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Volksbegehren zur ArtenvielfaltDruck von unten

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Das Volksbegehren für mehr Artenschutz in Niedersachsen zu starten, ist richtig. Aber die Umweltschützer dürfen den Bogen nicht überspannen.

Die Artenvielfalt leidet oftmals unter der Agrarwirtschaft Foto: Westend61/imago images

E s ist richtig, das Volksbegehren für den Schutz der Artenvielfalt im wichtigen Agrarland Niedersachsen jetzt zu starten. Selbst wenn die in der Umweltbewegung hoch geschätzte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) dagegen ist.

Denn die bisherigen Angebote der Regierung in Hannover an die Umweltschützer sind mau: „Ausbau des ökologischen Landbaus“ klingt zwar schön. Aber ohne konkrete Zahlen und Fristen ist das eine wertlose Zusage.

Damit die Regierung nachlegt, ist zusätzlicher Druck nötig. Der kann entstehen, wenn nun Umweltverbände und Grüne Unterschriften sammeln für ihr Volksbegehren. Es gibt ehrgeizige Ziele vor – etwa den Bioanteil an der Agrarfläche bis 2030 auf 20 Prozent zu steigern. Das Beispiel Bayern zeigt, wie stark eine Landesregierung auf Umweltschützer zugehen kann, wenn sie ein Volksbegehren am Hals hat. Dass einzelne Verbands- und Parteifunktionäre sich mit ihrer Kampagne auch bei der Basis beliebt machen wollen, muss dieser guten Sache nicht schaden.

Die Initiative „Land schafft Verbindung“, die die Bauern-Demonstratio­nen der vergangenen Monate organisiert hat, wird auch ohne Volks­begehren auf die Naturschützer und die Grünen schimpfen. Viele Wort­führer der Bewegung leugnen ja, dass ihre Branche maßgeblich für das Artensterben verantwortlich sei. Manche bezweifeln sogar, dass überhaupt immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben.

Die Kampagne für das Volksbegehren muss allerdings betonen, dass die Bauern für ihre möglicherweise höheren Naturschutzkosten entschädigt werden müssen. Dieser Ausgleich ist die wichtigste Forderung der AbL.

Die Umweltschützer dürfen auch nicht durch eine zu aggressive Rhetorik die weiter laufenden Verhandlungen mit der Landesregierung zum Scheitern bringen. Denn eine Einigung mit der Bauern- und Regierungspartei CDU könnte am Ende effizienter umgesetzt werden als ein ihr aufgezwungenes Gesetz per Volksbegehren.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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5 Kommentare

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  • Herr Maurin,

    Sie tun dem Volksbegehren keinen gefallen, wenn Sie schrieben, das sei ein Volksbegehren von Umweltverbänden und Grünen. Dass Sie die Breite des Bündnisses damit verstecken, schwächt das Volksbegehren und demotiviert im übrigen viele weitere Träger, die eigentlich dann auch Unterschriften sammeln müssten, von ihnen aber in die Unsichtbarkeit geschrieben werden. Das ist auch journalistisch nicht sauber.

  • Genau, die Natur darf mit ihren Forderungen den Bogen nicht überspannen!

  • "Bogen nicht überspannen" - "Grenzöffnung wäre fatal" - Herr Maurin, was ist los bei Ihnen?

  • Herr Maurin hat recht und irgendwo müssen unsere Nahrungsmittel ja wachsen. Wir sind schon ein großer Netto-Importeur von Nahrungsmitteln. progressive-agrarw...-unseren-planeten/

  • "Die Umweltschützer dürfen den Bogen nicht überspannen" - dieser Satz zeigt, dass das Problem des Biodiversitästverlustes von manchen Menschen noch gar nicht als drängendes Menschheitsproblem erkannt wurde. Was würde passieren, wenn das jemand zu Forderungen der Klimaschützer schreiben würde? Das die Natur- und Umweltschützer, nachdem sie eigentlich bis heute immer auf die Verliererstraße gedrängt wurden und mit ansehen mussten, wie Ihnen nicht einmal kleinste Erfolge vergönnt waren nun "den Bogen nicht überspannen" sollen, wirkt auf mich als Berufsökologe wie Hohn. Gerade wird wieder zu Gunsten beschleunigter Planungsverfahren am Artenschutz gesägt - bloß niemandem im Weg stehen, bloß keine Konsequenzen abfedern müssen. Angesichts der Tatsache, dass das Kind durch die über viele Jahrzehnte andauernde, zerstörerisch ungezügelt wirkende Agrarindustrie tief in den Brunnen geworfen wurde, fordere ich die Naturschützer auf, den Bogen sehr stramm zu spannen und den Pfeil dorthin zu schießen, wo es weh tut. Kleine Veränderungen und Anpassungen retten unsere fast verlorenen Naturschätze (ich könnte ein paar Feldvögel aufzählen, die in den letzten Jahren an den Rand gebracht wurden) nun nicht mehr.