokraten hatten lange abgelehnt, dafür Parkplätze zu streichen – „das wird es mit der CDU nicht geben“, hieß es noch Ende September im Parlament von ihr.
Eine Woche später hieß es immerhin schon sinngemäß: Okay, davon sollten auch Parkplätze betroffen sein, aber eben nicht vorrangig. „Es geht nicht um ein Parkplatzvernichtungsprogramm, sondern um Baumpflanzungen“, war von Fraktionschef Stettner zu hören. Entscheidend sollte sein, unterirdischen Leitungen aus dem Weg zu gehen.
Saleh: „Sternstunde der Demokratie“
Als die führenden Köpfe von CDU- und SPD-Fraktion mit der Initiative schließlich am Freitag um kurz vor vier vor den Journalisten sitzen, soll das alles gar nicht so wild gewesen sein. Kontrovers, aber konstruktiv habe man diskutiert, sagt SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Und wie in den vergangenen Tagen das entstanden ist, was nun am 3. November in einer Sondersitzung des Parlaments Gesetz werden soll, ist für Saleh nichts weniger als „eine Sternstunde der Demokratie“.
Aktualisiert um 16:59 Uhr
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